Pfui!

Eben hat es einen lauten Schlag gegeben. Ein Mensch, von dem ich sehr viel halte, ist von seinem Sockel gestürzt. Als ich es im Zwischenlebenblog entdeckte, wollte ich es zunächst nicht glauben, aber die Sache ist durch den Pressesprecher von T-Home offensichtlich bestätigt: Der für absolute Integrität einstehende Marcel Reich-Ranicki hat sich als Werbefritzchen verkauft. Mit seiner Preisrede, weil die so schön Quote brachte und nun auch noch Werbegeld. Ausgerechnet an die Telekom, die ständig in Skandale um Datenklau verwickelt ist.

Dass das Konterfei einer öffentlichen Person ungefragt verwendet wird, dagegen kann diese manchmal erst hinterher klagen. Dass aber einer, der die einmalige Chance hatte, in Deutschland eine Kulturdiskussion anzufachen, der für integer und intelligent gehalten wurde - nun diese einmalige Chance ausgerechnet an die Werbewirtschaft verkauft, vorsätzlich, das ist unfassbar! Dass er es auch noch gezielt zu einem Zeitpunkt macht, zu dem die Quote und das öffentliche Aufsehen den Werbeeffekt (und sicher das Honorar) erhöhen, das schlägt dem Fass den Boden aus.

Marcel Reich-Ranicki guckt also jetzt lieber Fernsehen bei der Telekom und wird uns wahrscheinlich demnächst das Telefonbuch besprechen. Und vielleicht etabliert er ja mit dem Branchenbuch ein neues Genre an Literatur.

Nichts gegen Werbung. Wie integer die ist, beweisen die Macher ja in solchen Aktionen offen. Aber als öffentliche Werbefigur sollte man noch so viel Mumm in den Knochen haben, dass man sich überlegt, für wen man sich hergibt, womit man sich hergibt und wann. Der Literatur und Kultur hat er damit maßlos geschadet, zwar waren seine Aussagen richtig und wichtig - aber wer wird bei ihm jetzt noch am Hörer hängen nach dieser Aktion? Diese dumme, kopflose Kampagne wird alles übertönen, was wichtig gewesen wäre. Und wieder einmal triumphiert die Werbewirtschaft über die Kultur. Aber das hatten wir ja schon irgendwo...
Wer in diesem Land ist eigentlich NICHT käuflich?

6 Kommentare:

  1. Auf meinen Namen klicken, dann kann man die Werbung sehen - die Werber freuen sich über den Mann! Ironie der geschichte: Er wirbt damit für ein "Programm", das mindestens dem entsprechen dürfte, was er so harsch kritisiert.

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  2. Wie konnte er dieser seiner Sache einen solchen Bärendienst erweisen? Ich bin fassungslos.

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  3. Hallo Petra,

    das Telefonbuch hat er doch schon besprochen, siehe hier. Sozusagen die erste Zusammenarbeit von Telekom und Marcel Reich-Ranicki.

    Gruss

    Thomas

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  4. Ach, ich hinke den Zeitläuften hinterher. Aber das war wenigstens noch ein Buch...
    Jetzt kritisiert er RTL & Co. und macht Werbung fürs Dumpf, pardon T(umpf)-Fernsehen!
    Fassungslos,
    Petra

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  5. Ich verstehe nicht, wie man MRR überhaupt auf einen Sockel stellen konnte. der war doch schon immer ein Diktator für seinen persönlichen Literaturgeschmack, und dass er den neuen Literaturnobelpreisträger nicht gelesen hat, ist für ihn gleichbedeutend mit "dann ist er auch nicht wichtig". Unmöglich, schon immer!

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  6. Hallo Weltdeswissens,
    es gehört zum Beruf eines Literaturkritikers, Meinung und Geschmack offen zu zeigen, auch wenn sie unpopulär sein mögen. Rückgrat ist sozusagen Berufsvoraussetzung. Ich wäre vorsichtig, jemanden als Diktator zu bezeichnen, nur weil ich seine Meinung nicht teile!

    Machen wir uns nichts vor: Auch wenn wir einen anderen Geschmack haben mögen, auch wenn die Sache mit der Telekom ein Schlag in den Ofen war: Marcel Reich-Ranicki IST einer der letzten ganz großen Literaturkritiker, an dessen Bildung, Belesenheit und scharfem Verstand sich nachfolgende Kritikergenerationen mehr als nur eine Scheibe abschneiden können. Sein Verdienste um die Literatur in Deutschland wird der Werbereinfall nicht schmälern können.
    (Ganz ehrlich: Mir wäre es eine Ehre, von ihm auch nur verrissen zu werden...)

    Aber es geht hier nicht darum, ob man jemand mag oder nicht mag. Sachlich und objektiv gesehen sind MRR und Heidenreich Menschen, die im Fernsehbetrieb eine Stimme haben - und die sich beide für die Literatur krummlegen. Egal wie, sie haben immer wieder die Leute zum Lesen von Büchern gebracht, die nicht in Stapeln in Kettenkaufhäusern ausliegen, die anspruchsvoll sind, die als Klassiker verpönt waren.

    Und wenn man diese beiden schon nicht mehr ernst nimmt (wofür es bei den Intendanten Anzeichen gibt), dann sieht es für uns Schriftsteller in Zukunft schlimm aus in Deutschland.

    Grüße,
    Petra

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