Unter Piratenflagge?
Wer als Autor arbeitet und von seiner Fangemeinde keinen Grundlohn bezahlt bekommt, weiß, wie überlebenswichtig das Urheberrecht ist. Und wer als Autor mit den Werken anderer zu tun hat, seien es Fotos, Texte oder Filme, der weiß, was er zu beachten und zu überprüfen hat. Dementsprechend sorgfältig suche ich mir natürlich auch meine Quellen aus. Und bekomme das Heulen, wenn ich all die lustig sprießenden Marktplätze von Piraten und illegalen Kopierern sehe, die mit der Ware anderer Hehlergeschäfte betreiben.
Letzte Woche habe ich eine Grenze überschritten und bin nachdenklich geworden. Zumal mir ein Filmmensch gesagt hat, die Entwicklung sei längst unumkehrbar. Er erlebt es am eigenen Leib, kann nur versuchen, für den Dreh und die Erstausstrahlung möglichst gut bezahlt zu werden, denn schon kurz danach wird der Film im Internet vertickt- von Wildfremden. Es gebe kein Zurück, meint er. Wir müssten neue Wege suchen. Aber welche?
Letzte Woche fand ich auf einem bekannten Videoportal, das voll davon ist, eine illegale Raubkopie. Und ich habe von ihr profitiert, weil ich nicht brav weggeschaut habe.
Die Quellenlage für mein neues Projekt ist einerseits berauschend - ich habe auch die seltensten Bücher im Antiquariat gefunden. Andererseits ist sie zum Heulen. Denn der Hauptgewährsmann und Augenzeuge ist nicht nur extrem befangen, sondern hat damals auch vorsätzlich zensiert und gelogen. Man kann niemanden mehr fragen. Ich muss mühsam anhand dessen, was ich über diesen Zeugen weiß, entscheiden, wie die Wahrheit hätte aussehen können. Dabei gibt es eine Schlüsselfigur, die dieser Zeitzeuge inständig gehasst hat. Würde es gelingen, jenen Menschen in richtigerem Licht zu sehen? Die Aussagen beider zu vergleichen? Die Quellenlage ist übel. Das Material subjektiv. Aussagen jenes Menschen gibt es nicht.
Und dann fand ich diese sehr alte BBC-Produktion, die mir zurechtrückte, was zurechtzurücken war. Nicht einmal mehr beim Sender hätte ich sie bekommen können. Selbst für eine gebrauchte VHS hätte ich gern Geld bezahlt. Aber damals wurden von Dokus noch keine VHS verkauft.
Da war sie dann, einen Mausklick entfernt. Unsäglich verrauscht, verpixelt. Irgendein Fan hatte offensichtlich sein selbst hergestelltes, uraltes VHS-Video mit der Kamera von der Mattscheibe abgefilmt. Danach war ich klüger und eine Menge Schritte weiter.
Es gibt keinen Schritt mehr zurück, meinte der Filmmensch. Und ich, die ich immer so brav und ordentlich war, denke darüber nach, was die ständige, weltweite Verfügbarkeit von Wissen für uns bedeutet. Wie sie unsere Arbeit verändert. Gewiss, als Quelle sind Raubkopien nicht nutzbar, zumal bei Videos die Herkunft von Bild und Ton ohnehin zweifelhaft ist und einzeln überprüft werden müsste. Aber es ist wie im amerikanischen Gerichtsfilm, wo der Richter noch so viele Aussagen streichen lassen kann - die Geschworenen haben sie gehört.
Es entstehen Fragen, auf die ich im Moment keine Antwort mehr habe. Ich selbst wehre mich entschieden dagegen, dass ein gewisser Gigant Bücher von mir ins Netz stellt - weil das uns europäischen Autoren an die Existenz geht, ans tägliche Brot. Trotzdem recherchiere ich fleißig in wissenschaftlichen Schriften aus den USA auf diese Weise und finde dadurch nicht wenige Bücher, die ich in der Bibliothek besorge oder sogar kaufe. Ich hasse es, wenn jemand ungefragt Filme raubkopiert - und ich schaue nicht weg.
Ich kann Kunstdatenbanken in Deutschland wegen des Urheberrechts nicht durchsuchen. In Frankreich und den USA wird das Recht anders gehandhabt. Also recherchiere ich ganz legal dort - Internetmaterial hat keinen Pass. Ich mache mir Sorgen um die ständige und völlige Verfügbarkeit von Schöpfungen ohne den Autor - und ich profitiere davon, dass ich in einem Land lebe, wo jedes Museum und jedes Archiv bemüht ist, für die Forschung alles, wirklich alles online zu erfassen. Für diese Vorhaben zahle ich sogar eine eigens dafür eingeführte Steuer. Ich würde überhaupt gern für manches Material einen Obolus zahlen. Aber ich bekomme es kostenlos um die Ohren geschlagen. Ich sehe, wie die Lage für Filmschaffende, Musiker oder Autoren immer prekärer wird - und ich bin längst Teil des Systems.
