Interview: Richard K. Breuer, der Autor, der auch ein Verleger ist

Als mir und meinem Agenten vor nicht allzu langer Zeit aus völlig unerklärlichen Gründen ein heißes Erdölthema unter den Fingern starb, kam ich zum ersten Mal auf subversive Gedanken. Die Absagen renommierter Publikumsverlage hatten nämlich nichts mit meinem Können oder dem Text zu tun. Einer Frau würde man das Thema nicht abnehmen. In der Krise wolle man "Schönes" und "Tröstliches" veröffentlichen. Der Ölpreis stehe zu hoch, da kaufe keiner Bücher über Erdöl.
"Warum gibst du das Buch nicht selbst heraus?", fragte mich ein Bekannter.
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Weil ich mich dann mit dem Dorfchronisten auf eine Plattform stellen muss, der das Thema nicht nur verunstaltet hat, sondern noch nicht mal schreiben kann, geschweige denn die Rechtschreibung beherrscht."

Inzwischen verlege ich selbst aus guten Gründen weiter bei herkömmlichen Verlagen, denke aber durch die Recherche zum Thema Buchformen anders übers Verlegen. Zwischen den Dorfchronisten mit Rechtschreibhemmung und den Tante Ernas mit der ach so spannenden Hausfrauengeschichte findet sich nämlich tatsächlich immer häufiger das, was man sich unter einem gut gemachten Buch vorstellt. Man muss es nur finden. Und so wie die meisten Autoren einem Brotjob nachgehen müssen, kann der eigentlich auch das Verlegen von Büchern sein?

Der Wiener Autor und Selbstverleger Richard K. Breuer wäre mir ohne das Social Web nie aufgefallen. Und ich hätte mich nicht weiter für seine Arbeit interessiert, wenn mir nicht die subtilen und intelligenten Beiträge aufgefallen wären. So las ich immer wieder in seinem Blog von einer mir bis dahin fremden Welt, in welcher der moderne Autor zum eierlegenden Wollmilchschwein mutiert. War der Unterschied zwischen Publikumsverlag und Selbstverlag wirklich so groß? Er ist es ganz bestimmt in den Auflagezahlen, im Vertrieb und anderen Situationen, aber auch der herkömmlich verlegte Autor wird immer häufiger gezwungenermaßen zum Werber für die eigenen Bücher. Pressearbeit und Werbung für alle - das war einmal bei Großverlagen.

Noch etwas fand ich interessant: Das technisch heute erleichterte Selbstverlegen könnte skrupellosen Geschäftemachern die Stirn bieten, die von Autoren orbitante Summen verlangen, anstatt sie anständig zu bezahlen.

Natürlich wollte ich es genau wissen, schnüffelte weiter. Entdeckte den amüsanten Comic vom "Dschunibert-Prinzip", in dem sich wohl jeder Autor wiederfindet, der veröffentlicht werden will - egal wie. (Unter dem Link kann man ihn kostenlos herunterladen).
Dann las ich mich in "Schwarzkopf" fest, einer spritzigen Parodie über den Film "Der Dritte Mann", über Hollywood und Wien. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Intelligente Ironie und absurder Humor verkaufen sich in den letzten Jahren schwer an herkömmliche Verlage. Wenn sie dann auch noch "anders" geschrieben sind, nämlich als Drehbuch, dürften die meisten Lektoren abwinken. Nicht, weil es dafür keine Leser gäbe. Man schätzt einfach das Risiko zu hoch ein, weil man Angst hat, alles, was über dem Niveau von Standup Comedy liege, könne nicht verstanden werden. Was dann auch irgendwann der Fall sein wird, wenn die Leser solches nicht mehr in die Finger bekommen...

Ich habe mich in der Leseprobe festgelesen und werde mir das Buch bestellen (ja, ich bin für diesen Beitrag nicht bestochen worden). "Schwarzkopf" ist ein köstliches Feuerwerk an Absurditäten zwischen Politik und Illusionsindustrie; eine intelligente, scharf beobachtende Parodie voll von Wiener Schmäh, Slapstick und menschlichen Abgründen. Allein die Sprache hat Wörter, in denen man sich suhlen möchte - und dankenswerterweise ein Wörterbuch für deutschsprachige "Ausländer". Aber es ist anders als das übliche "Lesefutter": In der Typografie, der Form; ja der Frechheit, einen Krimi zu inszenieren, wie ihn Trendlisten nicht vorsehen.

Auch deshalb habe ich mir Richard K. Breuer für das Interview ausgesucht: Er "bastelt" nicht einfach mal schnell ein Buch. Er verlegt professionell. Er arbeitet mit Lektoren, Korrektoren und Grafikern zusammen, ist bestrebt, mehr zu bieten als Tante Erna mit dem Internet-Nähkästchen. Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass es eben nicht angemessen ist, auf Verlage zu pfeifen oder gar zu schimpfen - weil man selbst zum Verleger mutiert und vor den gleichen Problemen und Entscheidungen in Sachen Finanzen, Produktion oder Handelsstrukturen steht wie jeder herkömmliche Verleger. Aber die Entscheidungswege sind kleiner, man muss mit sich selbst wohl nicht so lang verhandeln wie mit einem Fremden. Man ist sich selbst aber auch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ausreden, wenn es im Verlag nicht richtig läuft, hat ein ehrlicher Selbstverleger kaum. Der Verlag - den sieht er jeden Morgen im Spiegel.

Ich empfehle jetzt fleißiges Schmökern:

Richard K. Breuers Webseite und Blog - bei Twitter ist er als @dschun unterwegs
Wer sich den Namen der Webseite nicht merken kann, erfährt hier die Geschichte hinter der ominösen Zahl.

Zum Download als PDF (67 kb):
Petra van Cronenburg interviewt Richard K. Breuer "Wie hält der Autor den Verleger aus?"


Creative Commons License
Interview mit dem Autor und Verleger Richard K. Breuer von Petra van Cronenburg steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie unter http://www.cronenburg.net
erhalten.

3 Kommentare:

  1. Da Trackbacks bei blogspot wohl nicht vorgesehen sind:
    Dieser Beitrag verdient weiteste Verbreitung, deshalb:
    http://www.schreibtaeter.eu/index.php?/archives/50-Autor-und-Verleger-zugleich-geht-das-ueberhaupt.html

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  2. Merci! Das mit den Trackbacks soll angeblich funktionieren, aber ich habe es aufgegeben, das einstellen zu wollen - es will nicht mit jedem Layout. Und für Handprogrammieren bin ich zu dumm.
    Komplimente nehme ich natürlich auch gern so entgegen ;-)

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  3. anregender bericht, herzlichen dank fuer das inspirierende interview. kenne den schriftsteller richard schon einige jahre und lese jedes buch!
    herzlichen gruss

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