Ohne oder mit?

Immer, wenn mir nichts mehr einfällt, schicke ich meine LeserInnen woanders hin zum Lesen:
 Zuerst einmal etwas für Branchenleute: Die Aktion "Ich mach was mit Büchern" hat eine neue Jobbörse rund ums Buch lanciert. Man darf gespannt sein, wie fleißig die Datenbank gefüllt werden wird.

Ansonsten kommt langsam die Diskussion in Fahrt: Brauchen Autoren Verlage?

Angeheizt wurde sie vom schlauen Agenten Wylie in den USA, der es nicht mehr einsah, dass seine Autoren ihre Ebookrechte an Verlage abgeben sollten und außerdem ein eigenes Ebooklabel für die Autoren gründete, deren Verträge vor der Zeit der technischen Neuerung abgeschlossen worden waren. Zwar hat er jetzt mit Random House einen Kompromiss geschlossen, aber sein Label macht weiter. Auch hierzulande sollte sich jeder Autor dreifach fragen, ob er dieses Nebenrecht nicht viel flexibler und schneller selbst verwerten kann - und dabei außerdem mehr verdient. Automatisch sollte man es im Vertrag schon lange nicht mehr abgeben!

Seth Godin, der im Internet schon so eine Art Guru-Status hat und deshalb von vielen gar nicht mehr hinterfragt wird, hat nun angekündigt, seinem Verlag endgültig den Rücken zu kehren und seine Bücher mit freien Lektoren selbst herauszugeben (englisches Original). Begründung: Er kenne seine Leser selbst am besten.

Wer sich das Original genauer anschaut, wird die Denkfehler bemerken, denen seine Fans aufsitzen könnten. Denn Seth Godin hat nicht nur ein gutes Dutzend bestens verkaufter Bücher veröffentlicht (im herkömmlichen Verlag, der ihn aufgebaut hat) - er verfügt auch in den Social Media über feste, große Fankreise. Mit einem solch international bekannten Namen lässt es sich gut auf Verlage pfeifen. Jeder Noname oder mittelprächtige Schriftsteller, der das Gleiche wagt, wird unweigerlich baden gehen - Belletristiker sowieso.

Kommt dazu, was viele Selbstverleger gern unter den Tisch fallen lassen: So sehr manche von ihnen über herkömmliche Verlage herziehen mögen, sie werden in diesem Fall selbst zum Verleger - mit allen Konsequenzen. Dazu gehört das absolut professionelle Know-How bei allen Etappen der Buchherstellung bis hin zur PR - und weil das meist kaum in einem einzigen eierlegenden Wollmilchschwein vorhanden ist, entsprechende Investitionen in Fachkräfte. Da fließt erst einmal Geld hinaus. Im herkömmlichen Verlag dagegen fließt zuerst Geld zum Autor: in Form eines garantierten Vorschusses, der einem auch sicher ist, wenn das Buch floppt!

Richard K. Breuer hat in diesem Blog in einem Interview einen sehr ehrlichen Einblick ins Selbstverlegen und den großen Aufwand gegeben.
Und Philip Goldberg bezieht in der Huffington Post Gegenposition und sagt, warum Autoren herkömmliche Verlage brauchen.
In Sachen Finanzierungen dürfte sich in den nächsten Jahren einiges an Neuem entwickeln, sofern gewisse technische und emotionale Hürden überwunden werden können: Stichwort Crowdfunding.

Meine ganz persönliche Meinung: Die Frage ist mal wieder völlig falsch gestellt, weil die Antwort sowieso in der Mitte liegt. In Zukunft werden manche Projekte besser in Verlagen aufgehoben sein und andere besser selbst herausgebracht werden.
Die eigentliche Frage lautet: Was müssen Verlage ihren Autoren bieten, um weiterhin attraktiv für sie zu sein?

