Verschlimmbessert?

Eben meldet der Merkur, bei Reich-Ranickis Werbung für die Telekom habe es sich um ein Missverständnis gehandelt. Er wird zitiert: "Ich habe gar nicht gewusst, um was es geht, die haben es ein bisschen undeutlich gesagt." Außerdem will Marcel Reich-Ranicki plötzlich nicht mehr das Fernsehen an sich kritisiert haben, sondern nur die Galaveranstaltung zum Fernsehpreis.

Als Journalistin bin ich vorsichtig, wenn ich etwas in der Zeitung lese. Ich weiß, wie schnell falsch zitiert und geschummelt wird. Ich weiß aber auch, dass man einen Pressesprecher nicht zitieren kann, wenn er etwas nicht gesagt hat. Und der hat das Honorar bestätigt. Honorar fließt für Werbung nur, wenn es einen Werbevertrag gibt - und sei er mündlich abgesprochen. Hand aufs Herz: Wer würde einen Vertrag mit einem nuschelnden Partner machen? Wir werden doch im Fernsehen immer davor gewarnt, uns nicht auf windige, am Telefon aufgeschwatzte Verträge einzulassen? Da fragt man doch nach? MRR hat nicht das erste Mal für die Telekom geworben - er musste doch wissen, worauf er sich einlässt?

Und wir dummen Kulturschaffenden hatten uns eingebildet, endlich werde einmal das Fernsehen kritisiert. Ätschebätsch, reingefallen. War nur ein schlechter Abend.
Wozu haben wir dann die Sendung mit Gottschalk gebraucht? Warum ist Elke Heidenreich beigesprungen und hat sich so weit aus dem Fenster gelehnt? Was haben wir eigentlich beklatscht? War das auch alles nur ein Missverständnis?
O - si tacuisses...

Heute bin ich wirklich vollkommen fassungslos. Ich BEGREIFE es nicht.

8 Kommentare:

  1. Auch hier überrascht mich deine Überraschung...

    Reich-Ranicki hat, wie gesagt, schon am Sonntag oder Montag betont, ihm habe die Show nicht gefallen! (Und auch die Heidenreich hatte ursprünglich nur die Show kritisiert. Zitat: "Man will Hollywood sein, ist aber dch nur Köln-Ossendorf." )

    Das Problem war seine doppelte Aussage: Seine Verweigerung des Preises ist sicherlich dahingehend zu verstehen, dass er sich a dem Abend nicht als Teil dieser Fernsehmaschinerie gesehen hat.

    Seine Worte "Das ist alles Blödsinn hier" waren aber tatsächlich nur auf die Show gemünzt. Schon am gleichen Abend wurde doch stets gesagt, man hätte ihm halt nicht die albernen Köche, den Atze Schröder und vier Stunden auf einem harten Stuhl zumuten wollen.

    Zu einer Kritik am Fernsehen und einer (längst nötigen) Debatte darüber wurde das alles aber erst ab Montag Nachmittag.

    Einige haben es falsch verstanden und schließlich sind alle, Reich-Ranicki und Heidenreich gleich mit, auf diesen Zug aufgesprungen.

    Siehe dazu meinen letzten Blogeintrag über die Zersplitterung. :)

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  2. Hallo Marco,
    meine Fassungslosigkeit bezieht sich auf die unselige Verquickung mit der Werbung, zumal es sich dabei auch um ein "Fernsehen" handelt wie das angeprangerte. Ich bin überrascht, wie man in seiner Position die wohl größte Chance einer Kulturdebatte im deutschen Fernsehen auf solche Weise zunichte machen kann.

    Natürlich hat er zuerst nur die Show kritisiert - implizit mit der Kritik an den Auftretenden und seinem Ausschluss (er gehöre da nicht dazu) aber durchaus das Programm der Sender, das aus eben diesen Atzes und Köchen besteht! Er hätte sich, wenn es tatsächlich nur um die Show gegangen wäre, nicht auf die Sondersendung am Fr. einlassen brauchen!

    Mich überrascht inzwischen zusätzlich, dass plötzlich alles nicht mehr so wichtig, so auf den Punkt, so groß gedacht war...

    Aber nein, ich muss mich verbessern. Mich überrascht inzwischen eigentlich nichts mehr.

    Schöne Grüße,
    Petra

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  3. Was die Show am Freitag betrifft: Natürlich hat Reich-Ranicki AUCH das Fernsehen als solches kritisiert.

    Das war eben eine Verquickung verschiedener Kritiken.

    Du darfst eines nicht vergessen: Seine Preisverweigerung und seine Rede waren eine spontane Entscheifung. Er hat in den vier Stunden, die er da saß, seine Meinung geändert und gebildet und einfach nur gesagt, was ihm durch den Kopf ging. Deshalb wirkt die Rede auch so konfus.

    Und was die Werbung angeht: Himmel, der Mann ist immer noch 88 Jahre alt! Auch wenn er dafür noch recht fit im Kopf ist. Aber wenn die Telekom (!!) anruft, und ihm erzählt, sie würden gerne mit seinem Bild eine Werbung übers Fernsehen machen, kann man ihm verzeihen, falls er nicht den Schluss zieht: "Oh, die machen mit mir eine Werbung für einen digitalen Fernsehsender, der über die Telefonleitungen verteilt wird und nur Schund sendet!"

    Nicht, nachdem die ganze Woche über vermutlich alle zehn Minuten irgendwer bei ihm angerufen hat und irgendwas wollte, und die Redaktionen von 500 Zeitungen ihm auf den Zehen stehen und mit Fragen löchern.

