Überwältigend

Ich bin völlig überwältigt, was passiert, wenn man Journalismus im Blog bietet. Das Interview mit Richard K. Breuer haben allein gestern weit über 200 Menschen abgerufen. Und wer ein pdf herunterlädt, liest es mit einiger Sicherheit auch. Wenn ich dagegen an den Kollegen bei Lübbe denke, der im Hauptprogramm hinter dem damals aufkommenden Dan Brown mit einem davon plattgewalzten Erstling gerade mal 250 verkaufte Exemplare in einem Jahr schaffte, muss ich zur Relativität der Leserbindung wahrscheinlich nichts mehr sagen. Sicher ein Extrem, aber die Größe des Verlags ist kein Garant für Abverkäufe.

Ich habe zum Thema außerdem ein interessantes Gespräch mit jemandem aus der Buchbranche geführt, der das Verlagsgeschäft wirklich von innen kennt. Ich klagte dabei über das Problem, sich bei solchen Alternativen sichtbar machen zu müssen - und wie Richard K. Breuer gut beschrieb, beweisen zu müssen, dass man auch jenseits von herkömmlichen Verlagen richtig gute Qualität bietet. Mein Gesprächspartner verwies darauf, dass soziale Netzwerke im Internet das Mittel der Wahl seien, sich einen Ruf zu schaffen und Kompetenz zu zeigen. Dass es aber nicht genüge, ein wenig damit herumzuspielen. Auch ein Blog will immer wieder mit neuen Leserkreisen "befeuert" werden. Aber dann stehe man mit dem eigenen Namen gerade für die Arbeit. Süffisant wurde ich an meine Erfahrungen mit Verlagsverkäufen erinnert - nicht immer ist der Aufkäufer ein Wunschverlag, in dem man sich freiwillig beworben hätte.
Etablierte Autoren, meinte er, hätten es sogar leichter, sich selbst zu verkaufen.

Von anderer Stelle erfuhr ich, dass BoD sich in der Qualität enorm gemausert habe (sogar mehrfarbige Kunstbände ordentlich) - und insofern eine Alternative wäre für Autoren, die sich in Sachen Vertrieb und Verkauf etwas schwer tun. Vor allem am Anfang kann man sich vieles in Sachen Rechnungswesen, ISBN-Beschaffung etc. an Arbeit und Lernaufwand ersparen. Auf der Webseite gibt es einen Kostenrechner, mit dem man herumspielen kann, und er scheint sehr treffsicher zu sein. Vielleicht ein Mittel zur Wahl für den vorsichtigen Test-Einstieg.

Manche werden jetzt wahrscheinlich hämisch fragen: "Warum interessiert die sich so, findet wohl keinen Verlag mehr". Häme kommt immer, wenn man sich mit ungewöhnlichen Wegen beschäftigt. Nein, ich bin der Meinung, dass man sich manchmal viel Lebenszeit und Frustrationen sparen kann, indem man Neues wagt.

So ist z.B. der Entschluss gereift, wenn ich mehr Zeit habe, meinen ersten Roman "Stechapfel und Belladonna" wieder zumindest als Ebook anzubieten. Ich muss dazu aber noch einmal das Manuskript durchkorrigieren und neu erfassen und layouten. Das wissen vielleicht die Wenigsten: Auch wenn man die Rechte am eigenen Buch zurück bekommen hat - die Rechte für Layout, Grafik etc. liegen natürlich bei dem Verlag, bei dem das Buch einst erschien. Ich will mir einfach auch den Spaß gönnen, auszutesten, wie viele Leser ich mit solch relativ geringem Aufwand selbst erreichen kann.

