Das schöne Wörtchen
Mein Hund schüttelt heute seine Knickohren: Die Menschin schreit heute ziemlich oft ein verzweifeltes "Nein" in den Raum und meint doch gar nicht ihn. Madame sitzt nämlich über französischem Amtskram und hat allein drei Stunden recherchiert, ob sie überhaupt das Recht hat, ein gewisses Formular auszufüllen, das sie ausfüllen soll. Im Amt kann ihr das keiner sagen, die stöhnen nämlich schon beim Beruf: "Artiste-auteur, ach du lieber Himmel, da ist alles immer ganz anders und kompliziert und nicht wie bei den anderen!" Das habe ich inzwischen auch schon bemerkt ...
Das Wort "Nein" als genervter Fluch hat jedenfalls befreit, nach einem vertanen Arbeitstag ist ein Packen Formulare abgearbeitet, den die Selbstständigkeit in einem schrägen Beruf so mit sich bringt.
Viel wichtiger ist das schöne Wörtchen "Nein" natürlich im Beruf selbst. Wie aber sage ich es meinen Kunden, Lektoren, Verlagen am besten und wann? Wieviel Nein darf sein und kann man es jemandem raffiniert unterschieben? Dazu ist mir ein äußerst lesenswerter Artikel in der Zeitschrift "A List Apart" aufgefallen. Die Designerin Whitney Hess schreibt: "No one Nos: Learning To Say No To Bad Ideas".
Ihre Beispiele kommen zwar aus dem Bereich des Designs, treffen aber eigentlich auf jeden Freiberufler und Kreativen zu - man darf sich also tüchtig etwas abschauen! Vor allem räumt sie mit den miesen Gefühlen auf, die sich gerade Frauen gern auf die Brust binden: Schuld, Angst, Selbstzweifel oder das Talent, sich selbst zu stark unter Druck zu setzen. Diplomatie-Unterricht gibt es auch, etwa mit dem Beispiel, sich bei unliebsamen Kunden schlicht so nett und teuer anzubieten, dass der Kunde freudig verzichtet.
Besonders spannend ist jedoch ihr Ansatz vom "positiven Nein". Gemeint ist ein Dreierschritt: Ja beim Interessebekunden - klares Nein, was Kapazitäten / Willen etc. betrifft - und ein positives Echo zur Beziehung untereinander. Sie führt dann Punkt für Punkt aus, wie das geht.
Klingt in meiner Zusammenfassung vielleicht zunächst nach diesen üblichen Zehn-Punkte-Plänen unnützer Lifecoachs und Reichtumvermittler, hat aber damit nichts zu tun, sondern ist aus dem Arbeitsleben gegriffen. Und passt wunderbar aufs Autorenleben! Denn der Knackpunkt liegt im Nein zu "schlechten Ideen". Wer dieses Nein ausspricht, muss sich zuerst Gedanken über sich selbst und seine Arbeit machen!
Viele Autoren glauben beispielsweise, eine Verlagsabsage sei ein Schlussstrich (ich rede jetzt nicht von unverlangt eingesandten Manuskripten und Formbriefen!). Auch ein solches Nein lässt sich positiv interpretieren: Diesmal hat irgendetwas nicht gepasst, aber im Idealfall habe ich einen persönlichen Kontakt, den ich später nutzen könnte, dem ich aber auch gleich Fragen stellen kann. Vielleicht kommt man sogar ins Gespräch darüber, was der Verlag sucht - und hat mit ein wenig Glück etwas in der Schublade liegen. Oder man erfährt ein paar Sätze über die Schwächen des Manuskripts, die eigenen Fähigkeiten. Ein Nein kann der Beginn von etwas Neuem sein.
Klingt vielleicht schräg, aber ganz praktisch habe ich einmal ein Nein erlebt, das zum Ja wurde. Ich bot Projekt XY an, bei dem die Chancen extrem gut standen. Und bekam ein Nein. Geht bei diesem Verlag von der Art her einfach gar nicht. Sofort spitzte ich die Ohren: an der Idee und an mir lag es also nicht. Da ich aber zu eben diesem Verlag wollte, dachte ich bereits insgeheim an Plan B und fragte neugierig, was denn das Projekt haben müsste, um kein Nein zu ernten. Was dann kam, passte mir wunderbar in den Kram. Noch am Telefon entwickelte ich mein Projekt weiter und schuf eine völlig neue Idee daraus, die mir selbst viel besser gefiel als die ursprüngliche. Aus dem Nein wurde ein Ja.
