Für Frauen und Männer: Literatur

Die deutschsprachige Abteilung von Café Babel macht sich anlässlich des Weltfrauentags Gedanken um die Gender-Gerechtigkeit in der Literatur.
Was Kris Anderson da schreibt, klingt auf den ersten Blick einleuchtend: Die Literaturwelt ist ungerecht. Männer teilen sich die meisten Preise und hieven Männer ins Feuilleton, während die Frauen ins Chick-Lit-Fach abgeschoben werden. Chick Lit sind sogenannte "Freche-Frauen-Bücher", zu denen es als Einsteigerdroge auch rosa "Freche-Mädchen-Bücher" gibt. Meist auf dem Niveau von Vorabendserien geschrieben, transportieren hier vornehmlich Frauen ein äußerst zweifelhaftes Menschenbild: Frauen suchen zwar immer noch hemmungslos nach dem Märchenprinz fürs Leben, sind aber dazu auch noch verdammt schön, verdammt schick und verdammt berufstätig in ebenso verdammt angesagten Berufen. Der Märchenprinz steuert vor allem sein prächtiges Einkommen bei und ist ein Frauenversteher mit starken Armen - schließlich muss er auch den Müll heraustragen.

Das ist genau der Punkt, der mir als Autorin und Leserin aufstößt: Chick Lit ist nun mal keine Literatur, Frauenliteratur schon gar nicht. Jede ernsthafte Frauenromanautorin wird bekennen, dass sie für die Unterhaltungsbranche schreibt. Für die gibt es bekanntlich kaum Preise (dafür verdient man dort eben besser) - und weniger Platz im kunstbeflissenen Feuilleton (aber dafür mehr bei Brigitte & Co.).

Ich möchte doch lieber fragen, warum es in unserer der Gleichberechtigung zustrebenden Welt immer noch hip ist, wenn Frauen weiter in Massen reaktionäre Geschlechterrollen durch Romane in die Leserschaft transportieren. Wohlgemerkt - solche Romane werden von einem Heer von Frauen geschrieben und fast ausschließlich von Frauen eingekauft. Wäre es nicht an der Zeit, die eigenen Ideen einer ausgeglichenen, modernen Welt auch einmal fiktiv zu erdenken? Könnte man nicht auch Unterhaltungsromane mit einem Blick auf Gesellschaft und Politik gestalten, anstatt immer nur eines im Sinn zu haben: am Ende irgendeinem Superlover (stets männlich, versteht sich) an die Brust zu sinken?

Natürlich kann man sich für ein Genre entscheiden. Und offensichtlich entscheiden sich sehr wenige Frauen für den harten steinigen Weg der Literatur, der einen nicht unbedingt familienkompatibel macht. Also bitte nicht jammern: Wenn wir tatsächlich mit den gleichen Begabungen auf die Welt kommen, dann ist es an uns, diesen auch gerecht zu werden.

Die Studie der BücherFrauen hat gezeigt: Die Buchwelt wird im deutschsprachigen Raum ganz eindeutig von Frauen für Frauen gestaltet. Wir haben also selbst in der Hand, was wir daraus machen, zumal das Feuilleton ohnehin nur noch eine Minderheit von Literatur bespricht. Programmchefinnen und einkaufende Lektorinnen: Was tut ihr dafür, dass Geschlechterrollen neu oder anders gedacht werden, dass Genregrenzen aufgebrochen werden dürfen und Autorinnen auch so verlegt werden, dass sie ernst genommen werden? Autorinnen: Wie leicht lasst ihr euch kaufen und bezirzen und wie taff setzt ihr wirklich euren emanzipierten Kopf durch? Wie kritisch hinterfragt ihr eure eigene Einstellung zu Geschlechterrollen?