Außerdem scheint mir Richard K. Breuers Weg inzwischen der ideale für ein Europaprojekt in zwei Sprachen. Ich habe zwecks Veröffentlichung intensiv auf dem herkömmlichen Weg recherchiert: Thematisch wären die "normalen" Verlage überfordert, das liefe auf einen Bewerbungs-Parcours mit etwa einem Jahr Absagen heraus. In Frage kämen womöglich eher Regionalverlage. Aber die Passenden haben entweder bereits ihre Pforten geschlossen oder bieten einen derart lausigen Vertrieb (pardon, aber ich habe einige von der EU geförderte Projekte vor Augen, die schlicht nicht an den Endkunden ausgeliefert werden), dass so ein Buch von vornherein zum Scheitern verurteilt würde. Das kann dann auch noch der schlechteste Selbstverkäufer bei BoD oder im Selbstverlag besser - und nähme für die Arbeit auch etwas ein. So etwas ist meiner Meinung nach ein absolut klassischer Fall fürs Selbermachen (unter Profis natürlich, mit Grafiker, Übersetzer etc.)

Ein Spaß fiel mir dabei auch noch ein: Ein neues Label namens "no chance production". Produziert nur die edelsten Perlen der Verlagsverramschungen. Na, wäre das nicht eine Geschäftsidee?

Update:
Gestern ist der Bowker Report über den traditionellen Buchmarkt in den USA veröffentlicht worden - mit überraschenden Zahlen, die sehr gut unser Thema illustrieren.
Demnach explodiert in den USA der nichttraditionelle Buchmarkt förmlich, allein beim Print-on-Demand-Verfahren mit einer Zuwachsrate von 181% seit 2008, während herkömmliche Verlage vor allem bei der Belletristik stagnieren, aber auch in krisenbeeinflussten Segmenten wie Fremdsprachen, Kochbücher und Reisebücher.
Die erstaunlichen Zahlen erklärt man sich mit einer durch die Krise noch verschärften Umorientierung der Leserschaft. Laut Bowker überlegten die Leute nun ganz besonders, wofür sie ihr Geld ausgäben - und das fließe neuerdings in hohem Maße in praktische Ratgeber, in Fortbildung, in echte Nischenprodukte und alte Public Domain Titel - also das, was wir Klassiker nennen.

9 Kommentare:

  1. Jetzt habe ich ganz vergessen, auf die INDIE-Szene in der Musikbranche hinzuweisen. Dort genießen ja viele Musiker und Musikgruppen, die ihre Musik unter einem eigenen Label veröffentlichen, durchaus Ansehen und Ruf. Warum es das nicht in der Buchbranche gibt? Vermutlich, weil noch zu wenige gute Indie-Autorenverleger auf sich aufmerksam gemacht haben.

    Vielleicht bräuchte es eine Art von Gütesiegel, das dem durchschnittlichen Buchkäufer bestätigt, dass das Buch ordentlich gemacht und dem Qualitätsstandard eines Publikumverlages entspricht (der Inhalt des Buches darf natürlich in keinem Fall geprüft werden!)

    Wäre das nicht eine "Geschäftsidee"?

    ad eBook: also, dahingehend brauchst du dir über das Verlags-Print-Layout keine Gedanken machen. Der Text wird sowieso in eine Art von HTML gequetscht und dieses ist Meilenweit vom Buch-Layout entfernt. Ich kann dir diesbezüglich gerne helfen.

    Servus aus Wien
    Richard

    p.s.: gut, dass es noch "altmodische" Journalisten gibt, die wissen, wie man Beiträge interessant und niveauvoll gestaltet. Will heißen: Großes, dickes Lob an/für dich, gell.

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  2. Das Kompliment geht runter wie Öl, danke!

    Indie-Verlage gibt es - und die machten mit einem eigenen Buchpreis (sozusagen als "Gegenpreis" zum Deutschen Buchpreis) im vergangenen Jahr in allen Medien auf sich aufmerksam.

    Wie ich das überblicke, sind sie aber nicht gemeinsam organisiert und auch nicht komplett im Social Web aktiv. Sehr aktiv sind z.B. die Verlage Kein und Aber und Voland & Quist. Bleibt abzuwarten, wie sich das insgesamt entwickelt. Aber im Unterschied zur Musikszene sind das "richtige" Verlage, keine Selbstverlage.

