Welttag des Buches
Da ist er also, der Welttag des Buches. Warum gibt es eigentlich keinen Welttag der Autoren? Sie könnten immerhin das Buch überleben? Der Welttag des Buches fing sonnig an wie die anderen Tage zuvor auch - jetzt zieht ein Tief auf. Wie denke ich an diesem Tag über Bücher?
Vergangene Woche stellte ich fest, dass ich mir in Frankreich kaum noch Bücher kaufen kann. Sachbücher erscheinen im seltenen Hardcover und kosten um die 80 Euro aufwärts. Das ist unerschwinglich für Menschen, die vom Bücherschreiben leben. Was für Bücher werden Autoren schreiben, wenn sie nicht mehr nach Inhalt, sondern Preis wählen - und für die wirklich interessanten Bände die Schwelle in die Mediatheken überwinden müssen? Sammeln, Besitzen - diese Eigenschaften des Buches lösen sich auf, das Buch wird zum volatilen Wesen, ständig im Umlauf, immer woanders ... verwandt mit den Tauschbüchern, mit Büchern, die man irgendwo liegen lässt.
Also kaufe ich meine Bücher im sehr viel billigeren Deutschland, wo man Texte regelrecht zu Ramschware macht (Stichwort Buchpreisbindung). Im Land der Dichter und Denker gibt es Hardcover für zwei, drei Euro im Discounter zwischen Damenbinden und Dessertwein. Aber man überzieht das Land auch in dichten Ketten mit Buchpalästen. Manchmal setze ich mich in so einen, vor allem im Winter. Es ist kuschlig warm, der Springbrunnen klingt wie eine zu reparierende Wasserleitung, und der Kaffee aus dem Automaten schmeckt abscheulich. Aber man kann dasitzen und lesen. Das kann man im Café nebenan zwar sehr viel leckerer, aber hier gibt's die reichere Auswahl an Lesestoff. Kaffeebefleckte Bestseller von der Stange, pardon, vom Stapel. Und wenn man die ehemaligen Schuhverkäuferinnen nicht anspricht, stören sie einen auch nicht mit unzureichenden Auskünften. Ich finde nie etwas in diesen Tempeln. Deshalb gehe ich anschließend zu meinem Buchhändler, der wirklich hat, was ich lese.
Was ich lesen mag, finde ich immer weniger auf den ersten Blick. Nicht, dass es nicht wunderbare Bücher gibt, die mich stimulieren könnten. Aber irgendeine Geheimorganisation scheint daran zu arbeiten, dass sie sich unsichtbar machen oder in irgendwelche Parallelwelten abdriften. Mit der Mundpropaganda ist das so eine Sache. Ich kenne nur drei Leute, deren Geschmack dem meinen ähnelt. Früher habe ich Feuilleton gelesen, um auserlesene Bücher zu entdecken. Im Zeitalter des Internet kann ich das sogar in Form einer Presseschau tun oder nach Autoren suchen. Aber anders als früher lesen sie im Feuilleton heute alle nur noch ein Buch. Oder zwei oder drei. Und dann arbeiten sich die Kritiker gegenseitig ab, ob ihre Zeitung die wahre Entdeckerin eines künftigen Genies sein wird oder völlig daneben lag. All die ungelesenen Perlen neben den gemachten Hypes - das weiß ich aus meinen eigenen Zeiten beim Feuilleton - schenkt man stillschweigend Tante Erna zu Weihnachten. Unsere Redaktion war sehr überzeugt von dem Schriftsteller, sie haben mir das Buch zuerst kaum anvertrauen wollen. Tante Erna muss man fragen.
Ich finde auch immer weniger gute Bücher, weil plötzlich alle gleich aussehen, gleich heißen und die Klappentexte klingen, als seien sie vom Hypertext-Simulator geschrieben. Und weil dieses Konzept scheinbar irgendwie funktioniert, kippt man noch ein wenig Müll dazu, wird schon nicht auffallen, Kleinvieh macht auch Mist. Nachdem ich aus Versehen immer häufiger Mist gekauft hatte, gab ich die Perlensuche auf. Zuerst las ich keine Bücher mehr mit abgehackten Frauenköpfen oder Faltenwurf in Sammet und Seide. Seit kurzem lese ich auch keine Krimis mehr, weil die jetzt plötzlich alle Thriller heißen und noch müder dahinplätschern als ein Who-is-Who aus der Schlaftablettenfabrik.
