Wozu Verlage? (Teil 1)
Als meine Freundin gestern hörte, wie lange es im Schnitt selbst mit Literaturagentur dauert, bis sich ein Verlag zum Kauf eines Manuskripts entscheidet (und andere derweil ablehnen) und bis das gute Stück fertig bearbeitet, gedruckt und im Handel gelandet ist, musste sie jappsen. "Wieso tust du dir das an, das kannst du doch heutzutage sofort selbst drucken!" Als ich ihr erklärte, wie viel Zeit, Geld und professionelle (!) Arbeit ich in Selbstgedrucktes investieren müsste, um annähernd den gleichen Erfolg zu haben, jappste sie noch einmal.
Die meisten Laien glauben, ein Verlag verbessere ein wenig "herum", drucke - und fertig. Manche wissen, es gibt in größeren Verlagen eine Presseabteilung und irgendwelche Ober- und Oberoberlektoren oder so etwas ähnliches. Grafik, Vertrieb, das ordnen auch viele einem Verlag zu. Was aber Verlage im Hintergrund noch so alles tun, wissen selbst manche Kollegen nicht. Ich will einmal einige dieser Facetten beleuchten. Alle Beispiele sind willkürlich und spontan gewählt und keine Qualitätsurteile.
Die bekannteren Vorteile:
Qualitätsstandard und Stammleser
Verlage garantieren einen gewissen Qualitätsstandard, der natürlich wie in jedem Unternehmen auch einmal unterlaufen oder übertroffen werden kann. In der Regel weiß ich jedoch als Leser, dass ich weder mit einem Tagebuch von Tante Erna behelligt werde (es sei denn, sie ist Promi) noch das selbstverliebte Psychogesäusel von Hempel über eine Fliege an der Wand ertragen muss (es sei denn Hempel hat in Leipzig studiert, sorry, der Kalauer musste sein). Ich muss mich also nicht durch das wühlen, was im Internet wuchert: Dilettantismus. Manche Verlage haben sogar ein derart scharf gezeichnetes Qualitätsprofil, dass sie damit bekannt wurden, Beispiele wären die Diogenes-Krimis, die Dumont Bildungsreiseführer oder die bunten Bilder von Taschen. Während es bei den Riesenverlagen eher wabert (ob der historische Roman bei Random House oder rororo erscheint, ist letztlich egal geworden), stehen vor allem kleinere Verlage für ein ausgeklügeltes, sehr eigenes Programm (nehmen wir mal den Verbrecherverlag, Konkursbuchverlag oder Voland & Quist).
Für den Leser ist der Vorteil klar: Als Krimifan brauche ich Kinderbuchverlage gar nicht erst anzuschauen. Darin liegt auch der Vorteil für Autoren: Mit einer Kochlöffelkulturgeschichte treffe ich am ehesten im Kochbuchverlag oder im Verlag mit schrägen Kulturgeschichten auf potentielles Publikum. Komme ich derart passend unter, muss ich nicht - wie im Selbstverkauf - von vornherein Streuverluste in großer Höhe einplanen. Anders ist das bei weniger eingrenzbaren Projekten, etwa der Liebesgeschichte auf dem englischen Schloss, die so viele machen. Da braucht es dann einen Werbeapparat - und das kostet richtig viel Geld.
Finanzierung und Wirtschaftlichkeit
Hier sieht man einen Vorteil, den die wenigsten beachten: Ein Verlag finanziert ein Buch, nicht der Autor! Der bekommt im Gegenteil natürlich auch einen Vorschuss (in aushandelbarer Höhe und nicht immer) und Tantiemen von den verkauften Büchern. Auch wenn das im Vergleich zu "ordentlichen" Berufen jämmerlich wenig ist, gibt es doch Ellenbogenfreiheit für die Arbeit. Vor allem werde ich als Autor vom Verlag für meine Arbeit bezahlt - und nicht etwa umgekehrt.
Hier sitzt ein Vorteil und gleichzeitig ein Nachteil für den Autor. Verlage müssen nämlich wirtschaftlich denken, haben eine Verantwortung als Firma, auch gegenüber den Angestellten. Erna und Hempel können mit selbstgestrickten Projekten auf die Nase fallen, das ist dann ihr Privatproblem. Wird mein Manuskript von einem Verlag gekauft, weiß ich also, dass dieser sich genügend Erfolg damit ausrechnet, um wirtschaftlich zu sein. Ich schreibe nicht in den Wind. Ich kann mir vorstellen, dass der Verlag dafür auch einiges tun wird, er will ja schließlich auch etwas einnehmen. Schön so weit. So war das früher überall. Das ist das Ideal. Und je niedriger die Finanzkraft des Verlags, desto mehr muss er sich da anstrengen (wobei natürlich keiner vor Misswirtschaft gefeit ist).