Vielleicht macht die Frage in der Branche deshalb so viel Angst, weil sie das emotionale Arbeitsverhältnis auf den Kopf stellt. In so vielen großen Verlagen werden AutorInnen nur noch wie Nummern behandelt, als "Altpapiertapete" für Programmschwerpunkte eingekauft, um es überspitzt zu sagen. Wer im Publikumsverlag heute noch Werbemaßnahmen fürs eigene Buch bekommt, zählt zu einer glücklichen Minderheit, viele KollegInnen fühlen sich als Bittsteller. Das ist nicht überall so, aber es reißt in den letzten Jahren sichtbar ein.

Mit den neuen technischen Möglichkeiten, also der noch größeren Möglichkeit des Neinsagens, wird der Autor das, was er eigentlich schon immer hätte sein müssen: der Schöpfer des Grundstoffes, mit dem Geld verdient wird, ein Partner auf Augenhöhe. Solch ein Autor wird kaum mehr für seinen Verlag PR-Aktionen unternehmen, weil der nur Spitzentitel bedient, oder schlampiges Lektorat ertragen, weil die Fachkräfte "outgesourct" wurden. Das kann er dann besser gleich selbst organisieren, für sich selbst. Der Hang zum Selbstverlegen könnte also Verlage wieder auf ihre Kernkompetenzen aufmerksam machen und auf Qualität statt Quantität. Und er könnte vor allem die Verlage stärken, die noch wirklich richtige Verlegerarbeit leisten, die ihre Autoren und deren Bücher pflegen (die gibt es!). Vielleicht wird eines Tages ein Verlagsnamen wieder verstärkt für Qualität und Autoren stehen und nicht einfach nur für ein modisches Programm?

Autoren müssen in Zukunft noch genauer abwägen, was man ihnen bietet und was sie sich selbst zutrauen können. Ob mit oder ohne Verlag, die romantischen Zeiten vom ruhigen Schreiben im stillen Kämmerlein sind endgültig passé - der eigene Name als Marke spielt eine immer größere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. So bequem und billig Social Media sind, der professionelle Gebrauch will gelernt sein und der Zeitfaktor spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Weil aber gerade AutorInnen aufgrund der schlechten Einkommensverhältnisse oft unter Doppelbelastung arbeiten, sollten sie genau überlegen, ob sie auch noch ihre eigene Herstellung, der eigene Vertriebler und das eigene Logistikzentrum werden wollen. Denn das geht mir in allen Diskussionen doch zu sehr unter: Autoren schreiben Bücher. Und diese Arbeit braucht kreative Freiräume.

Ich selbst gehe übrigens inzwischen ebenfalls den Doppelweg. Ich will die Arbeit mit guten Verlagen auf keinen Fall missen und kann mir bestimmte Bücher nur in solchen vorstellen. Ich vertraue aber seit einigen Jahren meine Manuskripte nicht mehr jedem Verlag an. Klingt vielleicht unglaublich, aber das Wort Nein, die Absage des Autors, habe ich schon öfter mal geprobt, auch unter der Gefahr, dass das MS in der Schublade landet. Für einen Verlag, bei dem "es stimmt", gehe ich dann aber auch gern über meine Grenzen hinaus und habe Spaß an der Teamarbeit.

Nun habe ich ja bereits angekündigt, dass ich ein Projekt als BoD herausgeben werde. Überrascht hat mich bei der Sache, dass mir Leute aus der Verlagsbranche (auch aus Agenturen) hinter vorgehaltener Hand rieten, gerade für solche Spezialthemen (Sachbuch) und mutig "Anderes" sei das Selbstverlegen in Zukunft die flexiblere und schnellere Lösung, zumal sich das Publikum dann tatsächlich leichter im Internet finden lässt. Ich werde meinen eigenen Weg allerdings kritisch betrachten.

