Buchdeckel

Spannender Tag heute. Madame und ein bisher noch im Geheimen operierender Mensch sind beim Cover-Entwerfen für den Nijinsky (was mich komplett davon ablenkt, endlich dafür den Rückseitentext zu schreiben). Auf dem Tisch liegen eine konventionelle Lösung und etwas sehr Freches, ich habe die Qual der Wahl.

In solchen Momenten finde ich es schön, in der Bibliothek nach Parallelideen zu suchen oder Wirkungen bestimmter Farben und Aufteilungen zu erproben - ich muss so etwas am besten in der Hand halten. Leider ist die eigene Bibliothek nicht immer ausreichend bestückt, der nächste Buchladen weit (und wahrscheinlich genauso unzureichend). Wunderbar, wenn man dann Twitter als Wissenspool benutzen kann und obendrein ein paar Grafiker in der Timeline hat. Die @nette_jule schickte mir zwei Links, wie rein typografische Cover aussehen können, beide Beispiele laden etwas: "30 Farbcover" und "typografische Buchcover".

Zufällig arbeitete auch Kollege Richard K. Breuer gerade an einem neuen Cover für sein "Rotkäppchen 2069" - ich finde das Beispiel ideal, um zu sehen, wie sich die Wirkung eines Covers mit wenigen Mitteln völlig verändert. Hier sieht man seine alte "Privatdruck"-Ausgabe, hier das neue Cover fürs E-Book. Kaum sind wir im Twittergespräch, schießt @nette_jule sozusagen aus der Hüfte einen eigenen Entwurf herüber: hier. So schnell geht das bei den Profis - im Twittertakt. Doch welches gewinnt am Ende die Leser?

Bei solchen visuellen Rundreisen fällt mir immer wieder auf, wie konventionell, genormt und übervorsichtig die meisten Cover im deutschsprachigen Raum gestaltet werden - nicht selten erstickt die Corporate Identity die wahren Möglichkeiten der Buchkunst. Ganz schlimm wird es, wenn dann auch noch einer den anderen kopiert bis zum Erbrechen, etwa mit botanischer Blume auf Weiß für den Roman, mit geköpften Damen im üppigen Faltenwurf für den historischen Roman oder mit Blutrot und Schwarz auf Weiß beim Krimi.

Obwohl man durchaus mit guter Grafik Wiedererkennungswerte schaffen kann: Mir fielen spontan dazu der Diogenes Verlag, Weissbooks oder der Ploettner Verlag ein. Selbst den aufsehenerregenden englischen Grafiker "gray 318" alias John Gray hat man in Deutschland leicht gezähmt. Das ist der Mensch, der die Originalcover von Jonathan Safran Foer entwirft. Hier seine Entwürfe für Bücher, auf seiner Website hat er die Arbeitsproben bescheiden versteckt und ich habe sie hier gefunden (pdf).

Den Mund nach schönen Büchern hat mir auch die @kriminalistin wässrig gemacht, hinter der sich ebenfalls eine Grafikerin verbirgt. Sie zeigte Beispiele, wie man mit Schrift eine Geschichte erzählen kann, wie Schrift, Farbe und Bild zum Sinnenerlebnis wird oder wie man einen Buchdeckel zum dreidimensionalen Erlebnis machen kann. Das erinnert mich an einen französischen Ausstellungskatalog (leider kein Bild), dessen Schutzumschlag man abnehmen und zum Ausstellungsplakat aufklappen konnte.

Natürlich danke ich auch allen hier nicht Genannten sehr herzlich, die mir spontan Links auf Cover schickten! Nicht, dass wir auch nur irgendeines "abmalen" wollen - aber es hat die Entscheidungsfindung zwischen zwei Entwürfen doch erheblich vereinfacht. Allerdings bleibt das Nijinsky-Cover allein schon wegen des Titels bis zum Erscheinen streng geheim.

Und eben kommt noch der dritte Grafiker, @atn8, der feine Beispiele zeigt, wie Typografie und Gestaltung dann wirklich zur Kunst werden (alles Google-Bildseiten): bei Walter Nikkels, Anthon Beeke, Barbara Kruger, Jan Tschichold und Kurt Schwitters.

Ich stelle gerade fest: Ich habe ziemlich erlesene Follower.

6 Kommentare:

  1. Ich bin ja ehrlich gesagt im Überlegen, ob ich nicht zur Gänze auf Text und Typo im Cover verzichte, also nur noch der Kreis und das Piktogramm. Die Idee hatte ich damals schon, 2006, aber ich getraute mich nicht so richtig. Dann habe ich im Buch mit vielen tollen Cover-Beispielen aus US so eines gesehen: nur ein toter Vogel am Rücken, sonst war nichts am Cover zu sehen (in der deutschen Ausgabe kam natürlich ein Titel dazu).