Nun gibt es aber zunehmend das Phänomen, das in Autorenkreisen als "Altpapier" bezeichnet wird (das Feuilleton berichtete zur Buchmesse über Schredderaktionen). Konzerne machen das bei Trendthemen. Herrscht z.B. seit Jahren der absolute Hype für Liebesromane, die an der Börse spielen, kaufen diese zu den meist extrem teuren Bestsellerlizenzen aus dem Ausland extrem billige Fleißschreiberlein aus dem Inland ein. Plötzlich schreibt jeder vierte aus Frankfurt Börsenliebesromane, mindestens einen pro Jahr - und das bei jedem großen Verlag. Unternehmerisch gesehen dient das als "Füllmasse".
Das ist wie bei der Shampoofirma, die vielleicht vier wirklich tolle Shampoos kreiert hat. Um sich aber zur Nr. 1 am Markt aufzublasen und Regalflächen in den Discountern großflächig zu besetzen, muss sie noch viel mehr Shampoos auf den Markt werfen, die eigentlich keiner braucht. Sie kann ja nicht daherkommen wie der Popelkonkurrent, der eben noch den Russenmarkt bestückt hat. Das Shampoo für halbmittelkurzes fettiges Haar an Montagen dient also lediglich dazu, das Antifettshampoo noch massiver in den Handel zu drücken. Wird es unverhofft zum Renner, hat man sich als Nr. 1 wieder bestätigt und schlachtet die Sache aus, solange es geht. Ein Glücksfall, denn man hat dafür ja fast nichts investiert, schon gar keine Werbung. Bleibt es wie erwartet im Regal liegen, kommt es ins Recycling und der nächste Produktmanager darf sich bewerben. Traurig muss man nicht sein, denn man hat ja dafür fast nichts investiert.
Der Kunde merkt den Unterschied nicht. Im Idealfall glaubt er, dringend ein Shampoo für Haare an Montagen zu benötigen. Denn wenn so viele Flaschen davon im Regal in bester Reichweitenlage stehen, müssen doch ganz viele Menschen so etwas benötigen? Dann ist es doch irgendwie "in"? Ausprobieren, bevor Tante Erna schneller ist...
Für den Autor sieht es schwieriger aus: Er ahnt nämlich nicht, ob er "echt" eingekauft wurde oder als "Altpapier". Er weiß auch vielleicht nicht, dass man heutzutage sehr genau hinschauen muss und abwägen - und dass man sich in dieser Hinsicht sogar den Verlag aussuchen muss. Kann man nicht, weil man froh sein muss zu veröffentlichen? Kann man. Nein sagen kann man immer. Veröffentlichen muss man nicht um jeden Preis.
Alles ein Märchen? Nein, immer wieder nachzulesen in Branchenblättern und dem großen Feuilleton. Ich selbst kenne eine Sachbuchautorin, deren Taschenbuch nach sage und schreibe vier Monaten verramscht wurde - sie hatte nicht "ihr" Buch geschrieben, sondern einen Trend nach Auftrag bedient, in dem sie als Newcomer völlig unterging. Vier Wochen später gab es die nächsten Neuerscheinungen. Ich kenne einen Romanautor, Trendthema, der es auf immerhin 500 verkaufte Exemplare im ersten Jahr in einem Konzern brachte und trotzdem noch einen zweiten und dritten Vertrag bekam! Dann war er weg vom Fenster, Altpapier (mit guter Eigen-PR und ordentlichen Verkaufs-Kanälen kann man diese Auflagenhöhe im Eigenverkauf erreichen).
Es gibt also in der Tat inzwischen Grenzen, wo einem zumindest verkaufstechnisch ein Verlag nicht mehr zwingend das bringt, was früher getan wurde. Allerdings muss ich mir überlegen, ob ich das Notwendige im Eigenverlag selbst professionell leisten kann. Und ob ich neben der Schreibarbeit die Zeit habe.
Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch im Vorfeld die Möglichkeit, mich nicht unbedingt altpapierverdächtig zu machen ... aber das ist wiederum eine Kunst... Und ein bißchen, wie alles in diesem Beruf, Roulette.