Letzte Woche hatte ich die subversive Idee, einfach kein Genre mehr zu lesen, weil Verlage Genres missbrauchen können. An "Roman" trauen sie sich nicht ran, bildete ich mir ein. Aber dann finde ich gleich drei "Nur-Romane", auf denen in schrillem Weiß Tulpen oder ähnliche Gewächse glühen. Merke: Die Blüte ist der abgehackte Frauenkopf der literarischen Welt. Ein ehemaliger Literaturverlag feiert Weihnachten mit Karl May und allerhand Katzengetier und streut Tucholsky neben Engeln unters Volk. Ein bekannter Philosoph wird nach Manier von dümmlichen Psychoratgebern vertitelt. Und Suhrkamp macht in Fantasy. Nicht mal Longlist-Schmökern macht mehr schlau: Hammwer nich, wollte keiner lesen, aber kaufense doch den Gewinner. Ich lese Gewinner, wenn sie mich interessieren. Also her mit der Lewitscharoff. Hammwer nich, is vergriffen, lesen grad alle. Mitleid mit den Zuspätgekommenen dieser Erde ernte ich in einem Blick. Immerhin kann ich warten. Bis mir all die Frühgekommenen so viel über das Buch erzählt haben, dass ich es nicht mehr lesen mag, sondern mir einbilde, es längst zu kennen. Muss man heute denn noch selbst lesen?
Aber ich gehöre ja eh nicht mehr dazu. Du bist ja jetzt keine Buchautorin mehr, gell? Werde ich häufiger gefragt, weil das, was ich derzeit schreibe, auf CD gepresst werden wird. Ja, schon, es ist ein Unterschied, für welches Medium man textet. Ein Text fürs Hören muss linear erfassbar sein, soll innere Bilder malen und klingen. Den Unterschied bemerkt man, wenn man Bücher vorgelesen bekommt, die dafür nicht geschaffen sind. Aber bin ich keine Buchautorin mehr, nur weil der Pappedeckel fehlt? Die Bewerbungen bei zwei Stipendien konnte ich gleich in den Kamin schreiben. Meine CDs und die DVD, bei der ich vor Jahren mitgearbeitet habe, hätten perfekt gepasst. Waren aber nicht aus Pappe und Papier. Falsches Material.
Derweil schmeißen Großverlage auch schon Hörbücher zwischen Damenbinden und Dessertwein. Alles redet über e-books und nirgends will es funktionieren. Oder man redet viel und weiß wenig. Oder man geht noch eine Stufe unter die Damenbinden und verschenkt gleich alles im Internet. Kostenlos, hat ja keinen Körper, kann man nicht anfassen, ist ja kein Text. Ist eigentlich auch kein richtiger Autor, denn richtige Autoren schaffen es zwischen Pappe. Das Buch, der Garant des Abendlandes. Ohne Buch keine Kultur. Was freuen wir Autoren uns dann, wenn wir es zur halben geköpften Dame geschafft haben oder mit einer glühenden Nelke geadelt werden! Das mache mal einer ohne Pappedeckel nach.
Ich jammere? Nein. Ich freue mich. Auf das Buchpaket mit den Perlen, das ich bei meinem Buchhändler abholen werde, obwohl es wirklich nicht leicht war, diese Perlen zu finden. Eine sprang mir sogar aus dem Feuilleton entgegen.
Ich freue mich aber auch darüber, dass so viele ums Buch streiten, jammern, sich Sorgen machen. Ich freue mich darüber, dass so viele das Buch über haben, dass manche Bücher Überdruss bereiten und Abscheu und Langeweile. Ich freue mich darüber, dass Onkel Ernst sein Kaffeebuch drucken kann und Schriftsteller spielt - und dass Literaten Spargel stechen gehen, um trotzdem schreiben zu können. Manchmal kann ich sogar darüber grinsen, dass in unserer Branche vieles nicht mehr funktioniert und sich so mancher Hai aus Versehen ins eigene Fleisch beißt.
Es ist wie auf einem riesigen Flohmarkt. Auch im Ramsch noch Preziosen. Und eigentlich kommen die Leute ja gar nicht, um nur zu handeln. Sie wollen Geschichten hören, die das Zeug zu erzählen hat, ihnen fallen eigene Geschichten dazu ein, der Kaffeelöffel und das löchrige Bettuch erzählen vom Leben, von unbekannten Welten. Und deshalb bin ich zuversichtlich. Der Hunger nach Erzählen, nach Geschichten ist immens. Schaffen wir ruhig die Bücher ab, schaffen wir Buchautoren ab - die Erzähler und die Geschichten werden überleben.
