Topmode statt Trendsuppe!
Im sehr empfehlenswerten Blog flannel apparel schreibt @fraeulein_tessa über eine Modetagung, und dass inzwischen Mode sowohl im echten Leben zum Anfassen wie auch virtuell verkauft wird - ohne gegenseitige Berührungsängste wie in anderen Branchen. Und als ich da von Modenschauen lese und der Theorie, Begehren zu wecken, hat es bei mir Klick gemacht.
Stellen wir uns vor, es ginge nicht um Trends von Rocklängen, Blusenfarben oder Kleiderschnitten. Stellen wir uns vor, es ginge um ein immer trendanfälligeres Gewerbe: das Geschäft mit dem Buch.
Halten wir das im Hinterkopf und lesen dazu das Zitat, das die Autorin bringt, das Zitat aus einem Vortrag von Alicia Kühl: "Der beschränkte Zugang zu Modenschauen, die zeitliche Begrenzung und die Inszenierung der Präsentationen, die stets signalisiert: „Nur schauen, nicht berühren“, wecken das Begehren, das so zentral für den Erfolg von Mode ist." Sie nennt dabei das Beispiel eines Berliner Modelabels, das offenbar erfolgreich seine Mode über einen Webshop verkauft, der gar nicht öffentlich zugänglich ist. Wer ihn sehen will, muss sich persönlich darum bewerben.
So. Da hat es Klick gemacht. Auch Bücher sind Moden unterworfen. Mal trägt die Trendleserin historische Romane in der Handtasche, mal Vampirschmonzetten; sogar für Berliner Clubs gibt es bereits passende Lektüre. Ab und zu veranstalten Verlage sogar so etwas wie Modeschauen, man nennt das Buchpremieren. Bezahlt werden sie in der Regel nur für ganz berühmte Autoren oder Spitzentitel, nie für die gesamte Kollektion. Stattdessen wird aber ausgerechnet das, was Trend sein oder werden soll, vors Lesevolk geschmissen, als verhökere man Gummistützstrümpfe beim Billigdiscounter. Die Stapel können nicht hoch genug, die Preise nicht niedrig genug sein. Ergo macht der Buchmarkt alles ganz anders als der Modemarkt. Und wundert sich, warum ein Buch vom Provinzautor nicht so begehrt ist wie eine Klamotte vom Pariser Modeschöpfer.
Was würde passieren, wenn man das umgekehrte? Auch Bücher sind Konsumgüter. Auch für Bücher will man Begehren wecken. Aber wie, bitteschön, soll ich etwas begehren, was mir überall nachgeworfen wird? Bei flanell apparel heißt es außerdem, Modeschauen müssten gleichzeitig abstoßen und anziehen, um Erfolg zu haben. Kennen wir das nicht auch von Büchern? Was im Feuilleton nur gelobt wird, erreicht nie so hohe Verkaufzahlen wie Bücher, die Kontroversen auslösen, die gleichzeitig gehasst und geliebt werden. Streit ist das beste Verkaufsinstrument für Bücher.
Denken wir das mal konsequent weiter...
- Den Zugang zu einem Buch begrenzen, exklusiv gestalten, für einen exklusiven Kreis
- Den Zugang zu einer Buchauflage zeitlich begrenzen, limitieren
- Die Neuerscheinung inszenieren zum "Schauen, nicht zum Anfassen"
- Die Inszenierung eines Buchs auf Polaritäten und möglichen Kontroversen aufbauen
- Das Buch edel aufbauen
- Begehren wecken...
Bücher sind nur das Trägermedium der Literatur; noch das vorherrschende, vielleicht bald/demnächst/irgendwann vom Digitalen (iPad etc.) verdrängt. Das Verhältnis von Menschen zu Mode ist ein anderes als das von Leuten Lettern.
AntwortenLöschenSicher ist der Buchmarkt Trends unterworfen, aber Sie bringen als Beispiel Genres an; dafür fluktuiert das Interesse zwar auch, verwechseln sollte man das allerdings nicht.
Zudem haben Sie einen Dreher in der Argumentation: Denn nicht mit dem "Provinzautoren" wird der Markt überschwemmt, sondern mit dem z. B. hochgejubelten Wunderkind, manchmal sogar mit kalkuliert herbeigeschriebenen Skandal.
Endlich. Auf solch einen Kommentator warte ich schon lange. Endlich einer, der widerspricht. Seit Jahren versuche ich hier vergebens, zu Widerspruch zu provozieren.
AntwortenLöschenIch fürchte, ich habe in meinem laut Gedachten noch viel mehr Dreher drin und jede Menge Additionen zwischen Birnen und Äpfeln!
Sie sprechen eins der Probleme an: Obwohl immer alle behaupten, das Haptische eines Buches zu brauchen oder irgendwelche Emotionen, die aus nach Druck riechendem Papier wabern, kommt das irgendwie nicht dem Gefühl gleich, als wenn ich mich in eine Samtrobe zwänge. Also abgesehen von der Erscheinungsform von Literatur - ich frage mich, was "Erzähltes" haben müsste, dass man sich gern damit kleidet?
Oder ist das von vornherein eine falsche Denkrichtung?
Der Trendvergleich hinkt übel - ich denke eigentlich an exklusive Nische. Ganz sicher bin ich in meinem Geschmack nicht repräsentativ, aber ich denke spontan an das von mir kürzlich hier empfohlene Kafkabuch in limitierter Auflage (sofort: muss ich haben, noch vor Erscheinen bestellt) oder das überformatige Prachtwerk von Prestel über Kandinsky mit der Sammelmappe, extrem teuer (muss ich haben, sofort gekauft).
Ich frage mich: Was ist der Auslöser, dass ich solche Bücher wie im Fieber kaufen muss, als wäre es eine Robe von Dior? Obwohl von der Vernunft her alles dagegen spricht. Das Gefühl kenne ich auch von Auktionen, die ein bißchen was von Modeschauen haben.
Und genau dieses Gefühl befällt mich nie bei Büchern, die ich einfach und überall haben kann. Im Gegenteil, ein "muss man gelesen haben" führt bei mir zur Kaufverweigerung.
Wenn mir das mal einer psychologisch erklären könnte...?
Wenn mir das mal einer psychologisch erklären könnte...?
AntwortenLöschenLiebe Petra, das ist ein bisschen gemein, dass Sie die Leser auffordern, Ihr Suchtverhalten zu untersuchen. Sie sind doch sonst selbstkritisch und offen. ;)
Klar gehen Sie lieber im L'Auberge de l'Ill essen, als in der Kantine Einheitsbrei oder den neusten Spitzenburger bei McDoof zu futtern.
Sie haben eben einen elitären Geschmack, den Blick für das Besondere und das Jagdfieber für ausgefallene Beute.
Sie müssen nur vorsichtig sein, wenn Ihnen auch die exotischen Speisen zu langweilig werden, und Sie flambierte Aliens essen möchten, da weiß man noch nicht, ob die giftig sind. ;)
Aber Ihre Sucht ist weder ungesund, noch schadet sie außer Ihrem Sparschwein irgendwem.
Gruß Heinrich