    Ich glaube, das wäre gewagt und riskant, aber reizvoll, oder?

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  2. Wo stünden denn dann Titel und Autor? Irgendwie möchte ich ja schon grob wissen, was für ein Buch ich kaufe. (Der tote Rabe / Amsel wird ja gerade in der Krimiszene voll ausgelutscht...)
    Ich schreib dir morgen was per Mail dazu.

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  3. Die Gestaltung von Buchcovern unterliegt in jedem Land, manches Mal auch in jedem Verlag anderen Gesetzen. In unseren Breiten scheint es vor allem so zu sein es jeder Entscheidungsetage – von Autor über Verleger bis Buchhändler – Recht zu machen. Mal abgesehen von der immer wieder unumgänglichen Machbarkeit bei einer Katalogverkleinerung von 25%. Da dieses Prinzip offensichtlich funktioniert und es auch keinen schert, dass bei gewissen Themen ein Cover wie das andere ausschaut, wird sich das wohl auch so schnell nicht ändern.

    Ein Verlag, der ebenfalls typographisch ausgelegte Cover macht und aus der Masse heraussticht ist z.B. der Blumenbar Verlag und glücklicherweise der ein oder andere Verlag für die Themen Design & Typographie.

    Ich glaube auch nicht, dass es an der mangelnden Kreativität der diversen Buchgestalter liegt, dass wir mitunter eine recht monotone Coverlandschaft haben, sondern vielmehr an den oben erwähnten Entscheidungshürden, bei der jede Instanz für sich in Anspruch nimmt den Maßstab für gute Gestaltung zu kennen. Das ist übrigens nicht nur bei Buchcovern so… Denn gestalten kann ja schließlich jeder – oder? ;)

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  4. Wie war das doch gleich, der Vertrieb entscheidet über das Cover und den Titel als solchen. Sagte mir ein Bestsellerautor.

    Zum Thema „Zeichen“: Füße und Wolken. http://2.gp/ejq4

    Zu den wunderbaren Bilderserien (Barbara Kruger, wow!) gehört unbedingt noch Stefan Sagmeister. Er experimentiert auch gerne mit Schablonen/Folien an Büchern; Dinge, die sich ändern, wenn man das Buch aus dem Schuber zieht. http://www.google.nl/images?biw=1680&bih=852&sa=1&q=sagmeister

    Ich fand das heute sehr inspirierend. Danke, Petra :)

    Captcha:
    Aemie, die; -n: Blutansammlung in den Ohren, nachdem man das kleine Rollstuhlsymbol angeklickt hat – What the hell se passé...?

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  5. @angela
    Der Bestsellerautor hat Recht, aber in der Vertreterkonferenz sind dann schon ein paar Dummies fertig, über die man verlagsintern gesprochen hat.

    Grundsätzlich so übel ist das nicht, weil der Großteil der Autoren - wenn nicht gerade Berufsgrafiker - einfach nicht den Blick (und das Können) für eine zu verkaufende Ware hat. Für die ist das Herzschmerz und sie haben viel zu viele eigene Bilder im Kopf. Ein Grund, warum ich mein Cover auch nie selbst gestalten möchte. Bei der Ausführung hakt's dann allenfalls am Geld...

    Captcha terpingl:
    Man sollte beim Cover als Autor nicht zu terpinglig sein.
    (Wann machen wir das illustrierte Captcha-Buch?)

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  6. @Jule

    Mit den Entscheidern gebe ich dir recht, allerdings hat der Autor so gut wie gar nichts zu sagen. Viele bekommen nicht einmal vorab ihr Cover zu sehen! Ich hatte mich mal mit einem Verlag angelegt, als schon die Vorschau gedruckt war, und mir die lasziv geräkelte Halbnackte verboten, weil es meinem Buch extrem geschadet hätte. Selbst mit Agentur ein Kampf. Mit dem Ergebnis, dass ich selbst in der Nacht bei Getty nach 40 Fotos zur Wahl gefahndet habe. Die Grafikerin nahm gleich das erste und bedankte sich - sie habe nicht mal Zeit zur Datenbankrecherche gehabt... Und das war ganz bestimmt nicht ihre Schuld.
    Mitspracherecht vom Autor allgemein = Null.

    Es sind diese Konferenzen und der Vertrieb, die entscheiden. In Deutschland scheint man nicht nur in der Grafik bequem auf Dinge zu setzen, die sowieso laufen - ja kein Risiko. Dass sich manche Verlage austauschbar machen, wenn sie alle die gleichen Trends verfolgen, ist in der Profitlandschaft wohl egal geworden. Ich selbst kaufe nach Titel und Autor, nicht mehr nach Verlag.

    Gestalten kann jeder? ;-) Ist ja auch so einfach wie Schreiben. Schreiben, Lesen und Malen lernen wir doch alle schon in der ersten Klasse ;-)

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