Literatur : Fernsehen

Drehbuchautor Markus Stromiedel (Tatort, Stubbe etc.) erzählt in der FAZ, dass das Fernsehen Autoren bestenfalls wie Nummern behandelt, während Verlage sie offen wertschätzten.

Zuerst war ich erleichtert, für die richtige Branche zu schreiben, die er da derart über den grünen Klee lobt, dass jetzt wohl Massen von Drehbuchautoren denken, sie könnten mal schnell auf Buchautor umschwenken (nebenbei: beides ein völlig anderes Schreiben, das jeweils erlernt werden will). Bücher statt Fernsehen - und das Niveau ist gerettet?

Mir wurde sein Artikel dann allerdings zur Realsatire. Er mag mit seinem Bucherstling ja Glück gehabt haben, zumal man Menschen vom Fernsehen, Menschen mit Namen, in der Buchbranche gern mal hofiert. Aber was er da übers böse Fernsehen schreibt - nun, das erleben die Kollegen und Kolleginnen Buchschreiber längst genauso! Ich wünsche ihm, dass das Erwachen nicht allzu hart ausfällt...

"Der Regisseur begrüßte mich knapp und sagte dann – sinngemäß – mit Blick auf das Drehbuch, er hätte noch nie zuvor einen solchen Mist gelesen."

Ich kann zu jedem meiner veröffentlichten (!) Bücher Absagen von Konkurrenzverlagen herauskramen, die ähnlich unhöflich und inhaltlich relevant abgefasst sind. Das gehört leider zum Geschäft. Dafür beißen sich dann manche LektorInnen wohin, wenn sie einen Eco oder eine Rowling abgelehnt haben.

"Bizarr auch der 11. September 2001, als die Welt geschockt vor dem Fernseher saß und erlebte, wie in New York die Twin Towers einstürzten, während ich [...]ein Drehbuch umzuschreiben, ganz dringend und ganz wichtig."

Ich habe ganz dringend und wichtig mein Satirebuch schreiben müssen, während mein Hund starb. So what? The Show must go on...

"Nicht das Unerwartete wird gesucht, sondern das Vertraute, das Gewohnte, zwar in stets neuem Gewand, im Kern aber gleich."

Kann man auch über die Buchbranche sagen. Seit Dan Brown wird die Welt mit Mystery-Schund überschüttet, seit Harry Potter dürfen Autoren plötzlich Fantasy schreiben und wenn eine Päpstin Furore macht, kauft man am besten noch Kardinälinnen und Töchter und Nichten und Neffinnen der Päpstin dazu.

"„Frauenaffin“ ist ein Wort, das jeder für das deutsche Fernsehen Schreibende kennen muss..."

Jeder Buchschreibende ebenfalls. Selbst wenn die ach so starke, trotzdem Märchenprinzen suchende Frau gar nicht vorkommt, schreiben wir sie ins Exposé, um überhaupt noch verkaufen zu können. Ein ganzes Genre verschleißt seine Titel, indem dringend ein "-in" vorkommen muss. Und ganz besonders schlimm trifft es AutorINNEN.
Frauenaffines Bonbon aus der Mottenkiste: Mein Rosenbuch sagte ein männlicher Lektor ab. Mit der Begründung, ich würde doch recht männlich und anspruchsvoll denken, er hätte sich das anmutiger und leichter gewünscht. Nun, das Rosenbuch fand dann doch seinen Verlag, der auf Qualität statt auf Geschlechtsvorurteile schaute. Und wird von Frauen wie Männern gekauft, die sich nicht für dumm verkaufen lassen.

"Entspricht der Pitch, also der Storyentwurf, nicht den Vorstellungen des Auftraggebers, werden andere gesucht, die die Erwartungen erfüllen müssen."

Manuskripte, die dem nicht entsprechen, werden erst gar nicht eingekauft.

Ich könnte jetzt ewig so weiter machen, ich möchte aber nur noch meine Lieblingsstellen aus diesem Artikel zitieren, wo Stromiedel schöne Märchen vom Verlagswesen erzählt:

"Deshalb pflegen die Verlage ihre Autoren..."

"Anders der Lektor eines Buchverlages [...]: Er versteht sich als Begleiter des Autors bei der Suche nach der Geschichte, er steht ihm fördernd zur Seite."

Während er also die Buchbranche mit knallblauen Augen sieht, so bin ich mit ihm in doch zwei Punkten einig: Die Branche lebt von der Kraft der AutorInnen, so dass diese entsprechende Wertschätzung verdienen. Und es mangelt sowohl beim Fernsehen wie im Buchgeschäft an Möglichkeiten, dass sich mutige und innovative AutorInnen mit ebensolchen Produzenten leichter finden und vernetzen können. Ja, dieses Geschäft ist ungeheuer schwer und verlangt eine Disziplin und ein Durchhaltevermögen fast bis zur Selbstaufgabe. Ich kenne allerdings kein Medium, keine Kunst auf dieser Welt, wo das einfach wäre.

AutorInnen, die nicht für die Massenproduktion arbeiten, müssen in einem gewissen Sinn komplett verrückt sein: Sie müssen an Projekte glauben, für die sie ringsum zunächst alle auslachen. Sie müssen Durststrecken aushalten und damit leben, dass der Durchbruch nicht im Affenzahn kommt. Sie müssen manchmal bis aufs Blut schuften, bis sie auf jemanden treffen, der sie ernst nimmt. Aber mal ehrlich: Wir, die wir uns das alles ständig antun - wollten wir wirklich einen anderen Job?

PS: Kann sein, dass ich nach der Buchmesse anders rede. Dort schwirrt nämlich ein Projekt von mir herum, dass so anti-frauenaffin ist, wie ich kein anmutiges Hirnlein habe... Mal sehen... Gerade als Frau glaube ich fest daran, dass Frauen nicht so dumm sind, wie es manche Verleger und Fernsehmacher gern hätten.

Hier gibt es den ganzen Artikel.

2 Kommentare:

  1. Die Bücherbranche pflegt und hofiert ihre Autoren? Ich hau' ins Essen - wie kommt der Bub auf das schmale Brett? Eine Freundin von mir lebt auch vom Bücherschreiben, was ich da schon für üble, böse und gemeine Geschichten aus dem Autorenalltag gehört habe, brachte mir die Überzeugung nahe, der Büchermarkt ist ein Piranhabecken.

    Zu "frauen-affin":
    Das Wort allein sorgt dafür, dass mein Zwerchfell Sehnsucht nach den Mandeln bekommt.
    Nicht umsonst glauben immer wieder Blogleser, ich müsse in Wirklichkeit XY-Chromosomen haben ...

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  2. Hey Petra.

    Abgesehen davon, dass ich ewig gebrauct habe um zu erkennen, dass "frauenaffin" nichts mit Affen zu tun hat (mein fehler), hatte ich persönlich sogar immer den Einruck, dass es im Fernsehen sogar noch leichter (Nicht leicht, aber leichtER!) sei, wenigstens ein wenig innovation unterzubringen, weil die ein oder anderen fernsehschaffenden ja zumindest als Alibi VERSUCHEN, mal den ein oder anderen Testballon steigen zu lassen.

    Aber vielelicht steigen diese testballons in der Literatur auch einfach nur an mir vorbei. :)

    Liebe Grüße,
    Marco

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