Ich darf so frech fragen. Ich darf auch so frech kritisieren. Habe ich mich doch schließlich selbst einmal kaufen lassen. Zur "echten" Literatur hatte es nicht gereicht und das Umbügeln zum Frauenroman wurde fünfstellig belohnt. Ich weiß, wie leicht es ist, ein Happy End zu erfinden, damit man "dazugehören" darf. Ich weiß aber auch, wie sich das anfühlt, wenn man plötzlich in der völlig falschen Schublade sitzt. Niemand hat mich dazu gezwungen, nur weil ich eine Frau bin. Ich war selbst so blöde, völlig geschlechtsunabhängig.

Und warum schreiben so wenige Frauen "echte" Literatur, die dann auch Preise gewinnt und ins Feuilleton kommt? Da habe ich mir einmal den abschreckendsten Satz notiert, den ich mir vorstellen kann. Ein Zitat, das mich zeitlebens daran erinnern soll, ja nicht so zu werden:
"Welch großes Werk hätte ich schreiben können, wenn nicht Söhne, Schwiegertöchter, Ehemänner, Stiefkinder, Patenkinder und große wollige Hunde mich lebenslang daran gehindert hätten." (Asta Scheib)
Übrigens ist das eine Gendertheorie von mir: Das Rollenbild vom Künstler, der sich selbst verwirklicht und vom Partner den Rücken freigehalten bekommt, welcher auch alles zur Unterstützung der Karriere tut - das funktioniert leider noch am ehesten in der Kombination Künstler = Mann. Umgekehrt kommt es recht selten vor - die Lebensläufe vieler Literatinnen sprechen Bände.

Ich kann da nur sagen: Frauen, jammert nicht über Frauenquoten in Büchern, ermächtigt euch endlich selbst! Literarisches Schreiben und Talent haben absolut überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun. Aber es kommt nur angemessen in die Öffentlichkeit, wenn frau mit eisernem Willen ihr Ziel verfolgt!
Vielleicht sollten wir Frauen aber auch einfach nur für eine Männerquote in den Lektoraten kämpfen? - Es wäre an der Zeit.

6 Kommentare:

  1. Man darf sich auch mal die Frage stellen, ob Männer sich öffentlich gegenseitig so kritisieren, wie Frauen andere Frauen kritisieren.

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  2. Ach das kann man jetzt aber als zickigen Kommentar interpretieren, wird mir soeben klar. Das ist so nicht gemeint.
    Soll heißen, warum denken wir Frauen scheinbar mehr über Dinge nach, die man zunächst nicht wirklich ändern kann, anstatt einfach zu arbeiten - in diesem Fall zu schreiben?
    Alleine das Nachdenken über Dinge - ob objektiv oder nur subjektiv so empfunden ist eine echte Bremse.

    Gestern habe ich noch etwas Wahres von einer Frau im Fernsehen zum Weltfrauentag gehört. Diese Frau arbeitet in der medizinischen Forschung. Auf die Frage aus dem Publikum (von einem jungen Mädchen), ob und welche Hürden sie überwinden musste und wenn ja wie sie das gemacht hat, als Frau so weit zu kommen (auch als Asiatin, die zwischen der asiatischen Frauenwelt u. der westlich orientierten Welt aufgewachsen war). Sagte sie: Man ist selbst dafür verantwortlich, ob und wie man seine Pläne verwirklicht.

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  3. Der Frauentag war für mich immer so etwas wie ein zweiter "Muttertag"-einen Tag lang wird geredet, den Rest des Jahres nichts getan.
    Madam schrieb: "Man darf sich auch mal die Frage stellen, ob Männer sich öffentlich gegenseitig so kritisieren, wie Frauen andere Frauen kritisieren."

    Das erinnert mich an meinen ersten Roman, der im Feuilleton der SZ von einer Frau besprochen wurde. Ich konnte nicht umhin zu denken, sie mache sich ein wenig über mich lustig (über alle andern allerdings auch). Zwei jahre später war das Buch verschwunden, und dieser Weg war mir dann forthin zu steinig, ehrlich gesagt.