Mein Tipp, die Schredderrate eines Verlags zu überprüfen, ist übrigens ganz einfach:
1. In der Online-Büchersuche schauen, ob Trendbücher von deutschsprachigen Autoren nach einem Jahr noch lieferbar sind (oder zweien - je nach Thema)
2. Je gepflegter und umfangreicher die Backlist, desto besser für den Autor und das Überleben eines Buchs.
Im nächsten Teil die eher unbekannteren Vorteile...
Die meisten Laien glauben, ein Verlag verbessere ein wenig "herum", drucke - und fertig. Manche wissen, es gibt in größeren Verlagen eine Presseabteilung und irgendwelche Ober- und Oberoberlektoren oder so etwas ähnliches. Grafik, Vertrieb, das ordnen auch viele einem Verlag zu. Was aber Verlage im Hintergrund noch so alles tun, wissen selbst manche Kollegen nicht. Ich will einmal einige dieser Facetten beleuchten. Alle Beispiele sind willkürlich und spontan gewählt und keine Qualitätsurteile.
Die bekannteren Vorteile:
Qualitätsstandard und Stammleser
Verlage garantieren einen gewissen Qualitätsstandard, der natürlich wie in jedem Unternehmen auch einmal unterlaufen oder übertroffen werden kann. In der Regel weiß ich jedoch als Leser, dass ich weder mit einem Tagebuch von Tante Erna behelligt werde (es sei denn, sie ist Promi) noch das selbstverliebte Psychogesäusel von Hempel über eine Fliege an der Wand ertragen muss (es sei denn Hempel hat in Leipzig studiert, sorry, der Kalauer musste sein). Ich muss mich also nicht durch das wühlen, was im Internet wuchert: Dilettantismus. Manche Verlage haben sogar ein derart scharf gezeichnetes Qualitätsprofil, dass sie damit bekannt wurden, Beispiele wären die Diogenes-Krimis, die Dumont Bildungsreiseführer oder die bunten Bilder von Taschen. Während es bei den Riesenverlagen eher wabert (ob der historische Roman bei Random House oder rororo erscheint, ist letztlich egal geworden), stehen vor allem kleinere Verlage für ein ausgeklügeltes, sehr eigenes Programm (nehmen wir mal den Verbrecherverlag, Konkursbuchverlag oder Voland & Quist).
Für den Leser ist der Vorteil klar: Als Krimifan brauche ich Kinderbuchverlage gar nicht erst anzuschauen. Darin liegt auch der Vorteil für Autoren: Mit einer Kochlöffelkulturgeschichte treffe ich am ehesten im Kochbuchverlag oder im Verlag mit schrägen Kulturgeschichten auf potentielles Publikum. Komme ich derart passend unter, muss ich nicht - wie im Selbstverkauf - von vornherein Streuverluste in großer Höhe einplanen. Anders ist das bei weniger eingrenzbaren Projekten, etwa der Liebesgeschichte auf dem englischen Schloss, die so viele machen. Da braucht es dann einen Werbeapparat - und das kostet richtig viel Geld.
Finanzierung und Wirtschaftlichkeit
Hier sieht man einen Vorteil, den die wenigsten beachten: Ein Verlag finanziert ein Buch, nicht der Autor! Der bekommt im Gegenteil natürlich auch einen Vorschuss (in aushandelbarer Höhe und nicht immer) und Tantiemen von den verkauften Büchern. Auch wenn das im Vergleich zu "ordentlichen" Berufen jämmerlich wenig ist, gibt es doch Ellenbogenfreiheit für die Arbeit. Vor allem werde ich als Autor vom Verlag für meine Arbeit bezahlt - und nicht etwa umgekehrt.
Hier sitzt ein Vorteil und gleichzeitig ein Nachteil für den Autor. Verlage müssen nämlich wirtschaftlich denken, haben eine Verantwortung als Firma, auch gegenüber den Angestellten. Erna und Hempel können mit selbstgestrickten Projekten auf die Nase fallen, das ist dann ihr Privatproblem. Wird mein Manuskript von einem Verlag gekauft, weiß ich also, dass dieser sich genügend Erfolg damit ausrechnet, um wirtschaftlich zu sein. Ich schreibe nicht in den Wind. Ich kann mir vorstellen, dass der Verlag dafür auch einiges tun wird, er will ja schließlich auch etwas einnehmen. Schön so weit. So war das früher überall. Das ist das Ideal. Und je niedriger die Finanzkraft des Verlags, desto mehr muss er sich da anstrengen (wobei natürlich keiner vor Misswirtschaft gefeit ist).
