Haut rein!

Eigentlich sollen Klappentexte Leserinnen und Leser ein Buch schmackhaft machen. Aber werden sie je danach gefragt, was sie auf einem Buchrücken wirklich lesen wollen?
Wenn schon neue Wege gehen, dann richtig. Ich lasse mir ins Handwerk schauen und stelle drei Versionen eines Klappentextes zum Nijinsky-Projekt vor. Damit nicht genug: Ich frage hiermit meine Leserinnen und Leser, ob sie Version 3 (der Weisheit vorläufig letzter Schluss) tatsächlich neugierig auf das Buch macht? Was könnte ich mir sparen, was ist Gesülze, wo steigt man aus? Birgt vielleicht eine alte Version den besseren Kick? Es darf tüchtig kritisiert werden, ich höre mir neugierig alles an.

Version 1

Das war der - von mir verfasste (ich mache das auch für Verlage) - ursprüngliche Text der Buchvorschau für die Buchhändler. Für einen Klappentext zu lang - da wäre einfach tüchtig gekürzt worden. Zum Lesen / Vergrößern anklicken (jetzt lesbar!):


Version 2

Spart euch das Kritisieren hier. So sieht ein Text aus dem Mülleimer aus, bei dem die Autorin versucht, aus Version 1 eine kürzere und populärere Version zu stricken - und den üblichen Stuss produziert. Die Streichungen und Neuanläufe sind original! Diese Version 2 gibt es in mindestens 5 grausamen Varianten, in denen ich mir darüber klar zu werden versuchte, worauf es ankommt. Ideal, um zu lernen, wie Klappentexte garantiert nicht funktionieren:
Isadora Duncan wollte ein Kind von ihm... blablabla... Der erste Weltstar des Balletts und beste Tänzer des 20. Jahrhunderts verkehrte mit dem Aga Khan, der Marchesa Luisa Casati oder dem Bloomsbury Kreis um Ottoline Morrell: Vaslav Nijinsky, der Star von Sergej Diaghilews Ballets Russes, versetzte mit seinen scheinbar schwerelosen virtuosen Sprüngen und einem legendären androgynen Charisma das Publikum in Rauschzustände. Mit seinen gewagten Choreografien provozierte er die größten Skandale der Theatergeschichte. Von Nijinskys Rollen und dem Gesamtkunstwerk der Ballets Russes an seiner Seite Igor Strawinsky... VN und die BR beeinflussten die Avantgarde Schwindelnde Höhen erreichte sein Ruhm...
Version 3

Das ist sozusagen die Endversion fürs Überarbeiten, Feilen und vielleicht Kürzen - und jetzt erst einmal zum Kritisieren! Der Text wird später auf dem Buchrücken stehen, Klappen gibt es in dem Sinne nicht, weil das HC keinen Schutzumschlag haben wird. Die Autorenkurzbiografie wird man vorn im Buch lesen können.
Isadora Duncan wollte ein Kind von ihm. Charlie Chaplin und Rudolph Valentino ließen sich von ihm inspirieren. Die Pariser Modewelt um Louis Cartier, Paul Poiret, Coco Chanel und Guerlain produzierte passend zu seinen Rollen. Der erste Weltstar des Balletts feierte mit den Berühmtheiten der europäischen und russischen Avantgarde, lebte mit einem Mann und heiratete eine Frau.

Vaslav Nijinsky (1889-1950), der Startänzer der Ballets Russes, versetzte sein Publikum mit virtuosen Sprüngen und androgynem Charisma in Rauschzustände. Seine gewagten Choreografien provozierten Skandale. Doch auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stürzte der Tänzer ab: Eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie, zweifelhafte Diagnosen und Therapieexperimente trieben seine Seele in den Rückzug.

Petra van Cronenburg sucht nach einer Annäherung an den Künstler und Privatmenschen zwischen den Extremen, zwischen höchstem Ruhm und tiefster Tragödie, zwischen Erfüllung und Leid. Sie erzählt von einem Menschen, der nur für die Kunst lebte und ohne Kunst nicht lebensfähig war. Welche Faszination Vaslav Nijinsky noch heute als Tänzer, Choreograf, Zeichner, Autor und psychisch Kranker ausübt, loten Gespräche mit dem Choreografen XX und dem Kurator YY aus.
Welche aufregenden Menschen ich hier interviewt habe, werde ich natürlich erst ein wenig später verraten...