Gleichzeitig bin ich im Brotberuf dabei, mit einem Team von Profis die Herstellung und Finanzierung von Büchern zu prüfen, wie sie derzeit von Verlagen garantiert nicht gemacht werden. Dabei geht es auch um die Frage, wie sich Spezialprojekte außerhalb des Buchhandels verkaufen lassen. Es handelt sich zwar um einen absolut nicht zu verallgemeinernden Sonderfall, aber ich bin höchst gespannt, was ich da lernen kann, was machbar ist und was man sich als Autor abschauen kann. Spannende Zeiten liegen vor uns ...

14 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen tollen Artikel, sachlich und von vielen Seiten haben Sie dieses Thema beleuchtet. Verlage sollten mit Ihren Autoren in einer guten Partnerschaft arbeiten. Mit den Möglichkeiten von Social Media ergeben sich für beide Seite so viele neue neue Möglichkeiten, für Autoren und Verlage.

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  2. Guten Tag Frau Skrzypczak,

    ja, Petra van Cronenburg bringt es immer auf den Punkt. Hier kann man etwas lernen!

    Verlage sollten mit Ihren Autoren in einer guten Partnerschaft arbeiten.

    Das ist sicher ein guter Vorsatz. Aber es beklagen sich meines Erachtens nicht nur die Autoren, die sich von Verlagen nicht gerecht behandelt fühlen, sondern es ziehen unzählige Autoren jammernd durchs Land, die erst gar keinen Verlag finden.

    Ich habe als Beobachter der Branche allerdings den Eindruck, dass man nicht nur den Verlagen das „Problem“ anlasten darf.

    Das Verhältnis von Quantität und Qualität der literarischen Erzeugnisse scheint nicht nur durch wirtschaftliche Gegebenheiten beeinflusst, sondern passt sich auch den sonstigen medialen Gepflogenheiten unserer Gesellschaft an. Jeder will mitmachen, will ein Blog, ein Facebook ein BUCH!

    Was würden Sie sagen, wie viel Prozent eingesandter Manuskripte werden ungelesen abgelehnt, weil es nicht genug Lektoren gibt?

    Aber wenn es genug Lektoren gäbe, wäre der Markt wohl übersättigt, wenn auf einen Leser ein Autor kommt. ;)

    Ich habe keine konkrete Idee, welche Lösung jedem Künstler sein Recht und seinen Erfolg garantiert, vielleicht regelt sich das eines Tages wie die Lehrerschwemme, studierte Taxifahrer oder andere Ungleichgewichte in einigen Berufen.

    Aber dass man den etablierten Verlagen und allen anderen wirtschaftlich Beteiligten einer Branche auf die Finger schauen muss, und durch Konkurrenz und neue Ideen, die ‚Gewinne‘ gerechter verteilen könnte, ist eine der Herausforderungen unserer Kultur.

    Gut, dass es in dieser Branche Menschen gibt, die über den Buchrand schauen können!

    Gruß Heinrich

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  3. Lieber Heinrich,
    machen wir uns nichts vor, es ist genauso, wie Sie es sagen: In unserer Welt von "Deutschland sucht den Superstar" gibt es natürlich auch jede Menge peinlichster Versuche und Größenwahnsinn. In meinen Augen werden die preiswerten Plattformen und PoD-Verfahren künftig hoffentlich die Verlage entlasten und vor allem die Abzockerei der Vanity Press ad absurdum führen.

    Inzwischen kann jeder, der meint, es tun zu müssen, im Handumdrehen einen Text online oder per Print-on-Demand erstellen und unter die Leute bringen. Es muss also niemand mehr unveröffentlicht schlafen gehen ;-)
    Was allerdings wiederum ein Problem für diejenigen Selbstverleger darstellt, die hohen Qualitätstandards genügen - wie die Spreu vom Weizen trennen?
    Da hilft immer nur Qualität, harte Arbeit ...

    Kunst und das Überleben darin (übrigens sind nicht alle Autoren Künstler!) regelt sich ganz einfach, sozusagen nach Darwin. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Und darum ist eine objektive "Qualitätskontrolle" in Form eines Verlags nicht zu verachten. Erfolg beim Publikum ist die zweite Sache. Und dann tauchen schon die Grundsatzfragen auf: Was ist Erfolg? Wenn ich drei Menschen berührt habe oder wenn ich 300 Exemplare verkauft habe, die nachher im Müll landen?

