Der digitale Lektor
Ich habe das natürlich sofort geglaubt, weil es in den USA bereits seit locker fünzehn Jahren Drehbuch-Software gibt, bei der man nur noch eintippen muss: "Held, 35, 1,98 m, blond, reich" und die Software spuckt aus: "Antagonist, 53, 1,65 m, schwarzlockig, Penner".
So ein Lektor wäre auch äußerst hilfreich beim zeitsparenden Durchscannen unverlangt eingesandter Manuskripte; nicht einmal die alten Formbriefe müssten umgeschrieben werden: "Ihr Manuskript passt leider nicht in unser Programm."
Dann erzählte mir eine Übersetzerkollegin aus Frankreich, wie "Billigware" übersetzt würde - sie meinte damit die Schmöker, die stapelweise an der Kasse von Buchketten liegen. Drei Tage habe ein französischer Kollege für 200 Seiten bei gewissen Verlagen. Sollte das je ein normaler, noch nicht genmanipulierter Mensch schaffen, wäre die Qualität mehr als saumäßig. Also behelfen sich die Kollegen, eine Literaturzeitung hat es aufgedeckt: Da werden Anfang und Ende gelesen und ordentlich übersetzt, dazwischen ein paar auffallende Ausdrücke aufgeschnappt - und dann füllt der Übersetzer den Zwischenraum mit eigenem Text. Da anscheinend auch die Leser nur Anfang und Ende solcher Bücher aufmerksam lesen, ist von der Erfindungsgabe der Übersetzer anscheinend vorher nie etwas aufgefallen. Aber einer, den Namen habe ich leider vergessen, ist jetzt ganz bekannt dafür, dass er seine Fantasie verschiedenen Genreautoren leiht.
Deshalb haut mich das Spielzeug jetzt gar nicht gleich um, das mir ein Kollege geschickt hat. Höchst vergnüglich kann man jetzt durch eine Software überprüfen lassen, wem das eigene Schreiben ähnelt. Für Stapelware enorm wichtig, weil solche Verlage immer ganz fett aufs Buch drucken: "Der neue Grisham!", "Erfindet Plots wie Dan Brown und bringt Dialoge wie in Snoopy". Vor der nächsten Verlagsbewerbung also unbedingt die eigenen Fähigkeiten testen!
Die deutschsprachige Beschreibung gibt es hier und testen kann man seine Schreibe hier.
Achtung. Jetzt kommt der Hammer. Die niedlichen kleinen Algorithmen sind auf Englisch getrimmt. Man müsste also seine Texte erst mal literarisch übersetzen lassen. Theoretisch. Aber ich dachte mir frech, wenn ein in Montenegro lebender Russe eine amerikanische Software bastelt, warum zum Teufel soll die dann nur auf Englisch reagieren? Also gab ich einen Teil meines Nijinsky ein - in deutscher Sprache.
Das Programm hat den Text geschluckt und nicht gerülpst. Im Gegenteil, ich habe es jetzt amtlich: "I write like Edgar Allan Poe".
Gar nicht so irre offensichtlich, denn meine Texte leiden unter einer gespaltenen Persönlichkeit. Im Blog sei ich eindeutig ein zweiter Kurt Vonnegut.
Ganz ehrlich: Solche Komplimente hat mir noch nie ein Lektor aus Fleisch und Blut gemacht! Ich bin also auch für den digitalen Lektor. Und dann sorgt der Algorithmus automatisch dafür, dass alle Sprachen irgendwie gleich sind, und dann erfinden wir den digitalen Übersetzer und den digitalen Leser noch dazu. Denn die aus Fleisch und Blut, haben wir in Frankreich gesehen, lesen eh nur noch Anfang und Ende ihrer Schmöker.
Bevor ich jetzt wieder auf irgendwas hereinfalle ( ich erinnere an meine Gutgläubigkeit mit dem Absagebrief vom Verlag :-/ ): Ist das "echt wahr". Petra? So eine Software gibt es?
AntwortenLöschenKlick den Link an, teste es!
AntwortenLöschenIch glaub, der Edgar Allen ist die Standardantwort. Ich schreibe auch wie er.....
AntwortenLöschenAlle deutschen Autoren schreiben nach dieser Software wie Poe. Voreingestellter Nationalalgorithmus: Deutsch = gespaltene Persönlichkeit = E.A. Poe.
AntwortenLöschenSo ist das nämlich. Echt wahr. Vielleicht.
I write like Annie Rice ;-)
AntwortenLöschenSehr witzig. Auf deutsch schreibe ich auch wie Kurt Vonnegut. Spasseshalber habe ich eine Passage auf Englisch geschrieben:
AntwortenLöschenCory Doctorow.
Irgend so ein Science Fiction - Autor, von dem ich noch nie gehört habe, und ich kann Science Fiction nicht ausstehen!
