Blut-Hirn-Schranke

Ich begreife seit heute das Prinzip der Blut-Hirn-Schranke in einem völlig neuen Sinn. Es gibt ja Leute, die vermuten, Schriftsteller hätten ein verändertes Gehirn im Vergleich zum "Normalzustand". Ja, haben sie: Schriftsteller haben nämlich zusätzlich eine Text-Hirn-Schranke, eine Art Überlebensmechanismus, der dafür sorgt, dass nicht zu viel Text ins Hirn eindringt.

Wieder habe ich nur sieben Seiten französischen Text in neun Seiten deutschen übertragen und kann mich kaum ausreden, dass da einige Zitate von Kandinsky dabei waren. Ich wollte mein Quantum steigern und es ging nicht. Der Autor pflegt gerade wieder das, was ich seinen Vom-Auge-durch-die-Brust-Stil nenne (er hat ungefähr vier verschiedene Stile) - sprich, ich muss aus ellenlangen Partikeln von Sätzen eine logische Reihenfolge rekonstruieren, die wieder einmal zeigt, wie gnadenlos geradeaus die deutsche Sprache funktioniert, während das Französische lustig Pirouetten dreht.

Irgendwann könnten die Augen, die Hände, der Rücken vielleicht noch, aber das Hirn fließt über. Ich könnte noch so schön weiterarbeiten, habe genug Zeit, aber der Sinn verknotet sich in den Windungen. Nichts geht mehr, Erschöpfung, als würde ich Berge hochrennen. Die Text-Hirn-Schranke greift...

Und ich komme mir mal wieder so richtig dumm und lahm vor und frage mich, wie man diesen grauen schwabbeligen Nichtmuskel trainieren könnte. Bitte jetzt nicht wie meine Freundin sagen, ich solle weniger im Blog schreiben. Das sind meine Denkpausen, das ist Abschalten pur. Und es ist vor allem im Moment der einzig freie Text, den ich schreiben kann - neben all den verordneten Texten.
Also, falls jemand einen Tipp hat, wie man noch schneller noch mehr übersetzt, immer her damit! Es würde sogar der Trost helfen, dass andere Übersetzer auch nicht mehr als 100 Seiten pro Tag schaffen. Owei - jetzt habe ich schon den gleichen Hahaha-Humor wie der Autor, den ich verknete... Sollte da doch etwas ins Blut gegangen sein?

update:
Stelle fest, ich habe erst kürzlich Ähnliches gejammert. Ich verspreche, wenn ich einmal mit etwa 90 in Rente gehen werde, Urlaub auf jener geheimnisvollen Insel zu beantragen, auf die alle Leute nur das Beste aller Bücher mitschleppen. Oder ich gestehe, dass ich das Spiel mit der Blut-Hirn-Schranke so drollig fand. Ach was. Ich mach heute einen freien Tag.

2 Kommentare:

  1. Ich weiß, ihr Frauen hört das ganz besonders gern, aber könnte die Erschöpfung auch dran liegen, dass wir alle keine 22 mehr sind?

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  2. Du meinst die Sache mit dem Durchmachen? Eine Woche lang Abifeier ohne Schlaf und mit jeder Menge Billigsekt und Aktivitäten, die einen bis auf die Knochen aussaugen müssten? Und anschließend aufrecht ins Praktikum wanken?
    Hmmm... ich weiß ja nicht, wie Männer das machen, aber ich sollte vielleicht dann in meinem Alter das Getränk wechseln???

    PS: Der Mann in mir: Dichter & Denker, tztztz, wo du dich aber auch herumttreibst...

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