Frauen lieben's glattgebügelt?

Vor ein paar Jahren machten deutsche Fernsehkrimis im Ausland Furore. Man merkte, dass plötzlich in ein bisher sträflich vernachlässigtes Genre investiert wurde und die Sender Autoren wie Serien sorgfältig aufbauten. Dementsprechend verkauften sich die Lizenzen, Schimanski und Horst Tappert wurden weltweit zum Exportschlager. Irgendwann - es ist noch nicht lange her - gab es im französischen Fernsehen eine deutsche Krimi-Double-Night, nicht weniger beliebt als die britische. Man war gespannt, was deutsche Krimiautoren in Büchern liefern würden.

Und dann kam plötzlich alles ganz anders. Schimanski kam nicht nur in die Jahre, sondern verdöste seine Geschichten in zunehmend abgespeckten Handlungssträngen. Krimiserien glichen sich immer mehr an, wurden austauschbar; die ganz besonderen, unverwechselbaren Typen gingen in Rente. Überhaupt schien der Dreiakter mit möglichst nur einem Erzählhauptstrang bevorzugt eingekauft zu werden. Aus zuverlässiger Quelle kenne ich Zitate von Programmverantwortlichen, die behaupten, das deutsche Fernsehpublikum schaffe mehr nicht mehr...

Im Ausland nimmt man's krumm. Vorbei der Trend deutscher Krimis in Frankreich, bevor er richtig angefangen hat. Dort mag man es im Krimi nämlich gern vielschichtig, mit kunstvoll verschlungenen Handlungssträngen - und es dürfen auch mal gern mehrere Verbrechen gleichzeitig sein - denn ein Krimi bildet Welt ab, ist das gesellschaftskritischste und politischste Genre. Also produziert man lieber selbst und kauft wieder dort ein, wo es die sehr eigenen Welten noch gibt: im angelsächsischen Raum.

Ich als Krimifan werde langsam auch enttäuscht. "KDD" war seit langem mal wieder eine hervorstechende besondere Serie, die sich international nicht verstecken muss. Aber ansonsten passiert es mir immer öfter, dass ich neben dem Fernsehkrimi schmökern kann, ohne Grundlegendes zu verpassen. Selbst beim Tatort weiß man inzwischen instinktiv, in welcher Sendeminute man in Ruhe auf die Toilette gehen kann. Und dann gibt es immer häufiger Krimis, die mich auf die Palme bringen.

Da spielte einer kürzlich in Frankreich und ich wunderte mich, dass schon nach fünf Minuten der sogenannte Pilchereffekt eintraf: Sah aus wie Frankreich, verwendete französische Namen - und war doch so urdeutsch wie das Cornwall einer gewissen Serie. Ich weiß nicht, ob es an den Schauspielern lag, die für solche Serien quer ausgetauscht werden und ihre Rollen grundsätzlich kinderzimmerkompatibel spielen. Nein, es stimmte einfach nichts. Ein Vater bringt in der Großstadt seine Tochter jeden Tag fein fürsorglich zur Schule, in einem Land, in dem schon die Kleinsten vom Schulbus eingesammelt werden und selbst in der tiefsten abgelegenen Provinz Eltern Bringgemeinschaften bilden.

Dann wird die Kleine noch ermahnt, mädchenhaft zu bleiben und nicht zu viele Muskeln anzusetzen - in einem Land, in dem Frauen wie Männer völlig andere Gendergrenzen haben und gleichermaßen später ihren "Mann" stehen. Als dann auch noch die Police Criminel ohne Armbinden den Tatort stürmte und sich die Gerichtsmedizinerin ohne Schutzanzug mit ihren Designerklamotten und hochhackigen Schühchen aus den Plastiklatschen schälte, musste ich wegschalten. Lieber Ballauf und Schenk als dieses "So stellen sich Neckermänner Frankreich vor"-Klischee.

Der deutsche Krimi verkommt. Er gleicht sich an - an den üblichen Vorabendschmonzes, an Familienserien und Frauengeschichten. Er verflacht, wird mit immer heißerer Nadel immer oberflächlicher gestrickt, vorhersagbar, als würden Rosamunde Pilcher und der Tierarzt mit dem Landarzt und dem Landanwalt zum Familienfest blasen. Gewiss, es gibt noch Ausnahmen, zum Glück! Aber die Zeiten, als ich mir vor der Mattscheibe bei deutschen Krimis beinahe die Fingernägel vor Spannung abgebissen hätte, sind vorbei. Heute heißen selbst die abgekautesten Drehbücher plötzlich Thriller, damit man weiß, hier sollte man eigentlich Spannung empfinden.