    Was mir an den neuen Techniken gefällt, sind die Spiel- und Experimentiermöglichkeiten für jedermann. Wir haben früher doch auch Texte mühsam hektografiert oder kopiert und verteilt... (uns allerdings nicht gleich den Verlag eingebildet, da war die Hemmschwelle größer).

    Wenn Ängste in einer Branche auftauchen, sollten sie nicht lähmen. Ds sind oft Hinweise auf versteckte Schwächen, also Chancen...

    @Daniela Skrzypczak:
    freut mich! Ich frage mich ja z.B., warum Verlage nicht viel stärker Gebrauch von PoD-Verfahren für schwierigere Backlist-Titel machen, anstatt Bücher immer schneller zu verramschen.
    Von wirklich multimedialen Ebooks, wie es sie in Frankreich gibt, will ich gar nicht erst anfangen...

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  4. Und dann tauchen schon die Grundsatzfragen auf: Was ist Erfolg? Wenn ich drei Menschen berührt habe oder wenn ich 300 Exemplare verkauft habe, die nachher im Müll landen?

    Erfolg definiert sich durch erfüllte Erwartungen. Das kann ein berührter Mensch sein, oder ein paar Millionen verkaufter Exemplare.

    Das Geheimnis scheint zu sein, bei Massenware die Mode oder den aktuellen Geschmack zu treffen, oder durch PR und Werbung bei den Lesern das Bedürfnis zu wecken, dass sie das kaufen, was man anzubieten hat.

    Wie Sie schon oft gesagt haben, das schafft ein Einzelner nicht, dazu braucht man eine 'Organisation' und Medien.

    Aber das sind ja nur die Probleme, wenn ein Künstler von der Kunst leben muss/will.

    Kunst ihrer selbst willen, die eine eigene, besondere Qualität und Originalität hat, hat diese Sorgen nicht. Da ist der Erfolg auf einer anderen Ebene zu finden - manchmal schon durch die eigene Betrachtung des Werkes.

    Die Schriftstellerei ist auch eine der Kunstformen, die ein Mensch neben dem Haushalt und der Kinderbetreuung zu Hause ausüben kann, ohne zu "Castingshows" reisen zu müssen. In dem Kreis der AutorInnen gibt es scheinbar die größten Hoffnungen und die meisten Enttäuschungen.

    Profis wie Sie finden immer eine Lösung, weil Sie vielfältige Möglichkeiten und große Erfahrung haben. Sie können es sich sogar leisten, "Geheimnisse", Tipps und Anleitungen den unerfahrenen AutorInnen zukommen zu lassen.

    Sie sind eine Perle im unendlichen Meer der schreibenden Künste! Das ist auch schon ein großer Erfolg!

    Gruß Heinrich

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  5. Jetzt übertreibt der Mann schon wieder maßlos. Lieber Heinrich, an Ihren Komplimenten müssen Sie noch arbeiten! ;-)

    Übrigens kann es sich jeder "leisten", Tipps weiterzugeben, deshalb gibt es z.B. Autorenforen aller Art. Ich plaudere hier ja keine Geheimnisse aus, sondern rede über ganz normalen Alltag - und die Artikel, die ich empfehle, liegen offen im Internet herum.

    Und ich will Ihnen widersprechen: Die "Haushaltsmama", die nie das Haus verlässt, funktioniert heute nicht mehr. Da sind nicht nur Reisen zur Buchmesse ratsam, sondern auch der ein oder andere Verlagsbesuch, wenn man länger mit Leuten zusammenarbeiten möchte. Und vor allem sollte ein Autor bereit sein für Lesungen und Auftritte (nebst Pressekontakten), sonst hat er schon im Buchhändlerprospekt Punkte verloren. Man tut außerdem gut daran, Kontakte zu knüpfen außerhalb des Kämmerleins. Und da habe ich noch nicht von Recherchereisen u.ä. erzählt. Und Selbstverleger müssen da noch sehr viel mehr rödeln.