Vergangene Woche stellte ich fest, dass ich mir in Frankreich kaum noch Bücher kaufen kann. Sachbücher erscheinen im seltenen Hardcover und kosten um die 80 Euro aufwärts. Das ist unerschwinglich für Menschen, die vom Bücherschreiben leben. Was für Bücher werden Autoren schreiben, wenn sie nicht mehr nach Inhalt, sondern Preis wählen - und für die wirklich interessanten Bände die Schwelle in die Mediatheken überwinden müssen? Sammeln, Besitzen - diese Eigenschaften des Buches lösen sich auf, das Buch wird zum volatilen Wesen, ständig im Umlauf, immer woanders ... verwandt mit den Tauschbüchern, mit Büchern, die man irgendwo liegen lässt.
Also kaufe ich meine Bücher im sehr viel billigeren Deutschland, wo man Texte regelrecht zu Ramschware macht (Stichwort Buchpreisbindung). Im Land der Dichter und Denker gibt es Hardcover für zwei, drei Euro im Discounter zwischen Damenbinden und Dessertwein. Aber man überzieht das Land auch in dichten Ketten mit Buchpalästen. Manchmal setze ich mich in so einen, vor allem im Winter. Es ist kuschlig warm, der Springbrunnen klingt wie eine zu reparierende Wasserleitung, und der Kaffee aus dem Automaten schmeckt abscheulich. Aber man kann dasitzen und lesen. Das kann man im Café nebenan zwar sehr viel leckerer, aber hier gibt's die reichere Auswahl an Lesestoff. Kaffeebefleckte Bestseller von der Stange, pardon, vom Stapel. Und wenn man die ehemaligen Schuhverkäuferinnen nicht anspricht, stören sie einen auch nicht mit unzureichenden Auskünften. Ich finde nie etwas in diesen Tempeln. Deshalb gehe ich anschließend zu meinem Buchhändler, der wirklich hat, was ich lese.
Was ich lesen mag, finde ich immer weniger auf den ersten Blick. Nicht, dass es nicht wunderbare Bücher gibt, die mich stimulieren könnten. Aber irgendeine Geheimorganisation scheint daran zu arbeiten, dass sie sich unsichtbar machen oder in irgendwelche Parallelwelten abdriften. Mit der Mundpropaganda ist das so eine Sache. Ich kenne nur drei Leute, deren Geschmack dem meinen ähnelt. Früher habe ich Feuilleton gelesen, um auserlesene Bücher zu entdecken. Im Zeitalter des Internet kann ich das sogar in Form einer Presseschau tun oder nach Autoren suchen. Aber anders als früher lesen sie im Feuilleton heute alle nur noch ein Buch. Oder zwei oder drei. Und dann arbeiten sich die Kritiker gegenseitig ab, ob ihre Zeitung die wahre Entdeckerin eines künftigen Genies sein wird oder völlig daneben lag. All die ungelesenen Perlen neben den gemachten Hypes - das weiß ich aus meinen eigenen Zeiten beim Feuilleton - schenkt man stillschweigend Tante Erna zu Weihnachten. Unsere Redaktion war sehr überzeugt von dem Schriftsteller, sie haben mir das Buch zuerst kaum anvertrauen wollen. Tante Erna muss man fragen.
Ich finde auch immer weniger gute Bücher, weil plötzlich alle gleich aussehen, gleich heißen und die Klappentexte klingen, als seien sie vom Hypertext-Simulator geschrieben. Und weil dieses Konzept scheinbar irgendwie funktioniert, kippt man noch ein wenig Müll dazu, wird schon nicht auffallen, Kleinvieh macht auch Mist. Nachdem ich aus Versehen immer häufiger Mist gekauft hatte, gab ich die Perlensuche auf. Zuerst las ich keine Bücher mehr mit abgehackten Frauenköpfen oder Faltenwurf in Sammet und Seide. Seit kurzem lese ich auch keine Krimis mehr, weil die jetzt plötzlich alle Thriller heißen und noch müder dahinplätschern als ein Who-is-Who aus der Schlaftablettenfabrik.
