Frust? Nein: Leidenschaft!
Es ist doch vertrackt - ich denke, ich schreibe einfach Tatsachen auf und gerate bei Twitter in den Verdacht, nur meinen persönlichen Frust über den Buchmarkt herauszulassen. Ich solle mir doch einen anderen Beruf suchen, wenn ich so unzufrieden wäre, meinte da jemand sogar. Woher kommt dieser seltsame Eindruck? Schwelge ich zu wenig in der Öffentlichkeit? Bringe ich zu wenig Happy End in mein Blog? Oder haben eher die anderen Schwierigkeiten, den nackten Tatsachen ins Gesicht zu sehen? Gleichzeitig bekomme ich Mails von Kolleginnen und Kollegen, die sich bedanken, dass endlich jemand schonungslos ausspricht, was Sache ist. Und da höre ich von ihren Erfahrungen - und ihrer Angst, das selbst vor Kollegen einzugestehen: Man wolle sich nicht angreifbar machen und keine Schwächen eingestehen. Dabei sage ich auch nicht mehr, als längst im Buchreport, Börsenblatt oder Feuilleton zu lesen ist - ich lese berufsbedingt als Journalistin vielleicht nur mehr Fachartikel als andere.
Falls das schon einmal jemandem aufgefallen sein sollte: Ich schreibe in meinem Blog überhaupt nichts über meine eigenen Verlage, sonst könnten sich die Ärmsten nämlich vor unverlangt eingesandten Manuskripten noch weniger retten. Ich schreibe auch nichts über meine Arbeit diesbezüglich, weil Arbeitsverhältnisse in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Schon von daher können meine Artikel keinerlei persönliche Betroffenheiten wiedergeben. Wenn ich hier berichte, dass Verlage mir als Frau gewisse Dinge nicht abnehmen wollten oder Themen nicht gewagt werden, dann handelt es sich ausschließlich um Verlage, denen ich meine Manuskripte nicht verkauft habe, wohlweislich - Manuskripte, die dann doch von anderen veröffentlicht wurden oder, ebenfalls aus eigener Entscheidung, absichtlich in der Schublade ruhen.
Was ich hier über den Buchmarkt schreibe, ist jedem Insider bekannt und kann mit offenen Augen aus jeder Zeitung gelesen werden. Es ging durch das gesamte Feuilleton, dass in Verlagskonzernen auch A-Ware immer schneller und erbarmungsloser als Altpapier geschreddert wird; es sorgte in allen Medien für Aufmerksamkeit, als die Geschäftspraktiken von Buchketten von innen untersucht wurden und eine Verlegerin anonym (aus Angst) gestand, wie man sie zur Subventionierung einer Rolltreppe "überreden" wollte. Dass Verlage seit einem Jahr ganz sicher und eigentlich schon seit zweien extrem zurückhaltend und riskoscheu beim Ankauf von Manuskripten geworden sind, weiß ebenfalls jeder wache Autor - und nicht nur ich werde Kollegen kennen, denen es in diesem Jahr zum ersten Mal richtig schlecht ging. Wer Zeitung liest, wird auch von der Misere einzelner kleinerer Verlage gelesen haben, wird von Ammanns Verlagsaufgabe gehört haben - die Marktkonzentration ist ein Problem. Wer glaubt, ich ließe nur persönlichen Frust ab, der lese Artikel wie diesen im Börsenblatt oder diesen im Buchreport, Links, die mir Kollegen zusenden, wenn sie meine Beiträge gelesen haben.
Warum schreibe ich so oft über die dunklen Seiten des Berufs, auch auf die Gefahr hin, mich selbst angreifbar zu machen? Es gibt dafür einfache Gründe:
Schriftstellersein kann eine der härtesten Berufungen sein, der Weg dahin und vor allem der Weg des Bleibens verlangen einen ähnlich hohen Preis wie von einem Spitzensportler, von einem Konzertpianisten, von einem Schauspieler oder Dirigenten. Über diesen hohen Preis will niemand mehr reden, die Castinggesellschaft will träumen, will auch "nach oben", am besten über Nacht und möglichst bequem.
Wen interessiert es, dass Konzertmusiker zunehmend Drogen nehmen, weil die Anforderungen des modernen Konzertbetriebs unmenschlich geworden sind? Wen interessiert es, dass manche wirklich guten Schauspieler einfach aus betriebspolitischen Gründen nicht an die richtigen Rollen kommen? Wer mag hinschauen, dass Doping von denen gefördert wurde, die immer noch tollere Stars wollten, die übersättigt waren von rein menschlichem Sport? Warum also davon reden, welche Felsbrocken Autoren wegzuräumen haben, bis eine Idee zum verkauften Buch geworden ist? Die wenigsten möchten wissen, dass hinter den schnellen Erfolgsgeschichten der ganz großen Bestsellerautoren oft jahrelange Maloche und manchmal sogar Misere verborgen bleibt, weil es sich in der PR nicht so gut macht.