Umgekehrt muss man als Autor, vor allem, wenn man schon eine Weile im Betrieb drinnen ist, ganz genau wissen, wo man für sich selbst die Grenzen zieht und sehr klar und deutlich Nein sagt. Sonst rupfen einem so viele Leute und Meinungen am Federkleid herum, dass man irgendwann wie das Fastfood-Hühnchen auf den eigenen Beinen einknickt. Da kann man einerseits eine Menge von Agenten lernen, die es fertigbringen, bei mehreren Interessenten den nicht so geliebten Verlag zu verlangsamen und den begehrten vom Zögern abzubringen. Man kann von schlimmen Beispielen lernen, wo Kollegen nur noch Ja und Amen zu allem sagen und deshalb immer weiter über den Tisch gezogen werden, ja vielleicht sogar zu einem Schreiben getrieben, das mit ihnen selbst kaum noch etwas zu tun hat.
Auch das eigene Nein ist meist der Beginn von etwas Neuem. Mein radikalstes Nein in dieser Beziehung war der Entschluss, keine Romane mehr primär für Riesenpublikumsverlage zu schreiben. Das erforderte Mut, veränderte mein Schreiben aber so grundlegend, dass ich wieder "bei mir" ankam.
Genauso sage ich als Texterin oder Übersetzerin Nein zu manchen Texten: Ich spezialisiere mich, folge bestimmten Themen. Für andere Anfragen vermittle ich Kollegen: Ich muss nicht alles machen.
Freiberufler kennen das Dilemma in Variation: Nehme ich jeden erstbesten Kunden, obwohl ich weiß, dass ich weder auf meine Kosten noch auf Freude bei der Arbeit komme - nur aus Angst, Selbstzweifel oder anderen Gefühlen? Oder weiß ich ganz genau, auf welche Art Kunden ich verzichten möchte, um mich um eine andere Art Kunden intensiver kümmern zu können?
Wer das einmal ausprobiert hat, weiß, dass es verdammt schwer ist, Nein zu sagen. Aber man kann das lernen und trotz aller vordergründigen Verluste stellt sich irgendwann heraus, dass es dem eigenen Weg und den Arbeitsbeziehungen nur gut tut. Wirklich gute Kunden ziehen in der Regel andere gute Kunden an.
Das Wort "Nein" als genervter Fluch hat jedenfalls befreit, nach einem vertanen Arbeitstag ist ein Packen Formulare abgearbeitet, den die Selbstständigkeit in einem schrägen Beruf so mit sich bringt.
Viel wichtiger ist das schöne Wörtchen "Nein" natürlich im Beruf selbst. Wie aber sage ich es meinen Kunden, Lektoren, Verlagen am besten und wann? Wieviel Nein darf sein und kann man es jemandem raffiniert unterschieben? Dazu ist mir ein äußerst lesenswerter Artikel in der Zeitschrift "A List Apart" aufgefallen. Die Designerin Whitney Hess schreibt: "No one Nos: Learning To Say No To Bad Ideas".
Ihre Beispiele kommen zwar aus dem Bereich des Designs, treffen aber eigentlich auf jeden Freiberufler und Kreativen zu - man darf sich also tüchtig etwas abschauen! Vor allem räumt sie mit den miesen Gefühlen auf, die sich gerade Frauen gern auf die Brust binden: Schuld, Angst, Selbstzweifel oder das Talent, sich selbst zu stark unter Druck zu setzen. Diplomatie-Unterricht gibt es auch, etwa mit dem Beispiel, sich bei unliebsamen Kunden schlicht so nett und teuer anzubieten, dass der Kunde freudig verzichtet.
Besonders spannend ist jedoch ihr Ansatz vom "positiven Nein". Gemeint ist ein Dreierschritt: Ja beim Interessebekunden - klares Nein, was Kapazitäten / Willen etc. betrifft - und ein positives Echo zur Beziehung untereinander. Sie führt dann Punkt für Punkt aus, wie das geht.