    Herzlichst
    Christa

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  4. @Madam
    Ich weiß nicht, ob man die erste Frage so pauschal beantworten kann, weil es bei öffentlicher Kritik jenseits des Geschlechts oft eher um Hierarchien, Nachdenken-Über etc. geht - und weil man zuerst klären müsste, was unter Kritik verstanden wird. Männer gehen z.B. meist lockerer mit Sachkritik um, ohne sie persönlich zu nehmen. Ich schreibe hier z.B. eine Polemik für die Männerquote trotz der Tatsache, dass ich für mehr Powerfrauen in den Berufen bin. Ist das weiblich oder männlich? ;-)

    Dann ist dieses Nachdenken wohl auch kulturell bedingt unterschiedlich. Ich empfinde nach über 20 Jahren Frankreich die Emanzipationsdiskussion in D. teilweise befremdlich, muss mich da sehr eindenken. Ich finde es aber auch befremdlich, wie man im Nachbarland unendlich Dinge zerdiskutieren kann, anstatt einfach mal zu handeln. Man sieht das schön an den Unterschieden in Streik- und Demonstrationskultur.

    Aus dieser Sicht glaube ich tatsächlich, dass sich die Frauen viel zu wenige Rechte NEHMEN, sich viel zu wenig selbst ermächtigen - und das in einer freiheitlichen Luxusgesellschaft. Könnten wir viel aus der Dritten Welt lernen.

    Trotzdem muss ich dir aus eigener Erfahrung widersprechen: In den meisten Fällen - dazu gibt es viele Studien - müssen Mädchen mehr leisten und beweisen als Jungs, um zu studieren und später in gewisse Stellungen zu kommen. Anderer Hinderungsfaktor speziell in D: Mangelnde Kinderbetreuung und das Märchen von der Rabenmutter. Dazu kommt, dass Männer, etwa in der Wirtschaft, ganz andere Seilschaften für die Jobvergabe haben - da müssen Frauen sehr aufholen.

    Aber natürlich gibt es diese wunderbaren Ausnahmebeispiele wie diese Wissenschaftlerin und es ist an uns Frauen, nicht auf bessere Zeiten zu warten, sondern sich jetzt und hier durchzusetzen.

    Ich empfehle die Lektüre des Artikels "Macht Scheitern stark" von der Frauenwoche, wo ich meinen Lebenslauf untersucht habe, inwiefern der Faktor "Frau" eine Rolle spielte. Meinen Namen anklicken oder:
    http://cronenburg.blogspot.com/2011/01/macht-scheitern-stark.html

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  5. Christa, du hast dich aber hoffentlich nicht nur von solch einer Kritik abschrecken lassen?

    Ich überlege gerade, wie das bei mir ist: Ich bevorzuge knallharte, sachliche Kritiken, die wirklich zum Punkt kommen - daraus kann ich lernen (schlimmstenfalls etwas über den Kritiker). Was ich nicht abkann, ist das Psychogedudel mancher Menschen im Vorfeld à la "tritt mir nicht auf meine Seidenschühchen". Oder die unsachliche Vermengung von Mensch und Text. Ich will da zur Sache kommen, die mit mir als Mensch ja nicht zwingend zu tun hat.

    Gehen Männer und Frauen unterschiedlich mit Kritik um?

    Herzlichst,
    Petra

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  6. Nein, die Kritik hat mich sogar
    beflügelt, denn darin war auch ein sehr positives Moment enhalten.
    Abgeschreckt hat mich, dass das Buch trotz Feuilleton vom Buchhandel nicht wahrgenommen wurde und später, es waren nicht zwei, sondern vier Jahre, glaube ich, wurde es verramscht. Dabei hatte ich eine ganze Menge für dieses Buch getan, Interviews, Flyer, teure Homepage, Präsenz im Buchhandel usw.
    Was den Umgang mit Kritik betrifft: damit habe ich viel Erfahrung, und ich konnte sowohl bei Männern wie bei Frauen feststellen, dass sie empfindlich reagieren. Für mich waren die besten Kritiken immer die, welche Schwachstellen zeigten, aber auch die Stärken und die Möglichkeiten der Weiterentwicklung.

    Herzlichst
    Christa

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