Lies halt mal wieder einen guten Krimi, sagte meine Freundin, Bücher sind besser als das Fernsehen. Ich gäbe etwas darum, wenn sie recht hätte. Aber ich lege im Laden auch immer häufiger deutschsprachige Krimis nach dem ersten Anlesen weg. Ich weiß nicht, was ich falsch mache. Entweder falle ich auf den endlos und bis zum Erbrechen abgenudelten perversen, blutreichen Serienkiller, der so schön ist, weil man sich psychologisch scheinbar keine Mühe geben muss und in Effekten baden kann. Oder ich erwische Krimis, die wie gewisse Fernsehkrimis nur verkleidet sind. Es sind in Wirklichkeit Frauenromane oder Familienromane, man nehme einen Mord dazu oder zwei, drei; Frauen lesen ja bekanntlich häufiger als Männer. Frauen wollen das angeblich so. Ich will das nicht und kaufe wieder die ausländischen Autoren.

Ich fürchte mich mittlerweile in den ganz großen Buchhandelsketten beim Ansehen der Stapelware. Ich habe den Eindruck, der Krimi ist im Moment das Genre, das jetzt in verlagsgemachten "Trends" ersäuft und vermüllt wird, wie der historische Roman das bereits hinter sich hat. Welches Genre ist als nächstes dran zum Glattbügeln? Ich fürchte mich vor einer Lesekultur, die nur noch aus Frauenromanen besteht, Frauenromanen mit Geschichte, Frauenromanen mit Mord, Frauenromanen mit Raumschiff, Frauenromanen mit Magie etc. pp.

Ich fürchte mich vor allem vor diesen Frauenromanen, die nicht im wahren Dialog mit echten Frauen aus dem Leben konzipiert werden, aus einer glaubhaften und wahrhaftigen Geschichte heraus - sondern aus der Instantmühle in Verlagskonferenzen am Reißbrett ausgekocht zu werden scheinen. Rückständig im Frauenbild, extrem konservativ in den Rollenspielen (trotz der angeblich starken Frau), uns Frauen vorschreibend, was wir lesen wollen und lesen dürfen.

Ich möchte beim Lesen endlich wieder den Mann in mir befriedigen können. Ich möchte beim Lesen endlich wieder Arbeit haben und meinen Horizont weiten müssen. Ich möchte das "Andere", das unverkennbar Individuelle - Autoren, die wagen, die Risiken eingehen dürfen, die mich herausfordern. Die Romane über Menschen für Menschen schreiben (mein Beitrag zum Frauentag morgen).

Kürzlich dachte ich noch, ich stünde mit dieser Furcht allein. Aber Michael Roesler-Graichen hat Ähnliches im Börsenblatt ausgesprochen. Viel zu kurz leider - ich hätte gern mehr davon gelesen!

4 Kommentare:

  1. Ich teile Deine Meinung, Petra, dieser Krimi am Donnerstag war so schlecht, dass ich ganz entsetzt darüber bin, dass eine Krimiautorin das Drehbuch geschrieben hat. Ich habe ihn nicht bis zum Schluß ausgehalten. Scheinbar entscheiden Sender nicht nach Qualitätsmaßstäben. KDD blieb ja auch unter den Quotenerwartungen und ich weiß nicht, ob diese gute Serie weitergeführt wird. Ich suche noch nach den interessanten Büchern von deutschen Krimiautorinnen, aber warum sollten sie schlechter als aus anderen Ländern sein. Vielleicht müßten die Verlage wagemutiger werden. Aber solange der Regiokrimi läuft...

    Beste Grüße

    Henny Hidden

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  2. Im Moment sind wir bei "Frauenroman mit Vampiren" und zwar
    "Bis(s) zum Erbrechen" :)

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  3. Das ist aber mal eine Ehre in dieser Hütte - ich lese immer mit Vergnügen deine Krimikritiken, Henny!
    Und bin froh, dass ich nicht die Einzige bin, ich komme mir manchmal schon vor wie die überkrittelige Dauernörglerin.

    Meine Kritik richtet sich in erster Linie tatsächlich an die Verlage und den Buchhandel, die mit so scheinbarer Zielgenauigkeit wissen / bestimmen, was Frauen / Leser wünschen.
    Selbsterfüllende Prophezeiung - denn wenn man das anspruchsvolle Publikum erfolgreich vergrault hat, läuft das Ding ja von selbst...

    Ich bin mir sicher, es GIBT wunderbare Autorinnen und Autoren, es GIBT außergewöhnliche, reizvolle Stoffe. Aber wie du schreibst - um das zu fördern, müsste man abkommen vom reinen Quoten- und Umsatzdenken. Hin zu Relevanz und Qualität.
    Ich wünsche es dem Krimi und mir als (noch) notorischer Krimileserin auch.

    Beste Grüße,
    Petra

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  4. @Alexander
    Als eine, die sich immer fragt, was hinter Trends steckt: Hat das etwas mit der Bankenkrise zu tun? Da sind ja derzeit real viele Vampire unterwegs... ;-)

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