Mäusewölfe und Maikäferlampen

Ich halte einen kleinen Schatz in Händen. Eines der Bücher aus jener Kiste hat sich als eine Art "goldenes Haushaltsbuch" aus dem Revolutionsjahr 1848 entpuppt - und bietet dank der damals aufgewühlten Zeiten besonders billige und praktische Überlebenshilfen. Es ist auf der einen Seite derart kurios und auf der anderen schon wieder zum Nachahmen zu empfehlen, dass ich große Lust hätte, es in modernisierter Form wieder aufzulegen.

Gut, der Umgang mit Gift und Chemie war damals sträflich unwissend, wenn ich mir etwa die Empfehlung anschaue, wie man sich mittels Vitriol von einer Schierlingsvergiftung heilen könne. Das ist dann doch eher etwas fürs Fach der Krimiautoren. Auch selbstgebasteltes Arsenpapier gegen Fliegen und diese seltsame Sache mit dem Vitriolöl, das Flaschen zum Explodieren bringt, werden Mütter heute ihren Töchtern als Mit-gift nicht mehr empfehlen. Immerhin, der Schutzanstrich für Bäume gegen Benagen klingt verlässlich: Feingemahlenes Schießpulver mit gut durchbratenem Speck und weißem Hundekot vermengen, fertig. Man muss vorher nur dem armen Fifi zu viele Knochen geben, damit er an der nützlichen Verdauungsstörung leidet. Weh dem, der eine Streuobstwiese sein eigen nennt, aber nur einen einzigen Hund.

Herrlich sind die Ratschläge zum Wiedererlangen von Fußschweiß (sein Ausbleiben lebensgefährlich!), zum Stärken der Augen für Vielschreiber oder zum Erlangen eines vorzüglichen Gedächtnisses. Sie entsprechen modernen Erkenntnissen, die genauso wenig überholt sind wie das selbstgemischte Bügelwasser gegen Motten, das billige wohlduftende Eau de Cologne oder das Rezept für selbstgemachte Brühwürfel. Und während man heute Marder aus dem Haus mit voll dröhnender Stereoanlage vertreibt, hat man das damals eben noch aus eigener Kraft gemacht: mit Trompetendauerbeschallung.

Manches ist dann aber doch zu hart. Etwa wenn die gute Hausfrau zur Mäusevertilgung "Mäusewölfe" züchtet. Frau sperre ein paar dutzend Mäuse in einen Drahtkäfig, die sich durch Hungern langsam gegenseitig auffressen (die Hausfrau habe sich etwas in Geduld zu üben). Die letzte Überlebende wird lebenslang geil auf Mäusefleisch als Mäusewolf durch Haus und Keller jagen. Zimperlich waren die Damen von 1848 anscheinend nur im Roman. Die gleichen Frauen stellten ein Pulver aus lebendig verbrannten Blutegeln gegen störende Gesichtshärchen her und wussten, wie man verdorbene Butter oder sauer gewordenes Bier aufhübschte, um beides als frisch zu verkaufen.

Sie schrieben Liebesbriefe mit einer aus Rosenblütenblättern hergestellten hochgiftigen Dufttinte; sie kannten Tricks, Blumenkohl so zu ernten, dass er dreimal an der Schnittstelle trug, und sie schmierten ihren Lieben Ohrenschmalz als lindernden Balsam auf Insektenstiche. Die Wässerchen für die roten Säufernasen ihrer Gatten wirken noch heute. Und wenn diese einen fremden Hund schneller an sich gewöhnten, indem sie beim Auslauf eine Semmel unter den schwitzenden Achseln trugen und diese dann zu Belohnungskügelchen zerrupften, so wundert das heute keinen Hundeflüsterer der Welt mehr.

Herrlich fand ich die Fälschung echter chinesischer Nankingfarbe diesmal ungiftig mit Hilfe von rostigen Nägeln. Oder die häusliche Leuchtgasgewinnung aus Maikäfern, deren Plage offensichtlich so schlimm war, dass man aus den Resten ein effektives Toilettenputzmittel herstellte. Rund 20.000 Käfer brauchte man allein für eine Lampenfüllung. Und damit das Ganze nicht zu abstrakt bleibt, gebe ich ein Mittel gegen Blattlausbefall bekannt, das ich in ähnlicher Weise seit Jahren mit Erfolg anwende - und das zum hoffentlich irgendwann erfolgenden Frühlingsbeginn genau richtig kommt:

Anti-Blattlaus-Mittel

Man durchfeuchte starken Schnupftabak gut mit Seifenspiritus und lasse die Mischung 24 Stunden ziehen. Dann gebe man zehn Teile Wasser dazu und sprühe die abgefilterte Brühe einmal täglich am Abend bis zum Verschwinden der Blattläuse (zum Vorbeugen reichen größere Intervalle).

Meine moderne Version wird ähnlich gemischt:
Ich brühe starken Tabak zum Selberdrehen mit siedendem Wasser auf wie Tee (als wollte ich Teekonzentrat im Samowar machen) und lasse das 24 Std. stehen. Seie ab und gebe Brennspiritus und etwas Spülmittel (ohne viel Zusatzstöffchen) oder geriebene Kernseife (gesünder für die Pflanzen) bei und Wasser. Die Lösung sollte nicht mehr als 5% Brennspiritus enthalten und nicht allzu viel Seifenlauge, die sonst die Blattporen verkleben. Die Seife sorgt aber dafür, dass das Mittel haften bleibt und hindert bereits vorhandene Blattläuse am Atmen. Der Tabaksud (Nikotin!) mit dem Spiritus tötet sie und vertreibt jeden Neuankömmling durch Geruch und Geschmack. Wer eine besonders effektive "Bombe" basteln will, lässt mit dem Tabak auch noch jede Menge halb aufgeschnittener Knoblauchzehen ziehen.
Aber Vorsicht: Nie auf schon geöffnete Knospen oder Blüten sprühen. Und bei sehr empfindlichen, weichhäutigen Pflanzen den Spiritus geringer dosieren.
Wohl bekomm's!

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