Ich fürchte, ich bin der Doppelmoral anheimgefallen.
Wie kommen wir aus dieser Spirale heraus?
Weitere Infos:
Wikipedia: Deutsches Urheberrecht
Urheberrecht: Gesetzestext
i-Rights: Infodienst für Urheberrecht in der digitalen Welt
Urheberrecht im Binnenmarkt Europas
Letzte Woche habe ich eine Grenze überschritten und bin nachdenklich geworden. Zumal mir ein Filmmensch gesagt hat, die Entwicklung sei längst unumkehrbar. Er erlebt es am eigenen Leib, kann nur versuchen, für den Dreh und die Erstausstrahlung möglichst gut bezahlt zu werden, denn schon kurz danach wird der Film im Internet vertickt- von Wildfremden. Es gebe kein Zurück, meint er. Wir müssten neue Wege suchen. Aber welche?
Letzte Woche fand ich auf einem bekannten Videoportal, das voll davon ist, eine illegale Raubkopie. Und ich habe von ihr profitiert, weil ich nicht brav weggeschaut habe.
Die Quellenlage für mein neues Projekt ist einerseits berauschend - ich habe auch die seltensten Bücher im Antiquariat gefunden. Andererseits ist sie zum Heulen. Denn der Hauptgewährsmann und Augenzeuge ist nicht nur extrem befangen, sondern hat damals auch vorsätzlich zensiert und gelogen. Man kann niemanden mehr fragen. Ich muss mühsam anhand dessen, was ich über diesen Zeugen weiß, entscheiden, wie die Wahrheit hätte aussehen können. Dabei gibt es eine Schlüsselfigur, die dieser Zeitzeuge inständig gehasst hat. Würde es gelingen, jenen Menschen in richtigerem Licht zu sehen? Die Aussagen beider zu vergleichen? Die Quellenlage ist übel. Das Material subjektiv. Aussagen jenes Menschen gibt es nicht.
Und dann fand ich diese sehr alte BBC-Produktion, die mir zurechtrückte, was zurechtzurücken war. Nicht einmal mehr beim Sender hätte ich sie bekommen können. Selbst für eine gebrauchte VHS hätte ich gern Geld bezahlt. Aber damals wurden von Dokus noch keine VHS verkauft.
Da war sie dann, einen Mausklick entfernt. Unsäglich verrauscht, verpixelt. Irgendein Fan hatte offensichtlich sein selbst hergestelltes, uraltes VHS-Video mit der Kamera von der Mattscheibe abgefilmt. Danach war ich klüger und eine Menge Schritte weiter.
Es gibt keinen Schritt mehr zurück, meinte der Filmmensch. Und ich, die ich immer so brav und ordentlich war, denke darüber nach, was die ständige, weltweite Verfügbarkeit von Wissen für uns bedeutet. Wie sie unsere Arbeit verändert. Gewiss, als Quelle sind Raubkopien nicht nutzbar, zumal bei Videos die Herkunft von Bild und Ton ohnehin zweifelhaft ist und einzeln überprüft werden müsste. Aber es ist wie im amerikanischen Gerichtsfilm, wo der Richter noch so viele Aussagen streichen lassen kann - die Geschworenen haben sie gehört.
Es entstehen Fragen, auf die ich im Moment keine Antwort mehr habe. Ich selbst wehre mich entschieden dagegen, dass ein gewisser Gigant Bücher von mir ins Netz stellt - weil das uns europäischen Autoren an die Existenz geht, ans tägliche Brot. Trotzdem recherchiere ich fleißig in wissenschaftlichen Schriften aus den USA auf diese Weise und finde dadurch nicht wenige Bücher, die ich in der Bibliothek besorge oder sogar kaufe. Ich hasse es, wenn jemand ungefragt Filme raubkopiert - und ich schaue nicht weg.
Ich kann Kunstdatenbanken in Deutschland wegen des Urheberrechts nicht durchsuchen. In Frankreich und den USA wird das Recht anders gehandhabt. Also recherchiere ich ganz legal dort - Internetmaterial hat keinen Pass. Ich mache mir Sorgen um die ständige und völlige Verfügbarkeit von Schöpfungen ohne den Autor - und ich profitiere davon, dass ich in einem Land lebe, wo jedes Museum und jedes Archiv bemüht ist, für die Forschung alles, wirklich alles online zu erfassen. Für diese Vorhaben zahle ich sogar eine eigens dafür eingeführte Steuer. Ich würde überhaupt gern für manches Material einen Obolus zahlen. Aber ich bekomme es kostenlos um die Ohren geschlagen. Ich sehe, wie die Lage für Filmschaffende, Musiker oder Autoren immer prekärer wird - und ich bin längst Teil des Systems.
Ich fürchte, ich bin der Doppelmoral anheimgefallen.
Wie kommen wir aus dieser Spirale heraus?
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Urheberrecht: Gesetzestext
i-Rights: Infodienst für Urheberrecht in der digitalen Welt
Urheberrecht im Binnenmarkt Europas
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