    Auch Ihre Kunstauffassung kann ich nicht ganz teilen. Was Sie schreiben, gilt für mich im Moment und dem Entstehen der Schöpfung - darum rede ich immer von kreativen Freiräumen. Aber vorher und nachher darf ein Künstler durchaus aufwachen und an seinen Kühlschrank denken. (Vielleicht verstehe ich Sie auch nur falsch?)

    Ich habe im Ausland gelernt, dass das Bild des genialisch inspirierten Künstlers (der ja auch nie etwas lernen muss), der davon und dafür lebt, sein hehres geniales Kunstwerk einzuatmen, doch ein sehr deutsches ist - übrigens Ende des 18. Jhdts. entstanden und im 19. Jhdt. hoch gepriesen.

    Aber Kunst entsteht erst im Auge des Betrachters und dazu braucht es also Betrachter (Hörer, Zuschauer etc.), ergo Publikum. Sonst würde es ja reichen, für die eigene Schublade zu schreiben. Publikum kommt aber nicht von selbst...

    Ein Maler wäre nie so strunzdumm, das Geld zu vergessen. Im Moment der Schöpfung, ja natürlich. Aber wenn er wieder neue Farbtuben braucht und Leinwand, wird ihm ganz schnell bewusst, dass Kunst Geld kostet und einbringen muss. Und dass er für seine Arbeit - denn Kunst bedeutet oft enorme Anstrengung - auch ordentlich bezahlt werden darf.
    Ich staune immer wieder, was ich in punkto Professionalität und Ideenreichtum fürs Geldverdienen in Frankreich bei Künstlern lernen kann!

    Und nein, AutorInnen haben nicht die größten Hoffnungen und meisten Enttäuschungen, sie bilden sich nur manchmal ein, ihnen ginge es besonders dreckig. Ein Ausflug zu jungen Malern, Bildhauern, Tänzern, Musikern, Sängern, Dirigenten etc. würde reichen, das ganz schnell zu relativieren.

    Wenn jemand vom Bestseller träumt, nimmt er sich nichts anderes vor als einer, der Solopianist werden will und von der internationalen Konzertkarriere träumt. Aber ist derjenige wirklich bereit, all das zu investieren, was dieses Kind am Klavier in seinem Leben für die Kunst geben muss? Ist er bereit, auch den hohen Preis dafür zu zahlen?
    Da hapert es doch meist schon beim Tonleiternüben...
    Der Künstler als Bohemien ist ein Mythos, der war schon Anfang des 20. Jahrhunderts erstunken und erlogen. ;-)

    Schöne Grüße,
    Petra

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  6. darf ein Künstler durchaus aufwachen und an seinen Kühlschrank denken. (Vielleicht verstehe ich Sie auch nur falsch?)
    Ich kenne tatsächlich ein paar Künstler, die finanziell völlig unabhängig sind - ob die deshalb glücklicher oder erfolgreicher sind, kann ich nicht beurteilen. ;)

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  7. @Heinrich:

    Ob man "völlig unabhängig" glücklicher ist? Nun, man hat auf alle Fälle weniger Sorgen! Und das kommt Glück doch schon mal verdächtig nahe, wenn man es von der Warte des völlig Mittellosen betrachtet, der seinen Kühlschrank über die "Tafel" und ähnliche Organisationen füllen muss.

    Unter dem Gesichtspunkt halte ich solche Diskussionen um Erfolg und Glück für ziemlich akademisch.

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  8. Wieso hat man zwangsläufig weniger Sorgen, wenn man finanziell unabhängig ist? Erschließt sich mir nicht. Wer bestimmt denn den Schweregrad "der Sorgen" einer Person?

