La calculatrice

So schnell geht's weiter mit dem Bücherbasteln: Ein winziges Frauchen mit einer überdimensionalen Rechenmaschine rennt durch mein Zimmer, ihr Eulengesicht kann sich nicht von den Kugeln lösen, die rasend schnell aneinanderklackern. Madame Calculatrice wurde von hilfreichen und informativen Kommentaren auf den Plan gerufen. Bücherbasteln ist also gar kein reiner Spaß, am Anfang steht das, was ich am meisten hasse: Rechnerei! Denn ein Buch - das muss der Autor lernen - ist zunächst einmal eine Ware, mit allen Rechten und Verpflichtungen.

Ich habe Madame Calculatrice vorgegeben, mit möglichst geringem Anfangskapital zu produzieren, weil ich erstens keines habe, und zweitens ab einer gewissen Summe doch besser wirklich die Druckerei beschäftigen könnte - mit dem vollen Risiko, dann auf den Prachtexemplaren sitzen zu bleiben. Da ist auch ein wenig sportlicher Ehrgeiz: Wie preiswert kann man ein Buch in welcher Ausstattung machen? Ist in der Alles-Haben-Welt wirklich alles zu haben? Ist in einer Welt, in der Leserinnen und Leser nach Sonderangeboten, Schnäppchen und Kostenlosgeschenken gieren, der Lesestoff tatsächlich fast "für umme" zu haben?

Nach der ersten Unterredung mit Mme C. ist eines klar: Es rechnet sich absolut nicht, dieses Projekt nur aus Spaß durchzuziehen, als eine Art journalistische Recherche am eigenen Leib. Denn es muss sich rechnen. Also wird umgeplant: Die Energie wird gleich ins Elsassbuch gesteckt, so bleibt auch genug Zeit für die Vorbereitungen. Die Verkaufsvorteile lägen auf der Hand: Das Buch hat bereits ein "Gütesiegel" von einem der renommiertesten Verlage und Verkaufzahlen geschrieben, die auch bei einem BoD-bedingten Einbruch noch erfreuten.

Gelernt: Ich muss auf die versteckten Kosten achten. Wie wir gesehen haben, kommen zu den 39 Euro "Einstiegspreis" Datenhaltungskosten dazu. Die sind zwar monatlich gering, summieren sich aber über die Fünf-Jahres-Vertragslaufzeit zu 159 E, die in die Bilanz eingehen müssen. Bei vorzeitiger Kündigung müsste ich 299 E Gebühr zahlen und die Datenhaltungskosten, die bis dahin angefallen sind. Das ist alles immer noch günstig, weil ich kein großes Vorinvestitionsrisiko eingehe, weil dieses Buch speziell auch so lange laufen wird. Doch bei jedem Dienst, den ich von außen hole, selbst bei Freundschaftspreisen, muss ich diese Unkosten zu den bereits vorhandenen dazu rechnen. Außerdem nicht zu vergessen: Ich habe an diesem Buch bereits verdient, kann also das Risiko wagen, als Autorin leer auszugehen!

Noch eine Rechnung ist aufzumachen: Was kann ich denn an dem Buch überhaupt brutto verdienen? Traumhafte Margen werden einem da versprochen, theoretisch kann man ja den Ladenpreis beliebig festsetzen. Auffallend viele Autoren machen das auch und wundern sich, warum ihre Bücher nicht gehen. Auch ein absolut professionell und perfekt gemachtes Buch im PoD-Verfahren kann ich nicht teurer machen als Bücher von Verlagen im Buchhandel! Und die können ein Lied davon singen, dass es manchmal nur eine 1-Euro-Hürde ist, die den Kunden vom Kauf abhält. Als normal veröffentlichter Autor lernt man das mit ein wenig Aufmerksamkeit: Es gibt psychologische Preisgrenzen, deren Überschreiten ein Buch ruinieren können. Es gibt aber auch Schallgrenzen nach unten, die ein Buch zum Ramsch machen, das nichts wert sein kann, weil kein Wert gefordert wird.

Das Elsassbuch kostete im Handel knapp unter 14 E und ging weg wie warme Semmeln, weil die bibliophile Ausstattung im Vordergrund stand. Man hatte ein wunderschönes Geschenk zu einem vernünftigen Preis. Eine solche Ausstattung ist jedoch nur bei richtigen Druckereien zu haben - die kann ich nicht bieten. Ich werfe den Kalkulator von BoD an - und siehe da, ein einfaches Hardcover ohne Fotos, selbst ohne Schutzumschlag, käme in die Richtung von 20 E, mit nur geringem Verdienst. Exitus. 20 E, das ist eine dieser psychologischen Schmerzgrenzen beim Kunden. Das wäre ein Buch dieser Ausstattung auch nicht wert.