Klingt in meiner Zusammenfassung vielleicht zunächst nach diesen üblichen Zehn-Punkte-Plänen unnützer Lifecoachs und Reichtumvermittler, hat aber damit nichts zu tun, sondern ist aus dem Arbeitsleben gegriffen. Und passt wunderbar aufs Autorenleben! Denn der Knackpunkt liegt im Nein zu "schlechten Ideen". Wer dieses Nein ausspricht, muss sich zuerst Gedanken über sich selbst und seine Arbeit machen!
Viele Autoren glauben beispielsweise, eine Verlagsabsage sei ein Schlussstrich (ich rede jetzt nicht von unverlangt eingesandten Manuskripten und Formbriefen!). Auch ein solches Nein lässt sich positiv interpretieren: Diesmal hat irgendetwas nicht gepasst, aber im Idealfall habe ich einen persönlichen Kontakt, den ich später nutzen könnte, dem ich aber auch gleich Fragen stellen kann. Vielleicht kommt man sogar ins Gespräch darüber, was der Verlag sucht - und hat mit ein wenig Glück etwas in der Schublade liegen. Oder man erfährt ein paar Sätze über die Schwächen des Manuskripts, die eigenen Fähigkeiten. Ein Nein kann der Beginn von etwas Neuem sein.
Klingt vielleicht schräg, aber ganz praktisch habe ich einmal ein Nein erlebt, das zum Ja wurde. Ich bot Projekt XY an, bei dem die Chancen extrem gut standen. Und bekam ein Nein. Geht bei diesem Verlag von der Art her einfach gar nicht. Sofort spitzte ich die Ohren: an der Idee und an mir lag es also nicht. Da ich aber zu eben diesem Verlag wollte, dachte ich bereits insgeheim an Plan B und fragte neugierig, was denn das Projekt haben müsste, um kein Nein zu ernten. Was dann kam, passte mir wunderbar in den Kram. Noch am Telefon entwickelte ich mein Projekt weiter und schuf eine völlig neue Idee daraus, die mir selbst viel besser gefiel als die ursprüngliche. Aus dem Nein wurde ein Ja.
Umgekehrt muss man als Autor, vor allem, wenn man schon eine Weile im Betrieb drinnen ist, ganz genau wissen, wo man für sich selbst die Grenzen zieht und sehr klar und deutlich Nein sagt. Sonst rupfen einem so viele Leute und Meinungen am Federkleid herum, dass man irgendwann wie das Fastfood-Hühnchen auf den eigenen Beinen einknickt. Da kann man einerseits eine Menge von Agenten lernen, die es fertigbringen, bei mehreren Interessenten den nicht so geliebten Verlag zu verlangsamen und den begehrten vom Zögern abzubringen. Man kann von schlimmen Beispielen lernen, wo Kollegen nur noch Ja und Amen zu allem sagen und deshalb immer weiter über den Tisch gezogen werden, ja vielleicht sogar zu einem Schreiben getrieben, das mit ihnen selbst kaum noch etwas zu tun hat.
Auch das eigene Nein ist meist der Beginn von etwas Neuem. Mein radikalstes Nein in dieser Beziehung war der Entschluss, keine Romane mehr primär für Riesenpublikumsverlage zu schreiben. Das erforderte Mut, veränderte mein Schreiben aber so grundlegend, dass ich wieder "bei mir" ankam.
Genauso sage ich als Texterin oder Übersetzerin Nein zu manchen Texten: Ich spezialisiere mich, folge bestimmten Themen. Für andere Anfragen vermittle ich Kollegen: Ich muss nicht alles machen.
Freiberufler kennen das Dilemma in Variation: Nehme ich jeden erstbesten Kunden, obwohl ich weiß, dass ich weder auf meine Kosten noch auf Freude bei der Arbeit komme - nur aus Angst, Selbstzweifel oder anderen Gefühlen? Oder weiß ich ganz genau, auf welche Art Kunden ich verzichten möchte, um mich um eine andere Art Kunden intensiver kümmern zu können?
Wer das einmal ausprobiert hat, weiß, dass es verdammt schwer ist, Nein zu sagen. Aber man kann das lernen und trotz aller vordergründigen Verluste stellt sich irgendwann heraus, dass es dem eigenen Weg und den Arbeitsbeziehungen nur gut tut. Wirklich gute Kunden ziehen in der Regel andere gute Kunden an.
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