Letzte Woche hatte ich die subversive Idee, einfach kein Genre mehr zu lesen, weil Verlage Genres missbrauchen können. An "Roman" trauen sie sich nicht ran, bildete ich mir ein. Aber dann finde ich gleich drei "Nur-Romane", auf denen in schrillem Weiß Tulpen oder ähnliche Gewächse glühen. Merke: Die Blüte ist der abgehackte Frauenkopf der literarischen Welt. Ein ehemaliger Literaturverlag feiert Weihnachten mit Karl May und allerhand Katzengetier und streut Tucholsky neben Engeln unters Volk. Ein bekannter Philosoph wird nach Manier von dümmlichen Psychoratgebern vertitelt. Und Suhrkamp macht in Fantasy. Nicht mal Longlist-Schmökern macht mehr schlau: Hammwer nich, wollte keiner lesen, aber kaufense doch den Gewinner. Ich lese Gewinner, wenn sie mich interessieren. Also her mit der Lewitscharoff. Hammwer nich, is vergriffen, lesen grad alle. Mitleid mit den Zuspätgekommenen dieser Erde ernte ich in einem Blick. Immerhin kann ich warten. Bis mir all die Frühgekommenen so viel über das Buch erzählt haben, dass ich es nicht mehr lesen mag, sondern mir einbilde, es längst zu kennen. Muss man heute denn noch selbst lesen?
Aber ich gehöre ja eh nicht mehr dazu. Du bist ja jetzt keine Buchautorin mehr, gell? Werde ich häufiger gefragt, weil das, was ich derzeit schreibe, auf CD gepresst werden wird. Ja, schon, es ist ein Unterschied, für welches Medium man textet. Ein Text fürs Hören muss linear erfassbar sein, soll innere Bilder malen und klingen. Den Unterschied bemerkt man, wenn man Bücher vorgelesen bekommt, die dafür nicht geschaffen sind. Aber bin ich keine Buchautorin mehr, nur weil der Pappedeckel fehlt? Die Bewerbungen bei zwei Stipendien konnte ich gleich in den Kamin schreiben. Meine CDs und die DVD, bei der ich vor Jahren mitgearbeitet habe, hätten perfekt gepasst. Waren aber nicht aus Pappe und Papier. Falsches Material.
Derweil schmeißen Großverlage auch schon Hörbücher zwischen Damenbinden und Dessertwein. Alles redet über e-books und nirgends will es funktionieren. Oder man redet viel und weiß wenig. Oder man geht noch eine Stufe unter die Damenbinden und verschenkt gleich alles im Internet. Kostenlos, hat ja keinen Körper, kann man nicht anfassen, ist ja kein Text. Ist eigentlich auch kein richtiger Autor, denn richtige Autoren schaffen es zwischen Pappe. Das Buch, der Garant des Abendlandes. Ohne Buch keine Kultur. Was freuen wir Autoren uns dann, wenn wir es zur halben geköpften Dame geschafft haben oder mit einer glühenden Nelke geadelt werden! Das mache mal einer ohne Pappedeckel nach.
Ich jammere? Nein. Ich freue mich. Auf das Buchpaket mit den Perlen, das ich bei meinem Buchhändler abholen werde, obwohl es wirklich nicht leicht war, diese Perlen zu finden. Eine sprang mir sogar aus dem Feuilleton entgegen.
Ich freue mich aber auch darüber, dass so viele ums Buch streiten, jammern, sich Sorgen machen. Ich freue mich darüber, dass so viele das Buch über haben, dass manche Bücher Überdruss bereiten und Abscheu und Langeweile. Ich freue mich darüber, dass Onkel Ernst sein Kaffeebuch drucken kann und Schriftsteller spielt - und dass Literaten Spargel stechen gehen, um trotzdem schreiben zu können. Manchmal kann ich sogar darüber grinsen, dass in unserer Branche vieles nicht mehr funktioniert und sich so mancher Hai aus Versehen ins eigene Fleisch beißt.
Es ist wie auf einem riesigen Flohmarkt. Auch im Ramsch noch Preziosen. Und eigentlich kommen die Leute ja gar nicht, um nur zu handeln. Sie wollen Geschichten hören, die das Zeug zu erzählen hat, ihnen fallen eigene Geschichten dazu ein, der Kaffeelöffel und das löchrige Bettuch erzählen vom Leben, von unbekannten Welten. Und deshalb bin ich zuversichtlich. Der Hunger nach Erzählen, nach Geschichten ist immens. Schaffen wir ruhig die Bücher ab, schaffen wir Buchautoren ab - die Erzähler und die Geschichten werden überleben.
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