Rheingold oder: Schmeiß rhein!

Nach fast einem Vierteljahrhundert im Ausland und jahrelanger interkultureller Arbeit bilde ich mir immer ein, gegen die perversesten und kuriosesten Überraschungen des alltäglichen Grenzverkehrs gefeit zu sein. Aber heute haben mich ein paar verdorbene Gläser Joghurt drangekriegt!

Ich habe in Deutschland einem vergesslichen Urlauber die Blumen gegossen und ein paar vergessene, inzwischen abgelaufene Lebensmittel aus dem Kühlschrank geräumt. Keine große Sache, die ungeöffneten Joghurtbecher und ein Glas mit etwas waren einfach abgelaufen. Ich packte alles zusammen und wollte es entsorgen. Zufällig traf ich im Hausflur den Vermieter. Der kam mir wie gerufen, denn ich weiß zwar, dass man in Deutschland tausend verschiedene Tönnchen hat und eine davon ganz grässlich stinkt, aber ich weiß natürlich nach so vielen Jahren nicht mehr, was man in welche werfen darf. Ich fragte also lieber, bevor ich etwas falsch machte, denn Deutschland kennt ja auch so herrliche Wörter wie "Ordnungsgeld"...

Ja das ginge nun gar nicht, meinte der Vermieter. Ich könne nicht einfach das ganze Zeug in den Müll werfen.
Ich wolle es ja nicht einfach werfen, wenn er mir bitte die richtige Tonne nennen würde?
- "Sie können doch nicht einfach gemischtes Zeug in eine einzige Tonne werfen!"
- "Ja, was machen Sie denn, wenn ihr Joghurt mal abgelaufen ist?"
- "Das geht so gar nicht. Den müssen Sie auslöffeln und das Glas ausspülen und das gehört dann in den Glasmüll. Und der Plastikbecher ist Soundsomüll."
- "Ich kann den Joghurt nicht auslöffeln. Der ist schon verdorben. Ich will auch keinen Joghurt essen, sondern Joghurt wegwerfen. dafür muss es doch eine Tonne geben?"
- "Nein, das dürfen Sie nicht. Den müssen Sie erst aus der Verpackung holen."
- "Ich habe aber keinen Löffel dabei. Hätten Sie vielleicht einen Löffel für mich? Dann könnte ich schon mal hier im Treppenhaus..."
Da schaltete sich seine Frau ein, die bisher nur schweigend den Kopf über mich geschüttelt hatte. Praktisch, wie Frauen nun mal so sind, meinte Sie: "Schmeißen Sie die ganze Tüte mit dem Zeug in den Rhein!"

Ich hatte wohl nicht richtig gehört. Und vergewisserte mich: "Sie meinen, ich soll die ganze Tüte einfach in die Tonne reinschmeißen?"
- "Nicht in eine Tonne. Wir haben Mülltrennung! Das geht alles öko hier. Schmeißen Sie das ganze Gelump in den Rhein, das machen sie doch alle! Weg damit."
- "Ist das auch öko, im Rhein, Plastikmüll, Glasmüll, verdorbenes Zeug?", wollte ich vorwitzig wissen.
- "Sieht doch keiner, ist doch schwer genug, das geht unter. Werfen Sie's von der Brücke. Ihr habt in Frankreich doch auch nur eine einzige Sauereitonne für alles und schert euch nicht um Mülltrennung!"
Vorsichtig versuchte ich, der Frau zu erklären, dass wir sehr wohl eine Mülltrennung hätten, eine sehr strenge sogar, aber eben per Container. Das mit dem Rhein hielte ich für eine Sauerei. Hüben wie drüben.

Erbosten sich die beiden, dass ich sie der Sauerei bezichtigte. Ich solle mich nicht so haben. Rein in den Rhein, weg damit, ihr Haus sei sauber und da werde alles ökologisch getrennt!

Ich habe dann illegalen Mülltourismus über die Rheinbrücke betrieben (nichts geworfen, ich bin nur gefahren) und die Plastiktüte in der französischen Tonne entsorgt, in die wir Dinge werfen, mit denen wir unsere Gewässer nicht belasten möchten.
Das "Rheingold" hat für mich seit heute eine völlig neue Bedeutung.

2 Kommentare:

  1. Liebe Petra,

    das war wunderbar - ich habe mich köstlich amüsiert! :))
    Was für eine herrliche Grenzgängergeschichte! Eins weiß ich sicher: ich lasse ab heute den Joghurt im Kühlschrank bis er Beine kriegt und sich selbst entsorgt.

    Liebe Grüße
    Nikola

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  2. Sososo, liebe Nikola, so macht ihr das also da drüben. Der Joghurt rennt zum Rhein und schwimmt dann mit doppelter Kraulgeschwindigkeit bis Holland. Aus dem Auge aus dem Sinn... ;-)
    Schöne Grüße,
    Petra

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