Experimente an lebenden Autoren
Spaßgesellschaft 2.0 ist die Antwort. Und die gibt sich wie unsere Zeit: Taff, hart an der Grenze zur Folter, ohne Erbarmen gegen sich selbst - und das alles im Dienst einer höheren Macht namens Kunst und Kultur, pardon, von Verkaufszahlen. Die Selbstopferer werden öffentlich zur Schau gestellt wie eine Bandenhinrichtung auf der Hauptstraße Palermos, begleitet von Radio und TV, inszeniert für eine Schar von Schaulustigen, die seit der Spaßgesellschaft 1.0 nichts mehr so richtig kitzeln vermag. Der Autor als Viagra für die Leser - hier liegt die Zukunft der Selbstvermarktung!
Glaubt mir wieder keiner? Aber der Buchmarkt spricht andere Bände, beweist das Börsenblatt (lesen!)! Da katapultieren sich schreibende Kaninchen mit Selbstversuchen am laufenden Meter in die Verkaufscharts und geben die lebensberatende Laborratte. Wie schmerzhaft muss es sein, wenn Karen Duve unter Schnitzelentzug zur besseren Menschin reifen will! Was muss es an Energie kosten, wenn Jürgen Schmieder unter Lügenentzug für eine bessere Welt kämpft! Aber was tut man nicht alles, um nach einer Hegemann noch in die Bestsellerlisten zu gelangen.
Ich finde: das alles sollte erst der Anfang sein. Denken wir an all die Autoren, die noch nicht bereit sind zum großen PR-Schlag, helfen wir ihnen, trainieren wir sie! Ich schlage Selbstversuchs-Camps für Autoren in Pakistan vor, natürlich rundum umweltfreundlich, interreligiös und subkutan. Schreiben als Selbstversuch, inklusive Eigenqualtherapie und gemeinschaftlichem Urintrinken. Wer als Literat des neuen Masochismus nichts taugt, wird umgeschult zum Selbstmordattentäter, Kamikaze für die Kunst. "Ich war Selbstmordattentäter. Ein Autor berichtet vom Selbstversuch nach der Explosion". Wenn das kein Stöffchen ist. Vergesst die Drogen aus Berliner Clubs, vergesst das Regietheater, schreibt euch tot. Denn tote Autoren verkaufen sich noch besser.
Die Variante für Weicheier macht uns mal wieder die Musikbranche vor: Bei der Jungen Deutschen Philharmonie kann man junge hübsche Musikerinnen und Musiker gewinnen. Angenehm devot der Hornist. Und ob die Flötistin mit dem Silberteil auch zuschlagen kann? Einen ganzen Tag lang sind sie jedenfalls dem Gewinner mit Haut und Bogenhaar ausgeliefert, müssen für ihn schrammeln und witzeln und sich womöglich auf Schnitzelentzug durch eine bessere Welt picknicken. Wenn diese Idee nicht die literarische Welt aufmischen könnte! Kauf dir deinen Autor frei! Schenke ihm einen neuen Lebenstag außerhalb des Ausbildungscamps. Für eine bessere Welt und höhere Auflagen.
Ich sehe das richtig vor mir: Karin Duve zum Schnitzelessen einladen und dann abspülen lassen. Jürgen Schmieder zum Inkassobüro vorschicken und vorher nochmal richtig zocken. Mit Günther Grass einen Tag lang offline am eigenen Buch schreiben. Helene Hegemann auf den Jakobsweg scheuchen. Und endlich einen ganzen Tag lang diesen verdammten Mord an der Schwiegermutter mit einem Profi aus dem Thrillerfach durchplanen!
Schluss mit der billigen Prostitution durch Schreiben. In der Spaßgesellschaft 2.0 wird der Selbstversuch im Dienste der gelangweilten Menschheit zum Paradigma. "Wie ich das Leben überlebte. Ein Selbstversuch". Wenn das kein Terror ist.
Liebe Petra,
AntwortenLöschenwenn Sie noch einmal eine Umfrage starten, wünsche ich mir NOCH mehr solche Artikel. Sie könnten auch noch anderer Branchen aufs Korn nehmen, das können Sie brilliant!
Fragen Sie jetzt bitte nicht, wie Sie damit Geld verdienen könnten - das ist nebensächlich - für die Leser. ;)
Wenn meine Frau und ich mal einen Tag mit Ihnen gewinnen, gibt es für Sie Zander und Riesling satt - oder andere Köstlichkeiten nach Wahl!
Gruß Heinrich
Korrektur: vous êtes brillant - unter anderem ...
AntwortenLöschenLieber Heinrich,
AntwortenLöschenich werde hier bald noch eine Schmeicheltaste einführen, wenn das so weitergeht. ;-)
Aber nein, es tut ja gut, Komplimente zum Text direkt zu hören, wir Autoren ernähren uns in schlecht motivierten Zeiten davon!
Und nein, ich frage ganz bestimmt nicht nach dem Geldverdienen. Ich HABE sehr viele Jahre mit solchen Texten Geld verdient und durfte sogar noch etwas schärfer zubeißen, weil ich eine ganze Rechtsabteilung hinter mir hatte. Letzteres war natürlich komfortabel.
Ob ich allerdings über Zahnärzte oder Gärtner so spotten könnte? Ich weiß es nicht. Mir muss spontan galoppierender Wahnsinn ins Auge stechen...
Schöne Grüße,
Petra
Ich drücke einfach die imaginäre Schmeicheltaste und bin - frisch inspiriert und amüsiert - schon wieder fort ;-)
AntwortenLöschenDanke!
AntwortenLöschenIch habe leider bei dir im Blog schon zwei Kommentare ins Nirwhana gesendet - das ist eines dieser neuen Blogger-Templates, die meine Firefox-Konfiguration nicht annehmen wollen :-(
Ich fand deine letzten Beiträge auf http://blog.donci.de/ so spannend!
Oh, danke Petra, für deine Info auf diesem Wege. Das ist mir selbst in meinem Blog nämlich auch schon passiert, als ich auf einen anderen Kommentar eingehen wollte. Ich dachte nur, es hätte mit meinen Blogger- und Google-Accounts zu tun und wusste nicht, dass auch andere davon betroffen sind. Ich werde Dein Feedback zum Anlaß nehmen, mich alsbald darum zu kümmern - also zumindest mal herauszufinden, woran das liegt. Sorry für die Nirwana-Kommentare. Die hätte ich bestimmt gern gelesen ;-)
AntwortenLöschenLiebe Simona,
AntwortenLöschenschau mal in den Link, wenn du meinen Namen anklickst, da habe ich das Problem schon einmal recherchiert!