Vielleicht ist es Leidenschaft? Wenn man angesichts des Dunkels sagen kann: Und ich liebe diesen Beruf doch und vielleicht gerade deshalb - weil er nicht so einfach und glatt ist, wie ihn viele sich wünschen. Schreiben hat viele Parallelen zum Leben: Man hat mit Schicksalsschlägen fertig zu werden, die einem Situationen und Außenstehende zufügen. Man hat gegen sich selbst zu kämpfen, vor allem gegen diesem faulen und bequemen Schweinehund, der verblendet glaubt, das nächste Manuskript bringe den Durchbruch, mit Trompeten und Fanfaren. Und irgendwann, nach einiger Erfahrung, gerät man in den nächsten Zwiespalt: Man wird zum härtesten Kritiker seiner Selbst, zum absoluten Schwarzmaler - und leidet genau an dieser Eigenschaft manchmal wie ein Hund.
Doch das ist wie beim Schauspieler, wie bei der Primaballerina: Erst wenn ich genau weiß, welcher Schritt falsch war, wenn ich genau spüre, in welcher Nuance ich nicht ganz auf meiner Höhe war, erst dann kann ich mich perfektionieren und lernen. Ich muss meine Stärken kennen, muss wissen, wo meine Talente liegen, sonst überstehe ich die harten Zeiten nicht. Aber noch besser muss ich meine eigenen Begrenzungen sehen, muss die Hindernisse von außen klar erkennen. Denn in diesem Beruf muss ich die Messlatte immer wieder ein Stückchen erhöhen. So hoch, dass ich ein wenig Angst bekomme; keine lähmende, aber Angst, die die Größe des Vorhabens erkennt. So hoch, dass es nicht bequem und idyllisch und lustig ist, darüber zu springen, weil ich sonst nachlässig werde und nachlasse. Aber auch nur so hoch, dass ich mit Arbeit an mir selbst den Absprung tatsächlich schaffen kann.
Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist nun wirklich meine ganz und gar persönliche Auffassung meines Berufs. Man kann auch ganz andere haben und keiner denkt da gleich. Ich bin mir sogar sicher, man könnte es einfacher haben...
Das war jetzt fast so schnell wie Gedankenübertragung, eben entdeckt: Jan Delay schreibt in der FAZ "Wie werde ich Superstar" unter anderem über das nötige Realitätsbewusstsein und die Kenntnis der Tücken. Lesenswert!
Falls das schon einmal jemandem aufgefallen sein sollte: Ich schreibe in meinem Blog überhaupt nichts über meine eigenen Verlage, sonst könnten sich die Ärmsten nämlich vor unverlangt eingesandten Manuskripten noch weniger retten. Ich schreibe auch nichts über meine Arbeit diesbezüglich, weil Arbeitsverhältnisse in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Schon von daher können meine Artikel keinerlei persönliche Betroffenheiten wiedergeben. Wenn ich hier berichte, dass Verlage mir als Frau gewisse Dinge nicht abnehmen wollten oder Themen nicht gewagt werden, dann handelt es sich ausschließlich um Verlage, denen ich meine Manuskripte nicht verkauft habe, wohlweislich - Manuskripte, die dann doch von anderen veröffentlicht wurden oder, ebenfalls aus eigener Entscheidung, absichtlich in der Schublade ruhen.
Was ich hier über den Buchmarkt schreibe, ist jedem Insider bekannt und kann mit offenen Augen aus jeder Zeitung gelesen werden. Es ging durch das gesamte Feuilleton, dass in Verlagskonzernen auch A-Ware immer schneller und erbarmungsloser als Altpapier geschreddert wird; es sorgte in allen Medien für Aufmerksamkeit, als die Geschäftspraktiken von Buchketten von innen untersucht wurden und eine Verlegerin anonym (aus Angst) gestand, wie man sie zur Subventionierung einer Rolltreppe "überreden" wollte. Dass Verlage seit einem Jahr ganz sicher und eigentlich schon seit zweien extrem zurückhaltend und riskoscheu beim Ankauf von Manuskripten geworden sind, weiß ebenfalls jeder wache Autor - und nicht nur ich werde Kollegen kennen, denen es in diesem Jahr zum ersten Mal richtig schlecht ging. Wer Zeitung liest, wird auch von der Misere einzelner kleinerer Verlage gelesen haben, wird von Ammanns Verlagsaufgabe gehört haben - die Marktkonzentration ist ein Problem. Wer glaubt, ich ließe nur persönlichen Frust ab, der lese Artikel wie diesen im Börsenblatt oder diesen im Buchreport, Links, die mir Kollegen zusenden, wenn sie meine Beiträge gelesen haben.
Warum schreibe ich so oft über die dunklen Seiten des Berufs, auch auf die Gefahr hin, mich selbst angreifbar zu machen? Es gibt dafür einfache Gründe:
- Immer wieder werde ich mit der irrigen Meinung von LeserInnen konfrontiert, ein Schriftsteller habe mit der ersten Veröffentlichung ausgesorgt und lebe mindestens mit Swimmingpool im Reichenhimmel auf Erden. Dieser durch Promiberichte entstandenen Boulevardisierung möchte ich mit der Realität entgegenwirken.