Nun gibt es aber zunehmend das Phänomen, das in Autorenkreisen als "Altpapier" bezeichnet wird (das Feuilleton berichtete zur Buchmesse über Schredderaktionen). Konzerne machen das bei Trendthemen. Herrscht z.B. seit Jahren der absolute Hype für Liebesromane, die an der Börse spielen, kaufen diese zu den meist extrem teuren Bestsellerlizenzen aus dem Ausland extrem billige Fleißschreiberlein aus dem Inland ein. Plötzlich schreibt jeder vierte aus Frankfurt Börsenliebesromane, mindestens einen pro Jahr - und das bei jedem großen Verlag. Unternehmerisch gesehen dient das als "Füllmasse".
Das ist wie bei der Shampoofirma, die vielleicht vier wirklich tolle Shampoos kreiert hat. Um sich aber zur Nr. 1 am Markt aufzublasen und Regalflächen in den Discountern großflächig zu besetzen, muss sie noch viel mehr Shampoos auf den Markt werfen, die eigentlich keiner braucht. Sie kann ja nicht daherkommen wie der Popelkonkurrent, der eben noch den Russenmarkt bestückt hat. Das Shampoo für halbmittelkurzes fettiges Haar an Montagen dient also lediglich dazu, das Antifettshampoo noch massiver in den Handel zu drücken. Wird es unverhofft zum Renner, hat man sich als Nr. 1 wieder bestätigt und schlachtet die Sache aus, solange es geht. Ein Glücksfall, denn man hat dafür ja fast nichts investiert, schon gar keine Werbung. Bleibt es wie erwartet im Regal liegen, kommt es ins Recycling und der nächste Produktmanager darf sich bewerben. Traurig muss man nicht sein, denn man hat ja dafür fast nichts investiert.
Der Kunde merkt den Unterschied nicht. Im Idealfall glaubt er, dringend ein Shampoo für Haare an Montagen zu benötigen. Denn wenn so viele Flaschen davon im Regal in bester Reichweitenlage stehen, müssen doch ganz viele Menschen so etwas benötigen? Dann ist es doch irgendwie "in"? Ausprobieren, bevor Tante Erna schneller ist...
Für den Autor sieht es schwieriger aus: Er ahnt nämlich nicht, ob er "echt" eingekauft wurde oder als "Altpapier". Er weiß auch vielleicht nicht, dass man heutzutage sehr genau hinschauen muss und abwägen - und dass man sich in dieser Hinsicht sogar den Verlag aussuchen muss. Kann man nicht, weil man froh sein muss zu veröffentlichen? Kann man. Nein sagen kann man immer. Veröffentlichen muss man nicht um jeden Preis.
Alles ein Märchen? Nein, immer wieder nachzulesen in Branchenblättern und dem großen Feuilleton. Ich selbst kenne eine Sachbuchautorin, deren Taschenbuch nach sage und schreibe vier Monaten verramscht wurde - sie hatte nicht "ihr" Buch geschrieben, sondern einen Trend nach Auftrag bedient, in dem sie als Newcomer völlig unterging. Vier Wochen später gab es die nächsten Neuerscheinungen. Ich kenne einen Romanautor, Trendthema, der es auf immerhin 500 verkaufte Exemplare im ersten Jahr in einem Konzern brachte und trotzdem noch einen zweiten und dritten Vertrag bekam! Dann war er weg vom Fenster, Altpapier (mit guter Eigen-PR und ordentlichen Verkaufs-Kanälen kann man diese Auflagenhöhe im Eigenverkauf erreichen).
Es gibt also in der Tat inzwischen Grenzen, wo einem zumindest verkaufstechnisch ein Verlag nicht mehr zwingend das bringt, was früher getan wurde. Allerdings muss ich mir überlegen, ob ich das Notwendige im Eigenverlag selbst professionell leisten kann. Und ob ich neben der Schreibarbeit die Zeit habe.
Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch im Vorfeld die Möglichkeit, mich nicht unbedingt altpapierverdächtig zu machen ... aber das ist wiederum eine Kunst... Und ein bißchen, wie alles in diesem Beruf, Roulette.
Mein Tipp, die Schredderrate eines Verlags zu überprüfen, ist übrigens ganz einfach:
1. In der Online-Büchersuche schauen, ob Trendbücher von deutschsprachigen Autoren nach einem Jahr noch lieferbar sind (oder zweien - je nach Thema)
2. Je gepflegter und umfangreicher die Backlist, desto besser für den Autor und das Überleben eines Buchs.
Im nächsten Teil die eher unbekannteren Vorteile...
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