Elefantentreffen
Ich war wirklich überrascht. MRR war Tagesgespräch im Friseursalon. Raumfüllend, gruppenübergreifend. Da saß und arbeitete nun also dieser Durchschnitt von Bevölkerung, für den Thomas Gottschalk Fernsehen macht, für den Reich-Ranicki gern mehr Anspruchsvolles hätte - und für den unsereins wahrscheinlich Bücher schreibt. Die Meinung war einhellig. Ob die Anwesenden nun MRR mochten oder nicht: Endlich hat mal jemand laut die Wahrheit gesagt. Die anderen duckmäusern ja immer. Stimmt doch. Recht hat er. Klasse. Aber ob sich was ändern wird?
Und der Gottschalk, wenn der gedurft hätte, hätte er wahrscheinlich noch mehr ausgepackt mit seinen Quotenzwängen und den tiefen Ausschnitten nebendran, die er braucht, damit ihm jemand zuhört. Der würde vielleicht auch lieber noch was anderes machen, wenn er es sich leisten könnte. - Lautes Gelächter - Ja, mit Niveau verliert man ja sofort den Job, hahaha, da muss man erst Rentner werden, dass man den Mund aufmacht.
Volkes Stimme wurde aber noch besser. Als das schundige Fernsehen, das erst ab Mitternacht "G'scheites" bringe, durchgehechelt war, kam die Buchmesse dran. Bücher. Ist doch wie im Fernsehen, die halten uns doch sogar als Leser für zu doof! Früher hat man noch Bücher weggefressen wie nichts, heute muss man sich bei manchem Schund schon nach drei Seiten zwingen. Zwei Friseusen äußerten ihren Unmut, dass Frauen für besonders bekloppt gehalten würden. Glauben die eigentlich wirklich, wir sind so strunzdumm, dass wir dauernd diese Powerweib-findet-Märchenprinz-Stories wollen mit rosa Happy End? Wir sind doch auch im echten Leben nicht so doof mit den Männern, warum sollen wir so was lesen?
Hört, Hört... das war also der ganz normale Bevölkerungsdurchschnitt und in etwa so gestreut wie angeblich Buchkundschaft: 98% Frauen. Ein vollkommen schweigender männlicher Kunde (Männer lesen nicht?), der in sich hinein kicherte und sich sichtlich nicht zu Widerworten traute. Und der einzige Coiffeur applaudierte dem MRR auch. Nirgends, wirklich nirgends ein Wörtlein, wie man es unter Autoren im Internet immer findet, wenn verteidigt wird, dass Menschen den 1001sten Abklatsch eines Seichtromans wollen. (Vielleicht bin ich auch nur beim falschen Friseur?)
Was soll ich sagen? Bei all diesen Verzweiflungsrufen nach mehr Intelligenz und Niveau in Fernsehen und Buch bekam die Autorin auch noch eine Kopf- und eine Handmassage. Jetzt bin ich nicht nur runderneuert, sondern bereit zu neuen Untaten. Liebe bewundernswerte Leserinnen und Leser - ich werde mich ganz besonders für euch anstrengen, wenn ich ab Mo. wieder in die Tasten haue! Und eure Wünsche in der Verleger Ohr!!!
Ich sach's ja. Und ich sage es ja nicht seit Jahrzehnten, weil ich mit niemandem rede. Der Zwölfjährige meiner Nachbarin empfindet Galileo als unter seiner intellektuellen Würde - der ist Hauptschüler.
AntwortenLöschenHilfe, Dr. Buchstäblich-Seltsam reitet auf einen Überschallbesen! ;-)
AntwortenLöschenIch war schon erstaunt. Als Autor unterliegt man ja oft einer Gehirnwäsche, was Publikum angeblich will...
AAAAaaaah!
AntwortenLöschenEs gehört zwar eher zu "Verengte Sicht", paßt aber hier genauso gut:
Ich hab mir eine Literatursendung im Fernsehen angetan, Petra!
Buchmesse, dachte ich, das wird doch sicher mal was anderes, mal interessanter....
Nach einer halben Stunde konnte ich's nicht mehr ertragen. Hilflos stotternde Kritiker, die an ihrer eigenen Wichtigkeit schier ersticken, oder solche, denen man nach wenigen Minuten wünscht, der Ruf des Herrn in ein Trappistenkloster möge sie ereilen; ein Moderator, der sich in Kindergartenwitzeleien gefiel, und mit allerlei Schnickschnack aufgepeppt werden mußte das Ganze natürlich auch (man war schon dankbar, daß keine Ratespielchen oder fröhliches Literatureiersuchen veranstaltet wurde).
Daß intelligente Menschen über intelligente Bücher intelligent reden.... ach nee, das scheint wohl unmöglich.
Hallo Jan,
AntwortenLöschenauch auf die Gefahr hin, dass mein Konterfei dadurch nie im Fernsehen zu sehen sein wird, verrate ich eine Anekdote. Als Feuilletonjournalistin in jungen Jahren war ich auch für Fernseh- und Literaturkritik zuständig und hatte offensichtlich den Ruf, bissig zu sein...
So kam mir auch eine Literatursendung zu später Stunde unter die Augen. Ich schrieb damals etwas über Schlafpantoffeligkeit... Prompt lud mich der Sender vor, pardon ein, mit ihm und dem Intendanten öffentlich darüber zu "talken".
Mein Chef hat mir damals zum Glück vehement abgeraten, ich würde als "Minderheit" nur in der Defensive stecken. Und ich war ja nur ein blutjunger Noname gege zwei Etablierte.
Ich schmunzle noch heute. Schon für die nächste Ausstrahlung war der Moderator beim Friseur gewesen und hatte eine neue Krawatte. Die Sendung hat sich seither rapide verbessert.
Auch wenn sich Kritiker unbeliebt machen und man angeblich nicht auf sie hört, Kritik hilft. Wir Autoren müssen uns ja auch ständig damit auseinandersetzen.
Schöne Grüße,
Petra