Fundstück: Patchwork
Die Recherchiererei bei diesem Europaprojekt bringt mich immer wieder auf seltene Fundstücke. Eigentlich war ich auf der Suche nach dem St.-Anna-Kult bei Bergleuten, da fand ich Patchworkdecken in einem Minenort.
Kürzlich hatte ich noch mit einem deutschen Theologen diskutiert, der nicht glauben wollte, dass in Sachen Konfessionen im Elsass manchmal graue Vorzeiten herrschen. Immer noch gibt es christliche (!) Familien, die ihren Kindern die Heirat religiös streng getrennt vorschreiben; durch Dörfer laufen Glaubensgrenzen. Natürlich verwischt bei den Jungen, die an immer weniger glauben, aber die Alten wissen noch sehr gut, dass man die rechte Religion mit der Farbe der Leintücher und Fensterläden demonstrierte. Noch in den frühen Neunzigern schnitt ein ganzes Dorf jemanden für blaue Fensterläden, weil das eine jüdische Farbe sei - und die Nachbarn waren katholisch. In dem Theaterprojekt "Grenzen", das ich übersetzt habe, wurde solches Grenzgehabe von Menschen beklagt, aus Originalinterviews hat man Begebenheiten gesammelt, wie etwa von Kindern, die mit ihren Schulfreunden nicht im gleichen Chor singen dürfen, weil es der Kirchenchor der "Konkurrenz" sei. Wer mein Elsassbuch gelesen hat, wird den katholischen und evangelischen Munsterkäse perfekt auseinanderhalten können - denn der wird sogar unterschiedlich hergestellt.
Und wie immer in Regionen, wo seltsam altväterlich auf Macht- oder Denksystemen beharrt wird, löst sich das im Alltag genauso schnell auf, wie der Munsterkäse auf beiden Seiten stinkt. Ausgerechnet im Elsass stehen nämlich die Simultankirchen, Gebäude, in denen beide Konfessionen ihre Gottesdienste feierten, mal zeitlich, mal räumlich getrennt. Da siegten dann doch die Sparsamkeit und der Pragmatismus, die Kirche war für alle da. Wenn sich dann im Gemeinderat Katholische und Evangelische zu lang streiten, wer die Kapelle restaurieren soll, gehen eben beide leer aus - der muslimische Bauunternehmer bringt allen eine fein hergerichtete Kapelle. Abnehmen bei der Frühjahrskur - da gibt's eben Matzen statt Baguette, da zählen Kalorien statt Religionen und die Matzenfabrik steht schließlich im Städtchen.
Wer tiefer in die Geschichte und ins Land schaut, wird bemerken, dass die Konfessionslandschaft sehr viel reicher ist, als man das vermutet. Denn ständig zogen ins Elsass religiös Verfolgte und Menschen von weither. Als der Dreißigjährige Krieg manche Landstriche fast entvölkert hatte, waren es vor allem Schweizer und Bayern, die in den Hochvogesen bis heute ihre Trachten hinterlassen haben. Mennoniten und Wiedertäufer siedelten sich in den Wäldern der Nordvogesen an. Was ich bis heute nicht wusste: auch die Amish waren da. Und sie haben uns eine Tradition geschenkt, die bei elsässischen Frauen aller Alterstufen heiß begehrt ist: Patchworks.
Patchwork Europe findet daher 2010 im einstigen Zentrum der Amish statt: St.-Marine-aux-Mines.
Und damit habe ich elegant den Schlenker, meinen Minentext fertig zu schreiben. Noch eine halbe Seite bis zum Feierabend...
Kürzlich hatte ich noch mit einem deutschen Theologen diskutiert, der nicht glauben wollte, dass in Sachen Konfessionen im Elsass manchmal graue Vorzeiten herrschen. Immer noch gibt es christliche (!) Familien, die ihren Kindern die Heirat religiös streng getrennt vorschreiben; durch Dörfer laufen Glaubensgrenzen. Natürlich verwischt bei den Jungen, die an immer weniger glauben, aber die Alten wissen noch sehr gut, dass man die rechte Religion mit der Farbe der Leintücher und Fensterläden demonstrierte. Noch in den frühen Neunzigern schnitt ein ganzes Dorf jemanden für blaue Fensterläden, weil das eine jüdische Farbe sei - und die Nachbarn waren katholisch. In dem Theaterprojekt "Grenzen", das ich übersetzt habe, wurde solches Grenzgehabe von Menschen beklagt, aus Originalinterviews hat man Begebenheiten gesammelt, wie etwa von Kindern, die mit ihren Schulfreunden nicht im gleichen Chor singen dürfen, weil es der Kirchenchor der "Konkurrenz" sei. Wer mein Elsassbuch gelesen hat, wird den katholischen und evangelischen Munsterkäse perfekt auseinanderhalten können - denn der wird sogar unterschiedlich hergestellt.
Und wie immer in Regionen, wo seltsam altväterlich auf Macht- oder Denksystemen beharrt wird, löst sich das im Alltag genauso schnell auf, wie der Munsterkäse auf beiden Seiten stinkt. Ausgerechnet im Elsass stehen nämlich die Simultankirchen, Gebäude, in denen beide Konfessionen ihre Gottesdienste feierten, mal zeitlich, mal räumlich getrennt. Da siegten dann doch die Sparsamkeit und der Pragmatismus, die Kirche war für alle da. Wenn sich dann im Gemeinderat Katholische und Evangelische zu lang streiten, wer die Kapelle restaurieren soll, gehen eben beide leer aus - der muslimische Bauunternehmer bringt allen eine fein hergerichtete Kapelle. Abnehmen bei der Frühjahrskur - da gibt's eben Matzen statt Baguette, da zählen Kalorien statt Religionen und die Matzenfabrik steht schließlich im Städtchen.
Wer tiefer in die Geschichte und ins Land schaut, wird bemerken, dass die Konfessionslandschaft sehr viel reicher ist, als man das vermutet. Denn ständig zogen ins Elsass religiös Verfolgte und Menschen von weither. Als der Dreißigjährige Krieg manche Landstriche fast entvölkert hatte, waren es vor allem Schweizer und Bayern, die in den Hochvogesen bis heute ihre Trachten hinterlassen haben. Mennoniten und Wiedertäufer siedelten sich in den Wäldern der Nordvogesen an. Was ich bis heute nicht wusste: auch die Amish waren da. Und sie haben uns eine Tradition geschenkt, die bei elsässischen Frauen aller Alterstufen heiß begehrt ist: Patchworks.
Patchwork Europe findet daher 2010 im einstigen Zentrum der Amish statt: St.-Marine-aux-Mines.
Und damit habe ich elegant den Schlenker, meinen Minentext fertig zu schreiben. Noch eine halbe Seite bis zum Feierabend...
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