Da wäre mir Poe eindeutig lieber gewesen, quoth the raven.
Gruss
Nikola
ohmegod, bei mir steht: your writing is horrible, please find a new hobby ;-)
AntwortenLöschen@Madam: Das ist ja zum Schießen - was hast du gemacht mit dem armen Programm?
AntwortenLöschenÜbrigens verschweigt ihr alle, was man euch geraten hat, um euer Schreiben zu verbessern....
Bäh, mir hat keiner Ratschläge gegeben, dabei hätte ich die als Poe-Vonnegut so nötig gehabt!!! Madam hat irgendwas getrickst, vielleicht Ausssie-English? ;-)
AntwortenLöschenpardon, zwei s hätten auch gereicht...
AntwortenLöschenLiebe Petra,
AntwortenLöschenWir arbeiten seit einiger Zeit in unserer Schreibgruppe an einer "Pilcher-Maschine". Entstanden ist das als Juxprojekt, weil wir uns immer gefragt haben, wie gewisse Autoren ihre Themen finden. Die ersten Versuche programmiert in Java) waren vielversprechend ...
Liebe Grüße,
Peter
Ich habe den Satz jetzt mal von google übersetzen lassen. Jetzt heißt es: Ihre Schreibe ist wunderbar einzigartig, weiter so ;-)
AntwortenLöschen@Jan Meine Hinweise, im Laufe der Zeit mühsam erkannt: Viel und bewusster lesen, viel üben, wenig erklären, nicht zu viele Ratgeber lesen, Kritik annehmen, sich darüber klar sein, warum man ausgerechnet dieses Buch schreiben will, das Geschriebene immer wieder Wochen lang liegen lassen, um dann mit frischen Augen zum 1000 Mal zu lesen, bis einem der eigene Text zuwider geworden ist.
Sich in Geduld üben, sich schlechte Texte durchlesen und überlegen, warum der Text einen nicht anspricht. Gute Texte lesen und sich überlegen, warum einen dieser Text auch nicht anspricht, ein wenig anspricht oder wirklich anspricht. Es "besser" machen und dabei immer seinen eigenen Schreibstil berücksichtigen. Aktivsätze bilden, hölzerne Dialoge vermeiden, seine Figuren sehen können.
Anschließend weiter machen oder aufgeben oder seine eigenen Ratschläge erfinden :-)
PS Niemals Text in einen digitalen Lektor eingeben :-)
@Madam: Der Beitrag ist fast zu schade für einen Kommentar! :-)
AntwortenLöschen@Peter
Was Twitter aber auch immer Leute hier anschwemmt ;-) Kann man die Pilchermaschine subskribieren? Dann hätte ich gern zwei! Eine für mich, weil ich offiziell agenturgeprüft vollkommen unfähig zu Liebesschmalz bin. Und eine für meine Tante Erna, die mir immer sagt, ich solle endlich "richtige" Bücher schreiben, wo sich zwei suchen und kriegen und die Sätze nicht immer so kompliziert seien. Dann könnte sie endlich aus ihrem Tagebuch, aus dem sie schon immer mal ein Buch machen wollte, in einen Pilcher-Bestseller umhacken!
Na ja, letztendlich wird dieses Programm sich wohl auf Dinge wie Satzlänge, Zeichensetzung etc. berufen. Da muss man nicht unbedingt wissen, in welcher Sprache der Testtext geschrieben ist. Allerdings vertut man sich dann schnell, denn das Deutsche z.B. ist ja reicher an Kommata als das Englische.
AntwortenLöschenViel aufregender finde ich die Sache mit den Übersetzern, die sich einfach eigene Texte ausdenken - ich kenne keinen "echten" Autor, der 200 Seiten Text in 3 Tagen produzieren könnte. Das geht ja auch nicht wesentlich schneller als Übersetzen.
Chapeau, Kollege!
Gut beobachtet, das ist mir noch gar nicht aufgefallen! Ich kenne zwar Auftragsautoren, die ein seichtes Buch innerhalb von 14 Tagen in die Tasten geknallt haben, aber hier könnte sich die Literaturzeitschrift geirrt haben - oder dem Übersetzer ist ein guter PR-Coup gelungen? Oder er macht es wie Dumas: mit einer Kollegenfabrik ;-)
AntwortenLöschenWie dem auch sei, leider steigen die Forderungen für Seitendurchsatz im Bereich "Lesefutter" gewaltig, das höre ich auch immer wieder von Romanautoren im Genre.
Und von mir auch ein Chapeau: Japanisch und Arabisch - eine ganz schön anspruchsvolle Kombination!
Sehr amüsant. Eine meiner Blogrezensionen geht glatt auch als Poe durch. Ich sollte umsatteln ...
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