    Klingt jetzt für mich wie: Äpfel und Birnen gehören zur Gruppe Obst, weswegen Äpfel besser schmecken, als Birnen.

    Man kann, so man denn will, immer alles aus der Position der Anderen heraus sehen, nur wie weit bringt einen das?

    Aber zum Thema Mit oder ohne Verlag - ach herrje, jeder so wie er will. Will ich nur (m)ein Buch veröffentlichen und erwarte keinen wirklichen Verkauf, so be it. Will ich ein Sachbuch für einen kleinen Leserkreis per Bod heraus bringen - so be it. Dazu braucht man keine Absegnung von Verlagsmenschen oder anderen Autoren.

    Ich denke jetzt auch ganz gerne an dieser Stelle laut über die Aussage nach "Autoren schreiben Bücher ... und diese Arbeit braucht kreative Freiräume" - mmh ja und? Autoren leben doch nicht in einem Vakuum. Ein Arzt "arztet" - ist er deshalb nur Arzt? Er muss sich ebenso mit vielen Alltagsdingen auseinandersetzen (die mit seinem Beruf zu tun haben), das gehört dazu.

    Sicher hat sich vieles gewandelt - wer sich gut verkaufen kann, ist schon mal im Vorteil - will aber nicht jeder und ist nicht jedermans "Ding."

    Unter uns? Was ich teilweise an Aktionen fürs eigene Buch (im Verlag erschienen) sehe, ist albern. Schlicht albern. Je durchschnittlicher das Buch, je mehr strengt sich der Autor an, es zu vermarkten. Besonders, wenn er Erstautor ist. Je mehr Abstand nehme ich als Leser.
    Ist das von Verlagen gewollt?

    Elendiges Endlosthema und irgendwer fühlt sich immer auf die Füße getreten :-)

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  9. Tja Madam,
    im Grunde müsste man sich über kaum etwas Gedanken machen, weil es irgendwo immer einen Gegengedanken gibt. Aber sind Gedanken nicht dazu da, gedacht zu werden? ;-)

    Ich habe Sabine so verstanden, dass sie von Existenzangst spricht - dagegen verblassen alltägliche Sorgen. Natürlich kann man diese Angst auch durch eine Krebsdiagnose oder einen Krieg oder eine Naturkatastrophe bekommen. Sicher sollte man die eigenen Sorgen und Ängste nicht mit denen anderer "vergleichen". Und man kann trotz solcher Ängste Glück empfinden. Aber das sollte keinem falschen Romantizismus die Tür öffnen à la armer Poet, was gleichbedeutend wäre mit "Armut tut gut".

    "Autoren schreiben Bücher ... und diese Arbeit braucht kreative Freiräume" - mmh ja und? Autoren leben doch nicht in einem Vakuum. Ein Arzt "arztet" - ist er deshalb nur Arzt?
    Ich fürchte, die Sache mit dem "kreativen Freiraum" allen verständlich zu machen, gelingt mir nicht. Das Beispiel mit dem Arzt hinkt - der Vergleich wäre der Wissenschaftler, der zur Entdeckung eines neuen Serums kommt. Und da spielt es eine eminent wichtige Rolle, wie er finanziell ausgestattet ist und welche Freiräume der Forschung man ihm lässt.
    Das hat mit Freiräumen des Denkens zu tun und ja, dazu kann durchaus auch mal im Kleinen gehören, dass einem der Partner die brüllenden Kinder abnimmt. ;-)

    Fortsetzung folgt...

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  10. @Madam
    Zur Frage mit der Werbung fürs eigene Buch:

    Wenn ein Buch in einem herkömmlichen Verlag erscheint, macht das die Werbe- oder Presseabteilung, nicht der Autor selbst (der verbricht allenfalls seine Website oder sein eigenes Geschätz). Und da wird noch einmal unterschieden in Werbung für den Buchhandel und für die LeserInnen.

