Mein Traumverlag

Seit 1998 erscheinen meine Bücher in "ordentlichen" Verlagen, insgesamt sind es mit Auslandslizenzen 14 Titel. Viele davon sind inzwischen vergriffen, nicht wegen ihrer Inhalte, sondern weil die Verlage in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existieren oder Nachfolger ganze Programmteile gestrichen haben. Titel Nr. 15 erscheint demnächst in Eigenregie als gedrucktes Buch, auch meine Backlist werde ich nach und nach selbst neu auflegen - die Romane exklusiv als E-Book. Ich habe schon angedeutet, dass mich diese Erfahrung völlig verändert hat. Ich bin "im Brotberuf" gerade bei der Gründung eines binationalen Verlegerinnenkollektivs dabei, das eigentlich ein Autorinnenkollektiv ist. Wie und wo aber werde ich meine ganz persönliche Nr. 16 an die Leserinnen und Leser bringen?

SpOn titelte gerade etwas reißerisch "Wer braucht noch einen Verlag?" - und doch ist die Frage berechtigt und der Artikel über die Selbstverlegersituation bei den E-Books in Deutschland mehr als überfällig. Neben den Chancen sind nämlich nun auch Spam, Missbrauch und Müll aus Pseudobüchern Tür und Tor haushoch geöffnet. Kritisch setzt sich auch Holger Ehling in seinem Blog mit der Frage auseinander: "Selbstverlegen: Alternative zum Verlag oder Spamschleuder?" Seine entmutigenden Beispiele aus der Verlagswelt kommen nun einmal nicht von einem frischgebackenen Adepten der Selbstverlegerszene. Holger Ehling war stellvertretender Direktor der Frankfurter Buchmesse und führt eine Agentur, die eng mit Verlagen zusammenarbeitet. Er weiß also, wovon er spricht. Aber wissen wir Autorinnen und Autoren, wie wir künftig unsere Bücher ans Publikum bringen wollen?

Ich zumindest weiß es nach einem Vierteljahrhundert in der Verlagswelt genau. In meinem Kopf habe ich neuerdings das Bild vom Wunschverlag. Finde ich ihn nicht, würde ich wieder selbst verlegen - und versuchen, mit den heutigen Techniken und mit meinen Finanzen dem eigenen Ideal möglichst nahe zu kommen. So beschränkt beides sein mag - ich liefere mich nicht mehr kopflos aus. Eigene Bücher, zumindest als E-Book, würden auch den eigenen Ruin überleben. Ob Selbstverlegen wirklich die Wahl ist, sei dahingestellt. Auf alle Fälle stärkt es die Position der AutorInnen. Wer eine Alternative hat, kann leichter Nein sagen!

Mein Traumverlag
  • beschäftigt bei der Beurteilung von Exposés und Probetexten, die von Agenturen kommen, fachkundiges und erfahrenes Personal mit guter Allgemeinbildung.
  • kann einem Sachbuch-Exposé das Themenpotential und Zielpublikum ansehen und entwickelt mit mir zusammen ein Buch, anstatt selbst von Agenturen fünf Exposé-Versionen zu verlangen, um dann zu sagen, das Thema könne man nur mit einem Mann besetzen.
  • braucht nicht ein halbes Jahr für eine Absage bei einer Agentur.
  • weiß, wo und wie das Zielpublikum meiner Bücher abzuholen ist und spricht mit mir darüber.
  • bietet Verträge, in denen nicht nur die Autorin gefordert wird, sondern auch der Verlag Leistungen festschreiben muss.
  • schafft fleißig Lizenzen herbei, wenn er auf dem Erwerb von Nebenrechten besteht.
  • besteht nicht auf Nebenrechten, wenn er gar keine Kontakte dafür hat.
  • interessiert sich wirklich für Bücher, ist vielleicht sogar begeistert von ihren Inhalten.
  • ist bereit, Bücher und Autoren zu entwickeln und redet mit mir über meine Karriereplanung im Hause.
  • produziert technisch einwandfreie Ware, wenn nicht sogar schöne Bücher.
  • behauptet nicht nur Gatekeeper-Funktion, sondern zeigt sie in seinem Programm deutlich.
  • beschäftigt richtig gute Lektorinnen, die ihr Handwerk im Teamwork mit den Autoren verstehen und nicht mit reinem Korrektorat verwechseln. Er zwingt keine unterbezahlten Lektorinnen zu Arbeitsnachweisen anhand von angeblichen Fehlern, die ich auf Kosten meiner Arbeitszeit wieder rückgängig machen muss, damit der Schein gewahrt bleibt.
  • gibt das Korrektorat nicht an Dumping-Sklaven im Ausland.
  • hat einen funktionierenden Vertrieb oder geht Vertriebskooperationen ein, wenn er das nicht selbst stemmen kann.
  • macht Pressearbeit nicht nur für Spitzentitel und beschäftigt für Klappen- und Pressetexte nicht studentische Praktikanten, die keine Zeit haben, auch nur in die Bücher hineinzuschauen.
  • spricht mit mir die Pressearbeit ab und stellt mir kein Bein, wenn ich als Presseprofi Adress- und Ideenvorschläge habe.
  • unterstützt mich bei selbst organisierten Lesungen mit Ankündigungen und Material und liefert die Exemplare für den Büchertisch rechtzeitig und nicht erst nach der Lesung.
  • kennt die Unterschiede zwischen Werbung, Marketing und Pressearbeit.
  • sagt mir offen, wenn er aufgrund seiner Größe bestimmte Aufgaben nicht leisten kann und bespricht Teamwork vor dem Vertrag.
  • finanziert mich ordentlich und bezahlt seine Rechnungen vertragsgerecht und pünktlich.
  • muss nicht für jede Jahresabrechnung gemahnt werden.
  • kommuniziert partnerschaftlich auf Augenhöhe mit mir.
  • weiß, dass es ohne AutorInnen keine Bücher gibt - und pflegt seine AutorInnen dementsprechend.
  • hat keinen hohen Verramschungsfaktor in immer kürzeren Zeiträumen.
  • hat ein klar erkennbares Verlagsprofil.
  • weiß, dass die meisten AutorInnen sich mit einem anderen Beruf finanzieren müssen und nimmt deshalb Rücksicht auf deren Termine.
  • baut mich auf. Gibt mir mehr Feedback als "nettes Manuskript" nach der Druckfreigabe.
  • sagt auch mal Danke für unentgeltliche Arbeit.
  • verpasst mir nur ein Image, hinter dem ich als Mensch stehen kann und mit dem ich einverstanden bin.
  • gibt sich genau so viel Mühe mit dem Buch wie ich.
Ja, ich weiß, ich bin extrem anspruchsvoll geworden - aus Erfahrung. Ein Verlag muss für mich die guten alten Kernkompetenzen von Verlagen zeigen oder gründlich reaktivieren. Sonst ist er keine Alternative mehr zur Zauberformel AutorIn + LektorIn + GrafikerIn + Herstellung + ordentliche Tantiemen oder gar Alternativfinanzierung - (Pressearbeit beherrsche ich selbst).
Spam und Müll und Pseudobücher bei Amazon schrecken mich nicht. Ein bißchen davon gibt es in jedem großen Publikumsverlag. Ein Buch gegen Tante Erna oder Zockercontentpiraten durchzusetzen, mag sogar einfacher sein, als gegen einen Dieter Bohlen im Programm anzukommen.
Ich bin gespannt auf Nummer 16!