    Auch wenn ich das als Einziger so sehe: Ich bin bereit, einem 88-Jährigen nach einer so stressigen Woche zuzugestehen, Fehler zu machen, und mich nicht daran zu stören!

    Weißt du:

    Helmut Schmidt ist 89, und aufgrund seines Alters (und seiner Verdienste) ist das ganze Land bereit, ihm seine sturköpfige Verweigerung des Rauchverbots nachzusehen, mit der er immerhin wissentlich geltende Gesetze bricht!!! (Und damit argumentiert, für ihn würden die ja wohl nicht gelten, nä!?!), aber Reich-Ranicki darf mit 88 und nach SEINEN Verdiensten keine alberne Werbung machen, ohne gleich gesteinigt zu werden??

    Manchmal sind mir die MENSCHEN unbegreiflich!!

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  4. Marco, ich steinige niemanden. Mich macht's eher traurig, dass die Kulturdiskussion damit so ad absurdum geführt wurde. Und irgendwie bereitet es mir Unbehagen, dass nicht nur du das Bild vom Tattergreis heraufbeschwörst. Das wird nämlich bereits seit der Preisverleihung von einigen Fernsehmachern aktiv dazu verwendet, um dem Publikum zu signalisieren: Guckt mal, der Mann ist doch nicht mehr ernst zu nehmen, der ist alt und out sowieso.

    Ich bin mir sehr bewusst, dass alles nicht so simpel ist, wie es in einem auf den Punkt gebrachten Kolumnenbeitrag klingen mag.
    Ich weiß auch nicht, wie ich reagieren würde, wenn mein Telefon dauerklingelte (wahrscheinlich würde ich den Anrufbeantworter einschalten). Natürlich kann man fehlreagieren - aber als öffentliche Person kann man das halt leider nicht mehr unbeobachtet und unkommentiert...

    Ich spiele ungern Kassandra, aber ich fürchte, genau dieses Altersargument wird jetzt von den Intendanten verwendet werde, weiter auf ihr "junges" Programm zu setzen... Nichts wird sich ändern, gar nichts...
    Ich bin da ganz deiner Meinung, wenn du vom "Zerfasern" einer Diskussion sprichst. Man kann eigentlich alles machen oder sagen, was man nur will - es wird immer gegen einen verwendet werden. Immer "divide et impera", zerfasere die Diskussion, baue Nebenschauplätze auf, lenke ab. Und das dumme Publikum vor der Glotze blickt nichts mehr und schluckt darum weiter brav...

    Schöne Grüße,
    Petra

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  5. Naja, von Tattergreis habe ich ja nicht gesprochen.

    Es ging mir nur darum: Es ist ab einem gewissen Alter nicht mehr so einfach, in einer modernen Welt zurecht zu kommen. Das hat mit "Senilität" oder "Tattern" nichts zu tun.

    Auch dein "zerfasern" gefällt mir nicht, weil du es so darstellst, als wäre die Diskussion von irgendeiner zentralen Stelle zerfasert worden, um abzulenken.

    Genau das Gegenteil ist jedoch passiert. Die Leute im Volk haben doch jeder eine völlig andere Debatte geführt! Die einen über Kultur, die anderen über die Preisverleihung, wieder andere über das Fernsehen, die nächsten über Senilität.

    Das kam ja nicht von irgendwelchen Intendanten oder Caesaren, das kam aus dem Plebs, also dem "dummen Publikum vor dem Fernseher" selbst!

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  6. Hallo Marco,
    ist mir schon klar: Du meinst die öffentliche Diskussion im Publikum selbst, die wir vielleicht noch in Blogs mitbekommen, sonst aber eher im echten Leben (z.B. beim Friseur).

    Ich rede hier in meiner Kolumne aber tatsächlich von der öffentlichen Kulturdiskussion, die immer in den Medien stattfindet - und die wird ausschließlich von Beteiligten und vom Feuilleton gemacht, da wird der Plebs, wie du sagst, allenfalls mal kurz interviewt. Wir reden also von zwei verschiedenen Dingen - sorry, dass ich dein Wort dahin entführt habe...

    Schöne Grüße,
    Petra

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  7. Ja, Petra, da ist etwas Schönes angesprochen: Seit wievielen Jahren warte ich jetzt darauf, dass die Kulturbeutel (in den Sendeanstalten) vielleicht doch auf die Idee kommen, MIT den Konsumenten zu sprechen.
    Wir wollen nicht geschätzt werden (via fragwürdiger Statistik), wir wollen geschätzt werden (geschätzte Meinung). Und zwar richtig, ernsthaft und mit Konsequenzen.
    Hugh, ich war jetzt mal Volkes Stimme. Hoffe ich.

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  8. Hoffentlich eine gehörte, Buchstäblich!
    Gefällt mir, der Satz mit dem "geschätzt".
    Ich treffe bei meiner Arbeit immer häufiger auf Menschen, die das so empfinden wie du. Aber Buch und Film sind inzwischen Waren wie Zahnpasta, also denkt man, ein wenig billige Marktforschung tut's auch. Wenn Buch A gut verkauft wird und Film A viel geguckt, dann heißt das im Umkehrschluss, alle wollen nur noch sowas.

    Ich habe gestern mit einem Kollegen geträumt, wie man Umkehrungen schaffen könnte, aber unsere Idee scheiterte am Redaktionsstab von etwa fünf bezahlten Profis und dem Anfangskapital... Aber andere werden Ideen verwirklichen.

    Schöne Grüße,
    Petra

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