    Wie diese Werbung empfunden wird, kann man im Voraus genauso wenig bestimmen wie bei Shampoowerbung. Und natürlich steht und fällt eine gute Werbeaktion mit denen, die sie machen - eine Nobelkarossenfirma kann sich andere Werber leisten als etwa ein Regionalverlag. Viele Verlage haben auch das Geld nicht für eigene Leute. Man kann es nicht allen Recht machen - und im Idealfall Profis bezahlen, die sich wirklich etwas dabei denken.

    Übrigens sind auch "Aufreger" gute Werbung. Nichts verkauft sich so gut wie etwas, worüber sich Leute streiten.

    Ich finde es aber schade, wenn man lediglich aufgrund einer Werbung, die man nicht mag, dem Autor und seinem Text keine Chance gibt... Die Autoren haben die geringsten Einflussmöglichkeiten darauf (genauso wenig wie auf Titel und Cover) und sind oft selbst zutiefst unglücklich.
    Mich erschreckt das sogar, dass der bunte Schein und das Brimorium drumherum so viel bedeutsamer wirken als ein Buch selbst!

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  11. Ach nein, ich würde mich von Werbung - für ein Buch - die mir nicht gefällt nicht abhalten es lesen zu wollen (sprich: kaufen), nur weil mir das Marketing nicht zusagen würde. Oder das Cover oder die zu lange oder zu kurze Nase der Autorin oder deren Haarfarbe. Entweder spricht mich der Inhalt an oder nicht, so einfach treffe ich meine Entscheidungen.
    Ich lese allerdings ganz selten Bestseller. Wenn ein echter Hype um ein Buch (fiction) entsteht, lese ich es gerade deshalb eher nicht. Das ist mir zu künstlich. Wobei mir egal ist, ob es die Leserschaft spaltet. Gut für die Verkaufszahlen ist eine gespaltene Leserschaft - keine Frage. Gut fürs Image? Nicht zwangsläufig.

    Klar muss man sich abgrenzen, will man Aufmerksamkeit. Aber das ist vielleicht auch genau das, womit ich persönlich meine Probleme habe. Ist es denn wirklich so schlimm, wenn man nicht ständig durch brennende Reifen springen möchte, keinen Salto rückwärts machen möchte, nur weil man schreibt?

    Kann man nicht bequemer seinen Ruf als Autor, gemütlich erarbeiten? Über einige Jahre hinweg eben (muss man ja ohnehin). Ich störe mich an aggressiven Marketingstrategien für mittelmäßige Produkte. Ich störe mich an (Auto)Biografien 16jähriger. Ich störe mich an der Zwangsverdummung des Lesers, weil er angeblich das vorgesetzt bekommt, was er angeblich lesen will.

    Ich weiß es ja selbst nicht ... durchs Internet kann man den Eindruck gewinnen, dass zu viele Leute urplötzlich schreiben ... dabei haben vermutlich schon immer genauso viele Menschen geschrieben, nur hat das kaum jemand erfahren.

    Und ich rede am Thema vorbei ...

    Freiräume. Schafft sich jeder wie er sie braucht. Manche Menschen schaffen in einer kurzen Freiraumspanne mehr, als andere, die den ganzen oder beinahe den ganzen Tag zur Verfügung haben, um genau an einem einzigen Projekt zu arbeiten.
    Hätte man wirklich zusätzlich den finanziellen Freiraum, wäre man vermutlich künstlerisch so gehemmt (weil man oft auch einen gewissen Druck benötigt), dass man auch nicht viel mehr oder nichts außergwöhnlicheres hervorbringen würde, als jemand, der zusätzlich für seinen Lebensunterhalt Geld verdienen muss oder halbtags staubsaugt und die Wäsche faltet.
    Selbstverständlich kann ich anderen Menschen ihre Vorstellung von Freiräum, ihren Wunsch nach Freiraum nicht absprechen, glaube aber dennoch, dass man sich auch gerne selbst etwas vormogelt - das liegt in der Natur des Menschens.