9 Kommentare:

  1. Ich finde es wunderbar geschrieben. An zwei Sachen stoße ich mich etwas. ... trieben seine Seele in den Rückzug. Rückzug hört sich komisch an, sehe ich mehr als Bewegungswort als zu einem Ort hingetrieben... vielleicht Abgrund?

    Privatmensch gefällt mir nicht, klingt zwischen den anderen Wörtern so nichtssagend. Ich würde Privatmensch weglassen, und Künstler näher charakterisieren, bizarrer Künstler, so wäre auch eine charakteristische Eigenart drin. Oder ... und Privatmenschen zwischen den Extremen ganz weglassen, die Extreme werden ja dann aufgezählt und müssen nicht vorher angekündigt werden.

    Viel Glück mit dem Buch.

    Henny

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  2. Super, danke - nur weiter so! Ich werde zu den Kommentaren nichts sagen, sondern sie still und intensiv im Schreibkämmerchen abwägen. Und natürlich werdet ihr erfahren, was dabei herausgekommen ist!

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  3. Ich hab bei dem ersten Absatz so ein Bild vor ein paar Jahren im Kopf, als Sven Hannawald die Vierschanzentournee gewann: „Hanni, ich will ein Kind von dir!“ stand auf einer Stoffbande, die ein paar blutjunge Mädels kreischen über ihren Kopf hielten. Um dieses Bild zu verstärken würde ich – analog zu den anderen beiden Sätzen – versuchen umzustellen, damit alle Sätze mit Namen anfangen:

    Louis Cartier, Paul Poiret, Coco Chanel, die ganze Pariser Modewelt ließ sich von ihm inspirieren und Guerlain produzierte passend zu seinen Rollen.

    "Privatmensch" gefällt mir auch nicht, "der private Mensch" fände ich besser....

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  4. Ah, das ist schon ganz gut! :)

    (Version eins ist übrigens - ohne Tricks - nicht zu lesen, zu klein, macht aber ja nichts).

    Also: Einziger Kritikpunkt - zu lang.
    Nicht viel, nur ein paar kleine Kürzungen.
    "Modewelt" - vier Namen; ich finde, da genügen zwei, Chanel und Guerlain, wäre mein Vorschlag... Paul Poiret sagt mir überhaupt nichts.

    Und die beiden Modenamen könntest du dann noch mit in den ersten Satz packen.

    Den zweiten Absatz find ich gut, im dritten würde ich nur "zwischen Erfüllung und Leid" streichen, das finde ich ein bißchen zu viel.

    Fröhliches Feinschleifen!

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  5. Statt Rückzug:

    Stille
    Verborgenheit
    Schweigen
    Abkehr
    Tiefe
    Isolation
    .....oder so.....

    Zu lang finde ich den Text übrigens nicht.

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  6. Bild in Version 1 ausgetauscht (danke Jan!) - sollte jetzt lesbar sein

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  7. Ja, jetzt kann man's lesen.
    Und da springt mir natürlich gleich "Gott des Tanzes" ins Auge.

    Kannst du dir vorstellen, das zu übernehmen? Vielleicht als Überschrift, fettgedruckt, über dem Klappentext?

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  8. Saskia Heinen21/3/11 19:11

    Ich find den Text gut, würde aber auch kürzen, allerdings nicht im ersten Absatz. Im letzten nach "Extremen" Rest des Satzes weglassen. Das ist vorher schon sehr gut klargeworden.

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  9. Ich bin ganz überwältigt, was da an tollem und hilfreichem Feedback kommt (auch per Mail) - warum habe ich das früher nie öffentlich gemacht??? Eigentlich ist in jedem Beitrag ein wertvoller Hinweis zumindest auf Stellen, wo LeserInnen stolpern könnten.

    Ich denke, dieses Beispiel könnte auch anderen sehr gut zeigen, auf welche Weise LeserInnen reagieren - und dann im 2. Durchlauf - worauf man hören sollte und wo man den eigenen Kopf behalten kann.

    Im Moment kann ich mich nur ganz herzlich bedanken, die Anregungen müssen sich über Nacht erst einmal setzen und es bleibt ja noch Zeit für weitere Kommentare - sind nicht alle so schnell.

    Ich habe nämlich im Moment das Vergnügen, über den endgültigen Font auf dem Cover zu entscheiden und bin nach 14 gesenkten Daumen und 6 bleibenden Möglichkeiten erst einmal typografieblind für den Rest der Nacht...

    Mein Tipp für alle, die Ähnliches tun: Genug Zeit einplanen! Man muss solche Entscheidungen immer wieder überschlafen.
    Danke!
    Petra

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