roccultur: Wie im Tatort

roccultur: Beißfester als Popkultur, authentisch wie Rocco, unser französischer Korrespondent von der berüchtigten Beauceron-Berger-Belgique-Connection.
Sonderausgabe

Es ist nicht auszuhalten, wie sich meine Menschin hier im Blog selbst darstellt, fehlt nur noch, dass sie mit dem Schwanz wedelt und mit süßlichen Glubschaugen von unten nach oben guckt! Was scheint sie ach so wohlerzogen, intelligent und ordentlich gebürstet! Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Obwohl eigentlich ich den miesen Ruf weg habe. Erzählte ich ja bereits: die meisten Menschen, Körpergröße egal, haben verdammt viel Angst vor mir. Das liegt nicht nur an meinem herrlichen Organ, für das ich gern in schallverstärkenden Räumlichkeiten Koloraturen übe. Ich mag nämlich Opern. Nein, man sagt mir im Dorf nach, ich sähe aus wie ein "Leichenhund".

Ich hab genauso dämlich gefragt wie ihr jetzt: Was ist denn das? - Dann kommen sie und drucksen herum, die ängstlichen Menschen, und erzählen einen vom Pferd, pardon vom letzten Tatort. Den gucken sie nämlich auch im Elsass. Und da kämen immer so Hunde vor, also wenn die Polizei durch den Wald geht und an Flussufern und so, also so komische Suchhunde, aber keine für Drogen, also so Hunde für Leichen eben. Fernsehen verblödet, wie man an solchen menschlichen Minimaldialogen erkennen kann. Ich bin ein hochintelligenter, hochsensibler Spürhund. Absolut prädestiniert für Film und Fernsehen, weil ich auch spielen könnte, ich würde ein Spürhund sein!

Filmwechsel. Meine ach so toughe Menschin stand heute in extremer Frühe auf und hatte vergessen, ihren Kopf zu wecken. Alles machte sie zweimal, suchte sie im falschen Zimmer. Ich als Spürhund hätte ihr sagen können... aber das Vergnügen mit kopflosen Menschen hat man ja nicht alle Tage. Dann trank sie auch noch den Kaffee im Stehen, macht sie sonst nie, und wollte plötzlich Hand anlegen. Mich kämmen! Zum Glück suchte sie dann stattdessen eins von ihren vielen Ersatzaugen. Irgendwas war anders.

Obwohl ich ins Auto durfte, roch ich Lunte. Madame hielt nämlich nirgends im morgendunstigen Vogesenwald. An jedem einladenden Waldweg rauschte sie mit einem Blick vorbei, den ich ebenfalls vom Fernsehen kenne. Wenn sie nämlich aus Versehen auf eine dieser Tierarztserien zappt, die ich so liebe, wo der Tierarzt immer fesch ist und die Menschinnen gar nicht mehr weg wollen. Da zuckt's ihr immer in den Lefzen, als wolle sie gleich höhnisch bellen und irgend so einen dämlichen Menschensatz sagen wie "ach, die Realität!" Als ob beim Tatort und den Leichenhunden jemand nach Realität winselte.

In dem Moment war mir klar, dass ich gegensteuern musste. Jeden noch so kleinen potentiellen Halt am Straßenrand kündigte ich lauthals an, winselte für jeden Baum, gab in jedem Dorf genervte Quietschlaute von mir und rackerte mich hinter dem Hundegitter ab, dass sie ihr Auto nicht mehr wiedererkennen würde. Da hättet ihr sie mal erleben müssen! Nix mit gesittet und freundlich wie hier im Blog! Das Weib wurde zur Walküre. Knurrte etwas von Konzentration im dichten Verkehr. Als ich ihr zutraulich in den Nacken sabberte, ließ sie einen Schrei los, als würde man einen Mops abstechen. Und dann fuhr sie auch noch mit Karacho an den Rand, hielt an und studierte eine Landkarte!

Leider war es nicht die Wanderkarte des Vogesenclubs. Madame war nämlich eingesperrt. Zwei Vollsperrungen und Umleitungen über zig Dörfer in der absoluten Pampa, die geheime Abkürzungsstrecke ebenfalls zu. Ihr hättet sie mal sehen sollen! Ich meine, die Frau schreibt ein Buch übers Elsass, tut ständig ach so wissend - und dann braucht sie eine Landkarte, um von zuhause in die Tierklinik zu kommen! Sie hat sie ziemlich brummelig weggesteckt und ist dann doch den Schildern nachgefahren. Ich wette, sie hatte nach illegalen Strecken über die Felder gesucht.

In der Tierklinik die nächste Überraschung. Meine süße zierliche blonde Ärztin war krank. Stattdessen hatte ein Zwei-Meter-Bär von Mann Dienst. Erinnert ihr euch an die Tierarztserien im Fernsehen? Meiner Menschin hätte jetzt eigentlich das Herz höher schlagen sollen. Ich meine, in jedem Film gehen doch die Menschinnen am liebsten gleich zweimal die Woche in die Tierklinik, nur weil der Arzt ein Mann ist. Und jetzt bekam sie für die gleiche Rechnung gleich zwei Meter davon! Aber sie ahnte wohl etwas.

