Tschechow, Tschechov, Chekhov & Čechov

Hinter dem, was im Titel wie eine ganze Anwaltskanzlei klingt, verbirgt sich natürlich nur ein einziger Mann namens Anton Pawlowitsch. Ich sollte wahrscheinlich über ihn reden, weil er gerade "literaturtrendy" ist, geboren vor 150 Jahren in Taganrog, und weil er bei mir ums Eck um die Ecke, pardon, in Badenweiler gestorben ist. Aber das kann man alles im Feuilleton nachlesen, das viel braver als ich Jahrestage und Jubiläen abfeiert. Oder man macht sich bei Wikipedia über Anton Pawlowitsch Tschechow schlau.

Ich tendiere eher dazu, seine Bücher zu empfehlen, egal welche - möge man sich rund und satt lesen! Gar nicht so einfach jedoch, diese zu finden, denn selbst Gugl Oberschlau reagiert noch nicht auf Schmatzlaute, so dass man am besten vier Suchen veranstaltet: nach allen Herren der ominösen Anwaltskanzlei hier im Titel (ein paar Werke kann man sich kostenlos im Projekt Gutenberg herunterladen). So kam ich eigentlich neuerdings wieder auf ihn: Ich suchte verzweifelt eine deutsche Fassung seiner Erzählung "Gusew", die ich dann im Sammelband "Flattergeist" vom Diogenes Verlag entdeckte.

Ich entdeckte noch anderes, das ich teilen möchte: Einen sehr feinen Artikel im Guardian: "The wonder of Chekhov", der klar und ansprechend erzählt, was das Faszinierende und wieder Aktuelle an Tschechow und seiner Literatur ist - und was für ihn so typisch ist:
"...to form the ­characteristic hybrid Chekhovian note, where the tragic and the farcical, the lyrical and the prosaic, the tender and the grotesque are inextricable from each other."
Wie genial ihm das gelingt, davon kann man nur lernen - nicht zuletzt von seinem feinen Witz und der Psychologie seiner Figuren. Den Artikel empfehle ich deshalb, weil er keine Angst vor Literatur macht, sondern Lust auf Literatur. So waren sich die Engländer auch nie zu schade, auf Tschechows frühe, lustige bis satirische Erzählungen einzugehen. In Deutschland erschienen sie eher verschämt endlich 2002 bei Diogenes: "Humoresken und Satiren in 2 Bänden". Nach Tschechow-Perlen wie "Die Steppe" muss man dann schon bei der Friedenauer Presse suchen - und Verfilmungen wie "Ragin. Wahn oder Wirklichkeit" entdeckt unsereins durch Zufall nach immerhin fünf Jahren.

Tschechow selbst hätte wahrscheinlich über das Podest hochliterarischer Ernsthaftigkeit, auf das man ihn da hievt, herzlich gelacht. Er hat offen zugegeben, am Anfang seiner Karriere des Geldverdienens wegen sogar Trash geschrieben zu haben. Deshalb präsentiert die cronenburg-röhre ab heute Gegenprogramm zu den betretenen Literaturjubiläumsgesichtern und Expertengesprächen: Helge und das Udo reden über Tschechow. Ich finde, bei dieser Radiosendung ist es sogar passend, dass die Röhre selbst rabenschwarz bleibt.

2 Kommentare:

  1. Ich bewundere immer noch "Die Dame mit dem Hündchen" - ich bewundere Tschechows Beiläufigkeit. Zitat: "Er setzte stets voraus, daß sich das wirkliche und interessanteste Leben eines jeden Menschen heimlich, gleichsam unter dem Mantel der Nacht, abspielte." Hat mich sogar zu einem Krimi ("Spinnefeind") inspiriert. Ein großartiger Geschichtenschreiber!

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  2. Dein Name steht ja schon länger auf meiner Merkliste für den nächsten Buchhandelsbesuch, unschlüssig bin ich nur bisher, womit ein Newbie am besten anfangen sollte und ob man brav alle Romane der Serien nacheinander lesen sollte. Und soll ich zuerst oder besser Palfy oder Laverde, wo ich schon auf den *letzten* Palfy neugierig wäre...?
    Was rät die Autorin selbst?

    Wir schmachten übrigens die gleiche Geschichte an. Wenn ich solche Sachen lese, denke ich immer, dass ich eigentlich überhaupt noch nicht schreiben kann.

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