Rosentrunken

Es war einmal ein kleines Mädchen, das mit der Schulfreundin zu deren Oma in eine andere Stadt fuhr. Und da gingen sie mit deren Jägerpapa in einen Park, der dem kleinen Mädchen das Staunen lehrte. Zwei riesengroße Hirsche knieten sich nämlich am Eingang nieder - am Eingang in ein duftendes Rosenparadies. Mit der Zeit wurden die Hirsche immer kleiner - das Mädchen wuchs. Die Begeisterung über einen meiner Lieblingsplätze blieb.

Die berühmte Gönneranlage in Baden-Baden ist einer der letzten Jugendstilgärten Europas. Gebaut in der Zeit, in der zufällig mein neues Buchprojekt beginnt: 1909 bis 1912. Heute blühen dort etwa 11.000 Rosen in allen Formen und Farben. Baden Baden ist der Sitz der deutschen Sektion der World Federation of Rose Societies. Auf dem Berg gesellt sich der Rosenneuheitengarten Beutig hinzu - hier werden jedes Jahr die international begehrten Rosenauszeichnungen an die Züchter vergeben.

Wenn es draußen zu grau schien, wenn mir beim Schreiben am Rosenbuch die Decke auf den Kopf fallen wollte, fuhr ich nach Baden-Baden und setzte mich mit Notizblock und Stift entweder in eine der schattigen Buchengrotten der Gönneranlage, wo die Wasserwand des Josephinenbrunnens für ein rosenduftendes Lüftchen sorgt - oder unter die Rosenbögen des Beutig mit ihrem fast toskanahaften Ausblick auf Gründerzeitvillen und den Schwarzwald. Schreibblockaden haben hier keine Chance!

Die Gönneranlage ist für mich ohnehin wie eine Zeitmaschine. Schon auf dem Weg dorthin verliert man ein wenig den Bezug zur Wirklichkeit. Im Parkhaus hat man ihn noch, am Eingang zum Oosufer, der legendären Lichtentaler Allee, atmet man schon in einem anderen Rhythmus. Uralte wahre Monumente von seltenen Bäumen zieren diesen riesigen englischen Landschaftspark mitten in der Stadt. Sie haben schon Dostojewski und Turgenjew und Tschechow beim Flanieren erlebt. Hier nahm die russische Zarin Elisabeth, Badnerin von Geburt, ihren Tee. Rahel Varnhagen ist dort gelaufen und Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf der Lichtentaler Allee strömten die Menschen zu den Festkonzerten von Hector Berlioz und den Tanzdarbietungen der Isadora Duncan.

Die Liste der Berühmtheiten ist groß. Baden-Baden galt seit der Belle Epoque als Sommerresidenz Europas. Auf dem Weg zur Gönneranlage kann man diese Zeit fast atmen, die Fassaden der altehrwürdigen Grand Hotels von damals haben sich nur unwesentlich verändert. Hier hat Carl Maria von Weber vergeblich versucht, ein Konzert zu geben- das Instrument fiel just am Aufführungsabend aus. Dafür haben Vaslav Nijinsky und Sergej Diaghilew inkognito an einem alten Hotelklavier bahnbrechende Ideen für die Ballets Russes besprochen. Man braucht eigentlich nur einen Hut und ein langes Kleid, nimmt einen russischen Tee aus dem Silberkännchen - und schon weiß man nicht mehr, wo man ist, in welcher Zeit man sich befindet. Am Ende des Weges wartet die Krönung des Ganzen. Flanieren im Jugendstilgarten. Alle Rosenfarben dieser Welt vor den dunklen Wänden der Rotbuchenhecken. Das Knirschen von sauber geharktem Kies und das Rauschen von Wasser.

Ich will es nicht so spannend machen. Heute morgen bekam ich einen Anruf aus Baden-Baden. Ich werde in diesem meinem Kindheitstraum lesen - und zwar ganz merkfähig - am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli (da werde ich auf der nächtlichen Heimfahrt dann mit zig Feuerwerken belohnt werden, welch ein Rausch!). Verrückt, wie das Leben so spielt. Als kleines Kind habe ich mit den Hirschen auf den Eingangspylonen ehrfürchtig geflüstert. Im Sommer lese ich ihnen aus meinem Rosenbuch vor... (Näheres wird natürlich im Sommer noch hier bekannt gegeben).
Und sollte das Wetter wider Erwarten nicht mitspielen, wird die Lesung verlegt ins sogenannte "Gartenhäuschen" in der Nähe der Trinkhalle. Das ist nicht minder illuster, denn das "Häuschen" ist eine kleine Jugenstilvilla, einstiger Wohnsitz des Schriftstellers Otto Flake.

3 Kommentare:

  1. Liebe Petra,
    das klingt nach einer ganz wunderbaren Veranstaltung, die ich mir mal dick im Kalender vormerke.
    Nach Baden-Baden wollte ich schon immer einmal reisen, jetzt hätte ich einen schönen Anlass.
    Liebe Grüße
    Jutta

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  2. Die Vorstellung, dich zwischen diesen herrlichen Rosen sitzen und lesen zu sehen, ist wunderschön!
    Ich kenne Baden-Baden ja, auch die Gegend, von der du schreibst, aber diesen Rosengarten haben wir s o noch nicht gesehen. Immer lag ein Zauber über dieser Stadt!


    Herzlichst
    Christa

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  3. Ja, immer her mit den Fans! Kommet zuhauf. :-) Und mich dann gern nach der Lesung anquatschen, Jutta, damit ich weiß, wen ich vor mir habe!
    Ich werde dann wohl noch rechtzeitig zum Tourismusbüro verlinken müssen?

    "aber diesen Rosengarten haben wir s o noch nicht gesehen"

    Du weißt doch, Christa, Autoren verzaubern die Dinge mit Worten... Zauber ist ein gutes Wort. Das ist nun meine dritte Lesung in Baden-Baden, meine gesamte Laufbahn betrachtet - und keine Lesung verlief bisher "üblich".

    Für den "Lavendelblues" brauchte ich bei einer Außentemperatur von bald 40 Grad einen Fächer zum Atmen und habe dann mein Publikum in einem mindestens gleich heißen Raum unterm Dach nach einer knappen Stunde erlöst. Die Stimmung war so toll, dass wir dann fast geschlossen zur gleichzeitigen Eröffnung der Sommernächte in den Kurpark sind und in südlicher Atmosphäre bis in die Nacht gemeinsam Bier tranken und tratschten. Ich glaube, da gab es auch ein Feuerwerk.

    Diesmal ist das Wetter ja eigentlich egal, wenn auch regenlos natürlich schöner wäre. Und im Garten darf es dann auch knallheiß werden auf die Nacht!

    Ich werde dann rechtzeitig vor der Lesung auch noch ein paar hilfreiche Tipps für Auswärtige bringen. Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich kapierte, dass man die Stadt nach bunten Tortenstücken abfährt und kapiere bis heute nicht, warum und wann manchmal nachts der Stadttunnel gesperrt ist, ohne dass man vorher irgendwo gewarnt wird. Ich vermute, da geht es dann zum Bahnsteig Dingseindrittel (welche Zahl war das bei Potter noch mal?)

    Herzlichst,
    Petra

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