Ich wurde nervös, weil wir in dem winzigen Sprechzimmer allein eingeschlossen waren. Menschin hätte zwar die Tür öffnen können, aber irgendwie war sie unzurechnungsfähig. Ich hasse geschlossene kleine Räume. Ich drehe in geschlossenen kleinen Räumen durch. Also verschanzte ich mich vorsichtshalber zwischen Menschin, Behandlungstisch und Tür. Alles im Blick.

Reißt plötzlich ein riesiger Bär die Tür auf, platzt herein, als gehöre der Raum ihm. Nix mit freundlichen weißen oder grünen Filmkitteln! Der Bär ist von Kopf bis Fuß schwarz und riecht nicht nach meiner kleinen zierlichen, blonden... Und wisst ihr, was der Depp macht? Hebt den Arm und will mit seiner Hand über mich hinweg an meine Menschin! Ich hab natürlich sofort reagiert, trotz Aufregung. Ihr hättet das sehen sollen. Ein absolut festgefrorener Zweimeterbär von Mann, der ganz langsam und vorsichtig seine Waffe senkt und völlig still und abwartend bei Fuß steht. Ich hab nur noch gewartet, bis er Pudel spielt und Männchen macht. Hach, war das ein Spaß. Dabei hatte ich mich nur vor der Menschin aufgebaut, eine Sonderkoloratur in Moll hören lassen und die Zähne gefletscht. Wagner'sches Festspiel pur. Da stand er nun, der Drachentöter. Ganz klein und brav biederte er sich bei mir an. Ja, er sei wohl zu schnell ins Zimmer geplatzt und dann der Arm, das hätte er nicht... Tierärzte.

Ich war dann ganz gnädig. Hab mich streicheln und stoisch impfen lassen. Nicht mal vor der Nadel gemuckt, wie ich das bei der Ärztin immer mache, weil die dann extra viel streichelt. Und jetzt habe ich eine tierärztliche Bestätigung, dass ich wohl mal tatsächlich eine Schutzhundeausbildung bekommen hatte - in meinem früheren Leben. Ich fand's dann schade, dass der Arzt so schnell gegangen ist. Ich mochte ihn ja. Wenn er nur seinen dämlichen Arm nicht über mich gehoben hätte, zwei Meter hoch. Ich lass mich ja auch kraulen, aber von unten. Merkt euch, Männer: schwarze Klamotten sind sowas von hässlich. Habt Mut zur Farbe! Schwarz sind nämlich Aggressoren, Einbrecher, Dämlacks und zwielichtige Gestalten. Oder Tierärzte, die nicht wissen, wie man sich vorabendserienfein benimmt.

PS: Meine Menschin hat den Beitrag gerade redigiert. Sie lacht und fragt, was die beiden Männer denken sollen, die hier mitlesen und die mich persönlich kennen. Die hielten mich bisher für einen edlen Schmusebär. Aber ihr Menschen habt dafür ja einen Spruch, ihr habt für alles Sprüche... "Und ist der Ruf erst ruiniert, dann fletscht sich's völlig ungeniert!"

4 Kommentare:

  1. Wieder einmal wunderbar geschrieben :-) Danke!

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  2. Sehr geehrter Rocco!

    oder wäre es angemessener zu schreiben

    Sehr geehrter Hund Rocco!
    ??????

    Darauf haben wir gewartet! Endlich ein investigativer Beitrag in diesem Blog, in dem Sie der Menschin Cronenburg die Maske vom Gesicht reißen und Sie uns als das zeigen, was sie ist: ein brillensuchendes, manchmal fluchendes und dazu noch sich verfahrendes Wesen, das auch vor verbotenen Wege nicht zurück schreckt. Das gibt uns - den Lesern dieses Blogs - das Wissen um die Normalität unseres Alltags zurück! Für diese Entlastung danke ich Ihnen von Herzen.

    Wenn Ihre Menschin nun Sie mit Futterentzug strafen sollte, dann hinterlassen Sie hier heimlich Ihre Postadresse. Ihre treuen Fans werden Sie nicht im Stich lassen!

    Hochachtungsvoll

    Sabine, auch Mensch

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  3. Rocco divino, Sie schreiben besser als manche Zweibeiner, das muß man mal sagen.

    Und außerdem sind Sie *doch* ein edler Schmusebär (ich meine, was ist denn das für ein Tierarzt, der keine Leckerli in der Tasche hat?!).

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  4. Fröhliches Wau an alle!
    Jetzt hat hoffentlich auch der letzte gemerkt, dass ich Madames Ghostwriter bin! Aber die identifiziert sich schon so mit meinen Texten, dass sie rosa angehaucht in der Ecke steht und Komplimente inhaliert.

    Ich könnte ja noch so einiges über sie erzählen, z.B. dass sie gerade fremdgeht und für einen anderen Blog einen Beitrag übers Kulturbloggen schreibt. Sie sei nur deshalb in Zeitdruck, weil sie wieder mal 60 km für mein Futter fahren müsse. Hier schwärmt sie was vor von glücklichen Landeiern, anstatt Hühner für mein Reißzahnglück zu halten.

    @Andreas: Wird dieses Liro-Laro-Lorudingens nicht anders geschrieben? Ich bin der Meinung, da müsste eine Silbe mit "lupo" stehen...

    cave canem

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