    Ach, Geschäftsideen hätte ich zuhauf, allein es fehlt das Kapital und das Personal. Ich würde als erstes ein vollkommen elitäres, pardon, schräg-trashiges(?) Portal gründen, in dem die Autoren hart rangenommen würden. Mit eigenem Internet-TV-Sender und Podcast-Sendungen, virtuellen Leseproben etc.

    Genres und Buchschubladen wären nicht erlaubt. Es gäbe dann ganz elitär eben nur "Krimis, garantiert 100% splatterfrei" oder "Krimis für die Zwerchfellmassage". Natürlich mit knallharten Auswahlverfahren (Lesevideo muss bei youtube xxxx Zuschauer knacken). Und dann gäbe es einen Button, hinter dem sich arbeitslose Buchhändler verbergen würden für den "persönlichen Expertenrat". Gegen kleinen Aufpreis natürlich. Wenn es läuft, würde man eine eigene Schreibakademie anschließen. Und Kritiker ausbilden. Vielleicht als elitärer Club organisiert mit noch elitärerem Luxusbereich im Allerheiligsten.

    Ich höre jetzt besser auf. Sonst wird das noch zum Imperium. ;-)
    Spaß beiseite, ich habe mal am Aufbau einer Business-Plattform mitgearbeitet und weiß leider, was das kostet, bevor es etwas einbringt...

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  3. Warum die Öffnung, die wir in der Musik kennen, in der Buchbranche nicht so leicht läuft, kann ich dir beantworten. Ich sage es mal so bösartig, wie es ist: Weil Leute wie ich gedrillt und gezwungen werden, die Schotten dicht zu machen gegen alles, was nicht "ordentlich" verlegt ist.

    Ich nenne zwei symptomatische Beispiele: Die Qualitätspresse hat es immer noch nicht geschafft, Zuschussverlage als das zu erkennen, was sie sind - und so mancher regionale Kulturschreiber kennt auch keine Verlage. Also muss man sich ständig rechtfertigen: Ich bin ein richtiger echter Autor, ich tue nicht nur so als ob und bezahle niemanden.

    Oder Lesungen, womit unsereins ja Butter aufs Brot verdient... Da stehen beim Veranstalter aber schon fünf Tante Ernas auf der Matte, die nerven, und acht Klinkenputzer machen's umsonst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für ein existentieller Kampf das inzwischen ist, selbst von Buchhandlungen ordentlich für Arbeit bezahlt zu werden. Nicht dass die Dumpingvorleser nur unter Selbstverlegern zu finden wären, im Gegenteil; aber irgendwann denkt man nicht mehr nach und es bilden sich leider Abgründe.

    Ich glaube fest daran, dass sich diese Kluft in den nächsten Jahren immer weiter verwischen wird. Durch den Niedergang des Feuilletons in der breiten Öffentlichkeit, durch die Möglichkeiten von Social Media, und durch vom "Glauben" abfallende "richtige" Autoren (in den USA schon da). Vielleicht lernen dann Autoren aller Sorten, dass sie voneinander lernen können?

    Wegen des Ebooks lass ich mich gern beraten, wenn es soweit ist! Ich muss den Roman erst noch mal anschauen, ob ich den wirklich wieder unters Volk bringen will oder mich schämen würde...

    Sonnige Grüße aus dem Elsass,
    Petra

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  4. Ich hab ihn gelesen, Petra, kannst ihn ungeschämt unters Volk bringen!-)

    Christa

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  5. Das sind die ersten positiven Worte, die ich zu dem Machwerk zu hören bekomme. ;-) Frauenromanliebhaberinnen haben mich in der Luft zerrissen.
    Aber genau das will ich auch testen: Wie viel beeinflusst man bei einem Buch mit der richtigen oder falschen Platzierung.
    Ich finde das faszinierend, mit wenig Aufwad solch einen Testballon basteln zu können.

