Französisch-russisches Kulturjahr 2010
Fragt mich gestern mal wieder einer, warum ich nicht mehr übers Elsass schreibe und nur noch "über so'n exotischen Kram". Damit hat er sich die Antwort selbst gegeben. Es ist verdammt schwer, weil oft langweilig, über den Alltag zu schreiben, über das, was man alle Tage so dicht vor der Nase hat, dass man es manchmal gar nicht mehr zu schätzen weiß. Ich müsste dann vielleicht auch über all die Aufreger berichten, mit denen man sich im Alltag wie bei der Arbeit herumschlägt; etwa über das allbekannte, leider allzu wahre Klischee von Pariser Betonköpfen, die das Elsass für eine westsibirische Provinz halten und auch in Europaarbeit hineinpfuschen können, dass man glaubt, in Schilda zu leben.
Davon schalte ich in den Kaffeepausen gern ab. Die Betonköpfe würde ich gern überhaupt abschalten. Im nicht abgeschalteten wahren Leben bleibe ich natürlich weiter überzeugte Europäerin, nage beharrlich am Beton für neue Brücken-Köpfe und freue mich jedes Mal diebisch, wenn sich in ganz normalen Menschen etwas bewegt, obwohl die Politiker oft alles dafür tun, dass dies verhindert wird.
Dass ich dann dauernd in östliche Weiten umschalte, hat nichts mit Verherrlichung oder Romantisierung zu tun, wie mir auch schon unterstellt wurde. Wenn ich für russische Literatur ein Faible habe, bin ich mir trotzdem bewusst, dass das Land von meiner Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kosmisch weit entfernt ist - aber das denken auch Menschen, die dort leben - und Schriftsteller sind oft die Menschen, die zuerst ganz genau hinschauen. Irgendwie hat das eine mit dem anderen sehr viel zu tun, das Abschalten mit dem Umschalten, das Ferne mit dem Nahen. Reflexion des Eigenen durchs Ungewohnte. In diesem Jahr und in Frankreich ganz besonders.
Ich will natürlich nicht verhehlen, dass ich mein Blog gründlich missbrauche. Natürlich rede ich ständig von meiner Arbeit und nur von meiner Arbeit, teste sogar Gedanken an. Und die besteht in der Fertigstellung der Übersetzung, über die ich erst reden kann, wenn sie im Buchhändlerprospekt erscheint. Von der ich aber verraten kann, dass sie sich, da aus dem Französischen, mit etwas in Frankreich beschäftigt. Vorblubbern kann ich jedoch, was als eigenes Buch auf mich zukommt, woran ich im Winter vor allem arbeiten werde.
Falsch: Ich arbeite längst daran. Sauge mich voll mit russischer Avantgarde, Geschichte, Kulturgeschichte, mit Denkgebäuden, Künstlerideen. Gar nicht so einfach, weil man erst in den letzten Jahren an gute Originalquellen in Übersetzungen kommt - und weil ich vor allem keine darin studierte Spezialistin bin. Erst einmal tauche ich also in all das, was ich noch nicht weiß, was mir fremd ist und neu und anders. Irgendwann, nein bald, wird der Punkt erreicht sein, dass ich es fühlen kann, dass ich mich einfühlen kann.
An diesem Punkt werde ich dann meine Mannschaft im Buch in die Emigration begleiten, in den Westen - nach Paris. Und werde hoffentlich besser verstehen, warum ihre absolut bahnbrechende Kulturleistung nur möglich war, weil sie im eigenen Land verhindert und im neuen Land von Einheimischen allein nicht zu leisten war. Damals fanden sich Menschen aus zwei völlig verschiedenen Kulturkreisen, die sich in die Welt des jeweils anderen einfühlen konnten, sich gegenseitig befruchteten und damit ihre Welten veränderten. Neues schufen. Wenn das nicht ein hochaktueller Stoff ist!
Wem das zu verklausuliert sein mag: Ich hatte ja bereits im vergangenen Jahr unter Vertrag ein Buch über den Tänzer und das epochale Ausnahmegenie Vaslav Nijinsky geschrieben, das der Verlag leider aus unvorhergesehenen Gründen (die nichts mit mir zu tun hatten) nicht produzieren konnte. Ich blieb den Ballets Russes natürlich die ganze Zeit treu - und sie sind es, die mich im nächsten, hoffentlich nicht gar so verfrorenen Winter beim Samowartee begleiten werden. Wie passend, dass Paris 2010 zum "Französisch-russischen Jahr" in Kunst und Kultur gemacht hat. Hier funktioniert Europa dann plötzlich wieder, dieses Kulturjahr findet natürlich auch im Elsass nebst Grenzraum statt - die Russen treten sowohl in Colmar als auch in Baden-Baden auf.