- Ich möchte aber auch den rosigen, völlig abstrusen und vollmundigen Versprechungen sogenannter Pseudoverlage entgegenwirken, die glauben machen, wenn man als Autor ordentlich Geld löhne, werde man garantiert schnell reich und berühmt und habe einen Job wie Zuckerschlecken. Nein, hat man nicht. Man hat weniger Geld nach so einer Dummheit, das ist alles.
- Ich glaube fest daran, dass man diesen wahnsinnigen und wahnsinnig schönen Beruf nur durchhält, wenn man offenen Auges auch die Abgründe anblicken kann. Keinem Ballettschüler wird verschwiegen, dass man sich auf dem Weg zur Primaballerina die Füße blutig tanzt und Schmerzen aushalten muss. Warum sollen wir Älteren angehenden Autoren etwas vormachen? Nur, damit sie nachher noch schlimmer aus ihren Illusionen geschreckt werden? Ich wäre froh gewesen, wenn mit mir jemand von Anfang an schonungslos offen geredet hätte - ich hätte mir einige Umwege sparen können.
Schriftstellersein kann eine der härtesten Berufungen sein, der Weg dahin und vor allem der Weg des Bleibens verlangen einen ähnlich hohen Preis wie von einem Spitzensportler, von einem Konzertpianisten, von einem Schauspieler oder Dirigenten. Über diesen hohen Preis will niemand mehr reden, die Castinggesellschaft will träumen, will auch "nach oben", am besten über Nacht und möglichst bequem.
Wen interessiert es, dass Konzertmusiker zunehmend Drogen nehmen, weil die Anforderungen des modernen Konzertbetriebs unmenschlich geworden sind? Wen interessiert es, dass manche wirklich guten Schauspieler einfach aus betriebspolitischen Gründen nicht an die richtigen Rollen kommen? Wer mag hinschauen, dass Doping von denen gefördert wurde, die immer noch tollere Stars wollten, die übersättigt waren von rein menschlichem Sport? Warum also davon reden, welche Felsbrocken Autoren wegzuräumen haben, bis eine Idee zum verkauften Buch geworden ist? Die wenigsten möchten wissen, dass hinter den schnellen Erfolgsgeschichten der ganz großen Bestsellerautoren oft jahrelange Maloche und manchmal sogar Misere verborgen bleibt, weil es sich in der PR nicht so gut macht.
Vielleicht ist es Leidenschaft? Wenn man angesichts des Dunkels sagen kann: Und ich liebe diesen Beruf doch und vielleicht gerade deshalb - weil er nicht so einfach und glatt ist, wie ihn viele sich wünschen. Schreiben hat viele Parallelen zum Leben: Man hat mit Schicksalsschlägen fertig zu werden, die einem Situationen und Außenstehende zufügen. Man hat gegen sich selbst zu kämpfen, vor allem gegen diesem faulen und bequemen Schweinehund, der verblendet glaubt, das nächste Manuskript bringe den Durchbruch, mit Trompeten und Fanfaren. Und irgendwann, nach einiger Erfahrung, gerät man in den nächsten Zwiespalt: Man wird zum härtesten Kritiker seiner Selbst, zum absoluten Schwarzmaler - und leidet genau an dieser Eigenschaft manchmal wie ein Hund.
Doch das ist wie beim Schauspieler, wie bei der Primaballerina: Erst wenn ich genau weiß, welcher Schritt falsch war, wenn ich genau spüre, in welcher Nuance ich nicht ganz auf meiner Höhe war, erst dann kann ich mich perfektionieren und lernen. Ich muss meine Stärken kennen, muss wissen, wo meine Talente liegen, sonst überstehe ich die harten Zeiten nicht. Aber noch besser muss ich meine eigenen Begrenzungen sehen, muss die Hindernisse von außen klar erkennen. Denn in diesem Beruf muss ich die Messlatte immer wieder ein Stückchen erhöhen. So hoch, dass ich ein wenig Angst bekomme; keine lähmende, aber Angst, die die Größe des Vorhabens erkennt. So hoch, dass es nicht bequem und idyllisch und lustig ist, darüber zu springen, weil ich sonst nachlässig werde und nachlasse. Aber auch nur so hoch, dass ich mit Arbeit an mir selbst den Absprung tatsächlich schaffen kann.
Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist nun wirklich meine ganz und gar persönliche Auffassung meines Berufs. Man kann auch ganz andere haben und keiner denkt da gleich. Ich bin mir sogar sicher, man könnte es einfacher haben...
Das war jetzt fast so schnell wie Gedankenübertragung, eben entdeckt: Jan Delay schreibt in der FAZ "Wie werde ich Superstar" unter anderem über das nötige Realitätsbewusstsein und die Kenntnis der Tücken. Lesenswert!
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