7 Kommentare:

  1. Ich habe neulich von einem recht jungen Verlag gehört (der übrigens eigentlich auch als Ziel hat, inhaltlich gute Bücher zu veröffentlichen): Wir übernehmen die Publikation für der Bücher, aber um die Vermakrtung und vorheriges Eintreiben von Sponsorengeldern müssen sich die Autoren selber kümmern. (Und es handelt sich wie gesagt nicht um einen Zuschussverlag, sondern Menschen mit "guten" Absichten). Bei genau sowas denke ich dann: "Wenn die Autoren schlau sind, dann können sie doch gleich selbst zu einer Druckerei gehen (oder das über das Internet regeln), DA braucht es keinen Verlag für."

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  2. Stimme ich zu. Das ist gar nicht in Ordnung. Wenn ich mich Verlag schimpfe, muss ich auch schauen, wie ich die Finanzierung zusammenbekomme und meine AUTOREN BEZAHLE. Das ist Aufgabe der Verlage. (Auch Verlage könnten bei Crowdfunding mitmachen.)

    Leider gibt es da riesige Grauzonen und die DKZV-Systeme haben dazugelernt...

    Kleine Verlage können manchmal wirklich nicht alles allein stemmen und brauchen die Mitarbeit von Autoren beim Bekanntmachen der Bücher. Dann muss so ein Verlag den Autoren aber etwas anderes bieten und nicht einfach nur billig Arbeitskraft abgreifen.

    Jeder, der sich einmal erkundigt, wie preiswert heutzutage Bücher in der reinen Herstellung sind, wird professionelles Lektorat, professionelles Cover und Layout und ähnliche Leistungen zu schätzen wissen - oder ebenfalls dazukaufen.

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  3. ..und lieber selbst machen.

    So sollte der Satz enden, denn bei einem Verlag kaufe ich ja keine Leistungen, sondern werde im Gegenteil bezahlt.

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  4. Deine Liste, was du von Verlagen haben möchtest, finde ich sehr gut! Nur das, was du aufzählst, ist nämlich eine gescheite Arbeitsgrundlage fürs kreative Schaffen!

    Herzlichst
    Christa

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  5. Leider ist das alles nicht mehr selbstverständlich, liebe Christa - Holger Ehling nennt in seinem Beitrag Unsitten, die sich zunehmend verbreiten. Und was mir von KollegInnen, aber auch frustrierten LektorInnen hinter den Kulissen zugetragen wird, zeigt, wie wichtig so eine Liste ist.
    Herzlichst,
    Petra

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  6. In so einem Verlag würde ich auch gerne arbeiten. Und wenn der Verlag sich dann auch noch mit alternativen Ausgabeformaten zum gedruckten Buch auskennt, das wär was.

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  7. Nur zu Anonymus, solche Verlage gibt es.
    Aber wäre es nicht netter und auf Augenhöhe, hier einen Namen zu benutzen? Anonym klingt immer wie aus der Ecke gebellt...
    P.

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