Davon schalte ich in den Kaffeepausen gern ab. Die Betonköpfe würde ich gern überhaupt abschalten. Im nicht abgeschalteten wahren Leben bleibe ich natürlich weiter überzeugte Europäerin, nage beharrlich am Beton für neue Brücken-Köpfe und freue mich jedes Mal diebisch, wenn sich in ganz normalen Menschen etwas bewegt, obwohl die Politiker oft alles dafür tun, dass dies verhindert wird.
Dass ich dann dauernd in östliche Weiten umschalte, hat nichts mit Verherrlichung oder Romantisierung zu tun, wie mir auch schon unterstellt wurde. Wenn ich für russische Literatur ein Faible habe, bin ich mir trotzdem bewusst, dass das Land von meiner Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kosmisch weit entfernt ist - aber das denken auch Menschen, die dort leben - und Schriftsteller sind oft die Menschen, die zuerst ganz genau hinschauen. Irgendwie hat das eine mit dem anderen sehr viel zu tun, das Abschalten mit dem Umschalten, das Ferne mit dem Nahen. Reflexion des Eigenen durchs Ungewohnte. In diesem Jahr und in Frankreich ganz besonders.
Ich will natürlich nicht verhehlen, dass ich mein Blog gründlich missbrauche. Natürlich rede ich ständig von meiner Arbeit und nur von meiner Arbeit, teste sogar Gedanken an. Und die besteht in der Fertigstellung der Übersetzung, über die ich erst reden kann, wenn sie im Buchhändlerprospekt erscheint. Von der ich aber verraten kann, dass sie sich, da aus dem Französischen, mit etwas in Frankreich beschäftigt. Vorblubbern kann ich jedoch, was als eigenes Buch auf mich zukommt, woran ich im Winter vor allem arbeiten werde.
Falsch: Ich arbeite längst daran. Sauge mich voll mit russischer Avantgarde, Geschichte, Kulturgeschichte, mit Denkgebäuden, Künstlerideen. Gar nicht so einfach, weil man erst in den letzten Jahren an gute Originalquellen in Übersetzungen kommt - und weil ich vor allem keine darin studierte Spezialistin bin. Erst einmal tauche ich also in all das, was ich noch nicht weiß, was mir fremd ist und neu und anders. Irgendwann, nein bald, wird der Punkt erreicht sein, dass ich es fühlen kann, dass ich mich einfühlen kann.
An diesem Punkt werde ich dann meine Mannschaft im Buch in die Emigration begleiten, in den Westen - nach Paris. Und werde hoffentlich besser verstehen, warum ihre absolut bahnbrechende Kulturleistung nur möglich war, weil sie im eigenen Land verhindert und im neuen Land von Einheimischen allein nicht zu leisten war. Damals fanden sich Menschen aus zwei völlig verschiedenen Kulturkreisen, die sich in die Welt des jeweils anderen einfühlen konnten, sich gegenseitig befruchteten und damit ihre Welten veränderten. Neues schufen. Wenn das nicht ein hochaktueller Stoff ist!
Wem das zu verklausuliert sein mag: Ich hatte ja bereits im vergangenen Jahr unter Vertrag ein Buch über den Tänzer und das epochale Ausnahmegenie Vaslav Nijinsky geschrieben, das der Verlag leider aus unvorhergesehenen Gründen (die nichts mit mir zu tun hatten) nicht produzieren konnte. Ich blieb den Ballets Russes natürlich die ganze Zeit treu - und sie sind es, die mich im nächsten, hoffentlich nicht gar so verfrorenen Winter beim Samowartee begleiten werden. Wie passend, dass Paris 2010 zum "Französisch-russischen Jahr" in Kunst und Kultur gemacht hat. Hier funktioniert Europa dann plötzlich wieder, dieses Kulturjahr findet natürlich auch im Elsass nebst Grenzraum statt - die Russen treten sowohl in Colmar als auch in Baden-Baden auf.
- Internationales Musikfestival Colmar (ab heute bis 13. Juli)
- Festspielhaus Baden-Baden (Sommerfestspiele mit Valery Gergiev / Mariinskij Theater)
- Französisch-russisches Kulturjahr 2010 / offizielle Webseite
- Veranstaltungen dazu in Strasbourg
- Radio France Musique mit zahlreichen Beiträgen aus Musik, Literatur, Kunst und Kultur
- ...und ganz besonders empfehlen möchte ich allen Grenzgängern das noch kleine, aber sehr feine Internationale Musikfestival von Wissembourg vom 26.8. bis 12.9. Ich werde es mir nicht entgehen lassen!
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