Selbst Kunstbände müssen heutzutage darunter bleiben, sonst kleben sie fest. Verlage produzieren nicht umsonst im Osten oder in China, um diesem Kaufverhalten einigermaßen entgegen kommen zu können. Und sie produzieren hohe Qualität - auf die ich nicht zurückgreifen kann. Das Elsassbuch als Hardcover bei BoD rechnet sich also schon allein vom Endpreis her nicht und von der Marge her schon gar nicht. Die wäre nämlich geringer als die Autorentantiemen in jedem normalen Verlag. Dabei habe ich die Unkosten noch nicht einmal eingerechnet.

Nächster Plan: Paperback. Das ist bei weitem nicht so schön, wie ich es mir vorstelle. Aber ich käme mit einiger Jonglierei auf einen Endpreis in der Nähe des jetzigen, könnte ein wenig am Exemplar verdienen und womöglich einige Farbfotos in die Gestaltung mit einbeziehen. Es soll ja schön werden.
Mme C. quatscht wieder dazwischen: "Jetzt nimmst du deine Unkosten und summierst die auf. Alle Unkosten! Die teilst du durch die Netto-Marge. Dann weißt du, wie viele Bücher du verkaufen musst, bis du überhaupt einen einzigen Cent daran verdienst. Und denk dran, von diesem Cent gehen dann noch Steuern und alle möglichen Abgaben ab!"

Ich könnte Mme C. den Hals umdrehen - sie nimmt mir allen Spaß. Aber sie legt noch eins drauf: "Glaub ja nicht, dass all die Zusatzarbeiten für die Herstellung nichts kosten, nur weil du dich selbst ausbeutest! Du könntest in dieser Arbeitszeit für Geld woanders arbeiten. Wenn du ehrlich bist, schlägst du einen imaginären Stundenlohn auf deine Unkosten. Und vergiss die Arbeiten für PR und Verkauf nicht!"

Sie hat einen wunden Punkt getroffen. Ich selbst könnte mir mich nämlich gar nicht leisten. Ich könnte mir auch kein Buch leisten, bei dem ich so viele Vorabkosten amortisieren müsste - nicht mit diesen Margen. Und wenn ich diese erhöhe, wie das viele naive Selbstbastelautoren machen, verkauft es sich nicht. Lohnt sich das wirklich? Nur als Dienst am Kunden? Ist das wirtschaftlich?

Mir kommt eine Vision von einem sterbenskranken Patienten, der seine Krankenkassenbeiträge nicht bezahlt hat. Würde der Arzt die unsichere und elend teure Operation wagen? Er hat einen Eid geschworen. Aber Bücher darf man eigentlich schlicht verrecken lassen, wenn es sich nicht mehr lohnt.
Ich schicke Mme C. nun einfach in den morgigen Feiertag und werde in Ruhe ein paar Kalkulationen aufmachen. Denn die Sache verkompliziert sich, wenn ich für Auftritte verkaufen möchte. Dann soll das Paket ein anderes sein und das Zehnfache kosten? Was ich außerdem vergessen habe: Ich bin viele, zumindest bei diesem Projekt. Den Verdienst muss sich die Autorin teilen mit der Layouterin, Lektorin, Texterfasserin, Fotografin ...
  • Hausaufgabe: Alternativen checken.
  • Erkenntnis: An Autoren kann man eine Menge Geld verdienen. Warum aber werden dann Texte heutzutage immer schlimmer entwertet?
  • Für neue Bücher, die mehr sein sollen als Liebhaberei, gibt es eigentlich nur eine vernünftige Alternative: einen seriösen, ganz normalen Verlag.
  • Für Menschen, die es nicht in einen Verlag schaffen, sind PoD-Verfahren jedoch die beste Lösung, sie vor Zuschussverlagen zu bewahren.Und wenn man nicht meine Ansprüche hat, kann man durchaus sehr billig produzieren.

9 Kommentare:

  1. Sabine, heute anonym7/5/10 12:36

    Es gibt ja Winzer, die auch Kapitalbedarf haben, der allein nicht übern Preis pro Flasche zu erwirtschaften ist. Die gründen ein Aktiengesellschaft, nehmen dann das Geld und zahlen die Rendite in Naturalien aus.

    Nun säuft man den Wein ja im Laufe eines Jahres weg...und das ginge mit einem Buch ja nicht. Aber ein oder zwei pro Jahr verschenken? Oder thematisch zusammenkopierte Blogbeiträge? Sozusagen Blog on demand?

    Vielleicht lesen hier ja ein paar Reiche und Mittelreiche mit, die sich eine Investition ins Elsass und das Buch vorstellen können?

    Und wenn Du dann reich bist - so mit 90 oder so, dann zahlst Du die Einlage mit Zinsen zurück.

    Ansonsten ist es ein ebenso spekulatives Geschäft wie an der Börse. Nur, dass es mehr Spaß macht!