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  6. Du könntest ja mal eine überarbeitete Leseprobe ins Netz stellen. Und dann guck mal, was da so an Rückmeldungen zurück kommt.

    Nur eine Idee.

    Servus aus Wien.
    Richard

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  7. Liebe Frau Cronenburg,
    seit etwa 5 Jahren veröffentliche ich Bücher von mir, an denen ich wieder über die Rechte verfüge, bei BoD Norderstedt. Es sind mittlerweile 7 Bücher dort erschienen. Die Umsatzzahlen sind zufriedenstellend. Bei einem Titel sogar besser als er noch über "reguläre" Verlage lief. Spannend ist vor allem die Umsatzentwicklung. Sie verhält sich geradezu konträr zu den Verlagskurven. Die starten recht hoch und fallen dann für gewöhnlich kontinuierlich ab. Bei BoD startet der Titel enttäuschend niedrig, dafür aber steigt die Umsatzkurve kontinuierlich an – und das vor allem langfristig.
    Erfreulich ist außerdem, dass ich die Bücher nun in einem anschaulichen Layout herausgeben kann und mich nicht mit mehr über die windige Machart mancher Verlage ärgern muss.
    Viel Erfolg mit Ihrem E-Book und herzliche Grüße
    Matthias Mala

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  8. Lieber Herr Mala,
    manchmal habe ich eine extrem lange Leitung. Nach der Lektüre Ihrer Webseite weiß ich endlich, woher ich Ihren Namen kenne. Wir waren ja sogar Ur-Verlagskollegen! Dann wissen Sie auch noch von den wunderbaren alten Zeiten des alten alten Diederichs... (ich fing 1998 an).

    Sie schreiben natürlich ausgesprochene Longseller. Für die wäre jedes System tödlich, das auf Kurzfristigkeit angelegt ist. Ich sehe den Unterschied, wenn sich ein Verlag wirklich um die Backlist kümmert, beim Elsassbuch. Das fing auch zunächst enttäuschend an, bis es sich herumsprach - und hat dann ganz plötzlich alle anderen Bücher rasant überholt - bis heute.

    Bei Belletristik halte ich das für problematischer, ich rechne mal mit Kunden, die sagen: Ach, ich will auch mal Ihre erste Romanjugendsünde lesen. (@Richard: wenn, dann mach ich es gleich komplett und richtig).

    Für Wiederauflagen ist BoD nach meinen Recherchen die preisgünstigste Druckvariante. Bei Neuauflagen hat man wohl das Problem, das Richard Breuer im Interview erläutert: Presse und Multiplikatoren werden sich eher abwenden...

    Was die vielbeschworenen Verkaufszahlen anbelangt, habe ich mir mal den Spaß gemacht, nur eines meiner beiden von der Aufmachung ziemlich identischen Viola-Beer-Zitatebüchlein im Blog zu bewerben und öfter zu erwähnen. Für solche Bücher gibt es ja NULL Werbung. Ohne ins Detail gehen zu wollen, ich habe über 1000 Exemplare mehr verkauft als beim nicht beworbenen Buch. Da kann man also selbst eine Menge erreichen.

    Herzliche Grüße!

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  9. Im Unterschied zur Musikbranche ist es bei Büchern nicht möglich, sie "nebenbei" zu lesen. Das macht die angesprochene Multiplikation ungleich schwieriger.

    Musik läuft im Hintergrund und ich meine jetzt nicht die Kaufhausdudelmucke aus den Castingshows und wird trotzdem wahrgenommen. Ich sitze mit Freunden bei Rotwein auf der Terrasse und plötzlich fragt einer: "Was ist das denn für ein Song?"
    Schon hat der Interpret einen neuen Kunden.
    Das funktioniert bei Büchern so nicht.

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