Gefährliche Computerspiele
Ein Kumpel hatte es angebracht. Ich hatte noch nie in meinem Leben ein Computerspiel gesehen. Ich arbeitete auch noch nicht allzu lang an einem Computer. Und so wurde ich süchtig nach Leisure Suit Larry. Einfach unvorstellbar, dass man auf einer Mattscheibe ein eckiges Männchen mit dem Cursor durch die Gegend schlappen lassen konnte und sich plötzlich Wesen, Wände oder Wahnsinn vor ihm auftaten. Es war neu, es war bahnbrechend, es regte meine Utopien von einer Computerzukunft an.
Wochenlang bin ich kaum ins Bett gekommen, daddelte ganze Nächte durch und hatte dabei einen kindischen Spaß. Ich arbeitete mit tiefen Schatten unter den Augen, aber meine Kollegen hatten die gleichen. "Ach, du auch!", hieß das geheimnisvolle Codewort von der Chefetage bis zum Laufburschen. "Das kann doch nicht gesund sein!", warnten die ersten. Frauenverbände warnten vor den üblen sexistischen Inhalten, Kirchenleute beweinten den galoppierenden Moralzerfall, Mütter und Ehefrauen schrieen über den "Softporno" und Politiker suchten nach Schießeisen in den virtuellen Räumen.
Da saß sie nun am Bildschirm, feministisch engagiert, noch nie straffällig geworden, weiblich. Und was machte das Weib? Hatte riesigen Spaß, als Larry Laffer in the Land of the Lounge Lizards eine Frau nach der anderen umzulegen (ins Bett natürlich), virtuell herumzupoppen, rassistisch irgend so einem Dicken eins auf die Fresse zu geben ... ach ja, meine Lieblingsstelle war die, sich erfolgreich als Larry jene Geschlechtskrankheit zu holen, bei der so herrlich die Pünktchen an einem gewissen Körperteil sprühten. Nix mit Safer Sex. Wenn schon, dann richtig. Und je mehr Leute es heimlich spielten, je lauter die krähten, die es verbieten wollten, desto mehr machte die Sache Spaß.
Einige spielten auch noch mit den Fortsetzungen. Bei mir war plötzlich von einem Tag auf den anderen Schluss. Ich brauchte mal wieder Schlaf. Fand Larry langsam langweilig. Und las ein gutes Buch. Keiner aus meinem Bekanntenkreis damals - und die spielten alle - hat sein Sexleben durch Larry grundlegend geändert. Keiner legte sich je mit einem komischen Barkeeper an. Strunzbürgerlich schlappten sie fortan durchs Leben. Heute will es keiner mehr gewesen sein.
Denn heute, beim Nachrecherchieren der guten alten Zeiten, entdecke ich plötzlich, dass dieses verdammte Computerspiel schuld an der Wirtschaftskrise ist! Ich bin dafür, dass man all seine Spieler nachträglich verhaftet und wegen Weltverschwörung verurteilt. Unseren Banken ginge es heute prächtig, wenn Leisure Larry nie erfunden worden wäre! Warum?
Erinnert sich noch wer an 1989, das Schicksalsjahr? Nein, nicht der Mauerfall, obwohl, wer weiß. Raubkopien von LSL gelangten sicher auch in die DDR.
1989 machten Banken und Devisenfirmen Millionenverluste. Ganz plötzlich. Absturz. Und warum? Weil die Kerls zockten, was das Zeug hielt! Die spielten wie die Bekloppten während der Arbeitszeit LSL. Man stelle sich das mal vor. Da sitzen Jungs in Anzug und Krawatte, daddeln sich dumm, kriegen nix mehr mit. Nicht mal mehr, dass Larry Laffer ja der geborene Verlierer ist. Und dass man bei dem Spiel nur gewinnt, wenn man den Karren so richtig an die Wand fährt. Virtualität sickerte in die Realität. Ein niedlicher Virus, einer der ersten übrigens, tat dann sein Übriges. Wie in der Szene, in der Larry seinen geschlechtskranken, punktegetüpfelten Kolben hochreckt. Fertig war's mit den geilen Profiten.
Und jetzt denken wir mal logisch. 2007 kommt Larry erstmals auf die Handys, das Lieblingsspielzeug der Börsianer. Noch 2008 zocken die Jungs in den Banken und Devisenfirmen wieder, was das Zeug hält. Geben mal wieder Larry Laffer, den ewigen Verlierer mit dem Dauerständer. Sie reiten erst die fesche Amerika, dann die hübsche Europa - ins Verderben. Und fast die ganze Welt. Zur Feier von Banken- und Wirtschaftskrise erscheint 2009 dann endlich Leisure Suit Larry - der Box Office Bust!
Also ich bin unbedingt dafür, dass Videospiele verboten werden. Alle. Denn die Gefahren lauern im Detail. Und dann verbieten wir auch noch bitte alle Bücher. Den bösen Werther z.B., der zu Massenselbstmorden führte. Den Fänger im Roggen, zu dem meine Generation das Kiffen anfing. Und wenn uns sonst kein Titel mehr einfällt, fragen wir einfach mal den ollen Index, der bis 1966 Bücher verbot.
Pardon, was ist eigentlich aus all den braven Familienvätern und Muttis geworden, die kaltblütig Millionen von Moorhühnern abknallten und fast zu deren Aussterben führten?
Herrlich!
AntwortenLöschenAls alter Mit-Lafferianer (Meine Lieblingsszene war stets der endlose Kondomkauf im Quicky-Mart!!! :) (Nur um dann zu vergessen ihn überzuziehen und auch die funkensprühenden Genitalien zu bekommen...) ) und Panikskeptiker hast du mir gerade wunde Oberschenkel bereitet.
Danke dafür! :)
Du hättest vorher vielleicht einen Kondom über den Oberschenkel ziehen müssen? ;-)
AntwortenLöschenDanke fürs Kompliment - sowas zu schreiben macht schon gefährlich Spaß!