    Was meinste? Ich wäre dabei!! Weil ich von dem Buch überzeugt bin. Auch von Dir, aber das sag ich jetzt nicht, sonst schnappst du noch über!

    Eine anonyme Leserin

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  2. Hallo Madame Calculatrice,

    als Alternative zu BOD gibt es den Anbieter lulu.com, die u.a. auch mit BOD zusammenarbeiten, aber anders kalkulieren.
    Die bei BOD üblichen Kosten für Datenbereithaltung, Einstieg oder ähnliches) fallen dort nicht an, dafür erhält Lulu 20% der Einnahmen, während 80% an den Autor gehen. Somit verdient man dort ab dem ersten Exemplar Geld und auch die Kalkulation weicht deutlich von BOD ab, die Bücher sind jedoch über Libri/Amazon erhältlich.
    Vielleicht wäre das eine zumindest kalkulatorische Alternative....

    Gruss

    Thomas

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  3. @Thomas
    Lulu mag in den Bereichen, wo Autoren nicht professionell gestalten, eine Alternative sein.

    Für mich rechnet es sich leider absolut nicht, weil meine Wunsch-Versionen teurer in den USA hergestellt würden und den Endkunden dann auch noch großes Auslandsporto und Wartezeiten kosten würden. So ein Buch wäre von vornherein dem Tod geweiht, wenn es nicht den englischsprachigen Markt erobern kann.

    PoD-Verfahren, auch multimedial, sind in den USA natürlich sehr viel besser ausgebaut und aufgestellt (auch Barnes & Nobles hat so ein Programm). Aber man sollte sich keine Illusionen machen - der Marktaustausch auf Kundenebene funktioniert eher beim Fachbuch, Film oder in englischer Sprache. Aber danke für den Tipp!

    Dann doch lieber gleich in Polen oder Osteuropa drucken lassen!
    Grüße von Petra

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  4. Werte Mme Anonyma,
    ich schnappe nicht über, sondern nutze das dankbar als Kraft-Drink!
    Darf ich Ihnen bei Gelegenheit und mehr Freizeit einen anonymen Brief schicken? ;-)

    Ich will den Nachdruck eines uralten vergriffenen Buchs ja nicht zum Großunternehmen gestalten. Aber Ihre verführerische Idee mit den Flaschen und den Reichen und einer Spekulation auf Genussgüter bringt in meinem Hinterkopf leicht Verwegenes zum Klingen. Kann sein, dass ich doch noch überschnappe. Erinnert mich nämlich an etwas.

    Übrigens hat das mal ein Maler durchgezogen, der früher seine Bilder gegen andere Arbeiten eingetauscht hat. Der hat im Copyshop Aktien für seine unfertigen Bilder gedruckt und damit "Hängezeit" in privaten Wohnzimmern und Büros vergeben, um aus der schlimmsten Misere zu kommen und sich Farben zu kaufen. Heute kostet eins dieser Bilder weit über 100.000 Euro und eins hängt im New Yorker MOMA. Dort kam er durch eine Videobewerbung hin - und das wiederum hat er sich auch gegen Bilder eingetauscht.

    Das Prinzip kann also funktionieren... (wenn ich doch nur malen könnte!)

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  5. Immer noch: anonymasabina7/5/10 14:40

    Nun, dann geben Sie eben nur Vorzugsaktien aus!

    Man muss sich drum bewerben und Sie, die Künstlerin, geben sich (und dem untertänigsten Geldbesitzer und potentiellen Investor) dann die Ehre, und entscheiden sich, wer darf!

    ;-)

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  6. Wenn ich jetzt sagen würde, bei welchem Wort ich mich wie verlesen habe, würden zig Bildschirme und Tastaturen angeprustet werden! Mir gerade mit der Mischung "Samowartee, russisch" passiert!
    Olala...

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  7. Ein winziges Frauchen mit einer überdimensionalen Rechenmaschine rennt durch mein Zimmer, ihr Eulengesicht kann sich nicht von den Kugeln lösen, die rasend schnell aneinanderklackern. Madame Calculatrice wurde von hilfreichen und informativen Kommentaren auf den Plan gerufen.

    Als ich diesen Satz gelesen habe, lief ein Film vor meinen Augen ab.
    Einfach köstlich!

    Wenn ich doch so zeichnen könnte wie der Matthias Mala, dann würde ich wenigstens eine Zeichnung von dieser Madame Calculatrice anfertigen - die würde bestimmt zur Kultfigur der investigativen Calculatrices der Schriftstellerei...

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  8. @Thomas
    Eben einen Artikel gefunden, der aufbröselt, wie das mit den Prozenten so ist, zum Lesen meinen Namen anklicken.

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  9. @Heinrich
    Mme Calculatrice ist aber arg schenant beim Modellstehen!

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