    Genauso wie Freiräume für sich zu definieren :-)

    PS Armut hat noch nie jemandem gut getan
    Ich bin müde, merkt man vermutlich - gute Nacht allerseits

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  12. Madam,
    das ist weder müde noch am Thema vorbei, im Gegenteil, ich schmunzle an vielen Stellen - vor allem in Sachen Verblödung empfinde ich ähnlich.

    Ich denke - und das trifft nicht nur für Autoren zu - wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt, sollte man möglichst authentisch bleiben und möglichst wenig Marktschreiermasken tragen. Das Publikum merkt nämlich schnell, wenn es für dumm verkauft wird. Vor allem schadet das übertriebene PR-Gehabe irgendwann dem Autor selbst.

    Aber ist man immer stark genug, sich nicht vereinnahmen zu lassen? Nicht auf großartige Versprechungen zu hören? Nicht dem schönen Schein zu erliegen? Auch das ist wohl eine Frage der Persönlichkeit und inneren Reife?

    Zu den Freiräumen habe ich einen Spruch von Asta Scheib, den ich mir immer als Warnung nehme:
    "Welch großes Werk hätte ich schreiben können, wenn nicht Söhne, Schwiegertöchter, Ehemänner, Stiefkinder, Patenkinder und große wollige Hunde mich lebenslang daran gehindert hätten."

    Da fiel mir ein, dass ich den Nijinsky unter eigentlich brutalen Bedingungen geschrieben habe, mit fingerfreien Handschuhen, weil ich mir anfangs kein Heizöl kaufen konnte, zeitweise mit fast leerem Kühlschrank, emotional auf Achterbahn mit dem ganzen Hin und Her - das Aus fiel mit einem Todesfall in der Familie zusammen, das Hin und Her mit den Rechten mit einem zweiten...

    Vielleicht habe ich genau deshalb die Kraft, das durchzuziehen, weil ich mir sage, das kann nicht alles umsonst gewesen sein. Hätte ich das Buch in der Sonne am Strand mit einem riesigen Stipendium getippt, würde ich vielleicht sagen: Was soll's, war eine Erfahrung, mach ich halt was anderes.

    Aber gesund ist solches Schreiben auf Dauer nicht unbedingt. ;-)

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  13. Die Aussage ""Welch großes Werk hätte ich schreiben können, wenn nicht Söhne, Schwiegertöchter, Ehemänner, Stiefkinder, Patenkinder und große wollige Hunde mich lebenslang daran gehindert hätten." könnte man schlicht mit:
    wenn das Leben nicht dazwischen gekommen wäre zum Ausdruck bringen.

    Worüber schreibt man dann? Abstraktes, das 10.5 Leser lesen und endlos diskutieren plus Wikipediaeintrag?

    Life is good as it is. Man muss nur seinen Weg finden (sich Nachbarn und Schulverpflichtungen vom Hals zu halten).

    Ich mag ja übrigens diese Filme, die als Eingangszene etwas Schreckliches zeigen und man dann in Rückblenden sieht, wie sich was durch Zufall entwickelt hat, bis sich um 11:05 Uhr alle Beteiligten begegnen und der Zuschauer sich in der Eröffnungsszene wieder findet. Genial - weil für mich eben (beinahe) echtes Leben.

    Ich habe das Glück einen guten Partner und Schulunterricht bis 15.30 Uhr zu haben und mittlerweile auch das Glück, dass mein Kind immer selbstständiger wird. Aber jetzt jault der alte Hund ständig um Aufmerksamkeit und wird ignoriert ;-)

    Viel Glück und Nerven übrigens mit dem eigenem Projekt.

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  14. Worüber schreibt man dann? Abstraktes, das 10.5 Leser lesen und endlos diskutieren plus Wikipediaeintrag?
    Ich dachte immer, gute Bücher erzählen vom Leben, von Menschen, von den ganz großen Fragen...

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