In Würde altern?

Auch früher war Altern nicht zwangsläufig schön, aber doch wertvoll. Was in die Jahre kam, hat man geachtet und pfleglich behandelt - nicht verschrottet. Man war sich dessen bewusst, dass die Jungen aus den Traditionen der Alten erwachsen geworden waren, dass der Dialog zwischen beiden immer lebendig blieb. Ja, die Rede ist natürlich von Büchern.

Lord Peter Wimsey, der unsterbliche Romandetektiv alter Schule aus den Krimis von Dorothy L. Sayers, genoss ein Hobby, das junge Leute wahrscheinlich nicht mehr nachvollziehen können. Er sammelte wertvolle Erstausgaben. Eine Erstausgabe ist das druckfrische, zum ersten Mal erschienene Buch beim ersten Verlag - nicht zu verwechseln mit der Erstauflage. Und weil Bücher früher so kunstvoll und qualitativ hochwertig hergestellt wurden, ließen sie sich schier unbegrenzt in Bibliotheken aufbewahren - einem Zimmer, das zu Wimseys Zeiten zur Wohnung genauso gehörte wie das Schlafzimmer.

Je älter eine Erstausgabe wurde und je berühmter ihr Autor, umso höher stieg ihr Wert. Der Erhaltungszustand des Buchs konnte den Preis erheblich verändern, eine Signatur des Autors machte die Preziosen erst so richtig begehrt. Je persönlicher sie abgefasst war, desto besser. Natürlich werden auch heute noch wertvolle Erstausgaben gehandelt und Bücher mit Signaturen in Auktionen gegeben. Und es gilt in diesem Markt immer noch: Je älter, desto besser. Bücher bleiben attraktiv, solange sie nicht zu viele Falten, sprich Eselsohren, haben.

Und doch ist Lord Peters Hobby ein aussterbendes, wenn man die Menge der handelbaren Altware betrachtet. Der Markt für Preziosen zwischen zwei Buchdeckeln dünnt aus. Denn es wächst nicht mehr viel nach. Sammelwürdig sind allenfalls noch Coffee-Tables und Bildbände oder Hardcover aus bibliophilen und Kunstverlagen. Und selbst in diesem Bereich ist die Welt auf Wergwerfen gepolt. Bildbände, die nach einem halben Jahr im Supermarkt verramscht werden, Coffee-Tables zu Minipreisen machen vielleicht im Jetzt Freude - als Wertanlage sind sie kaum geeignet.

Gewiss, auch heute sammeln Fans Autogramme, gehen zu Lesungen, lassen sich Bücher signieren. Autoren und Verlage verschicken auch schon einmal Bücher und Autogrammkarten. Doch auch hier entwertet Masse und leichte Erreichbarkeit den Wert. Von Autogrammauktionen weiß man: Es sind die Künstler, die sich rar gemacht haben - die Großen, die ohne viel Rampenlicht berühmt wurden, deren signierte Bücher am gefragtesten sind.

Irgendwie altern Bücher nicht mehr richtig. Manche schaffen es kaum aus dem Windelstadium heraus, schon werden sie verramscht. Publikumsverlage setzen die Vorabverkäufe vor dem Erscheinen als Maßstab für Lebenszeit an. Man geht schon davon aus, dass im ersten halben Jahr nie mehr verkauft wird als beim Vorabverkauf. Sinkt der Verkauf drastisch, wird ausgemustert. Die durchschnittliche Lebenszeit eines Taschenbuchs, das nicht sofort zum Renner wird, beträgt heute drei bis sechs Monate. Wer ein Jahr schafft, hat Glück. Nicht verwunderlich, denn es erscheinen ja ständig neue Titel, die ins Regal sortiert werden müssen.

Lange hält so ein Buch nicht. Lesen, Tauschen, Auktionieren, Weitergeben - das alles hinterlässt schlimmere Spuren als bei herkömmlich gebundenen Büchern. Papier von Taschenbüchern ist im Schnitt auf zwanzig Jahre Lebenszeit angelegt, so manches Buch aus den Siebzigern ist längst vergilbt und wird brüchig. Was soll da wertvoll werden, wenn man täglich Millionen Bücher haben kann? Warum Berühmtheiten sammeln, wenn sowieso fast jeder den Harry Potter im Schrank hat? In Sachen Wertsteigerung gedacht, müsste man eher zur Rarität bei Suhrkamp greifen. Was aber, wenn der Verlag nun verwirklicht, dass alle Bücher ständig nachgedruckt werden können?

Wert - das ist auf dem antiquarischen Markt natürlich auch der Inhalt. Sammler konzentrieren sich oft auf Genres, Themen oder auch damit verbundene Epochen. Bebilderte Bücher sind wertvoller als Bücher, die "nur" Schrift enthalten. Lege ich mir etwa eine Sammlung aus Rosenbüchern an, kann ich als Anfänger ohne großes Risiko wohlfeil auch alte Massenware aufkaufen. Bei der spielt preislich weniger der Inhalt eine Rolle, sondern die Auflage (Erstausgabe) und der Zustand. Ich habe z.B. so einen Blumenbeststeller aus dem frühen 19. Jahrhundert für 16 Euro erstanden, weil er aus einer späten Auflage stammt. Die Erstausgabe des gleichen Buchs wird für viele hundert Euro gehandelt.

Beim inhaltlichen Sammeln gibt es Trends, Zeitmoden. So sind etwa historische Kochbücher im Moment völlig überbewertet und teilweise fast nicht mehr zu bezahlen. Dagegen kann das geologische Meisterwerk aus der Zeit Diderots, mit Kupferstichen bestückt und mit handschriftlichem Vorwort regelrecht zum Spottpreis gehandelt werden - so lange, bis irgendeine Mode die Händler auf die Geologie bringt. Wer mit dem Sammeln beginnen will, konzentriert sich also in seinem Interessensgebiet erst einmal auf das, was nicht jeder haben will, was unbekannter ist. Was vielleicht am Rande liegt, von unbekannteren Autoren geschrieben wurde oder aus einer neueren Zeit kommt. Denn im 19. Jahrhundert begann die Massenproduktion von Büchern und das macht sie preiswerter. Ein Rosenbuch von 1911 ist für uns genauso historisch wie eines von 1811 - aber der Einstiegspreis unterscheidet sich erheblich.

Auch Bücher von heute lohnen sich - es gibt sogenannte bibliophile Verlage, die Wert auf Ausstattung und Qualität im Druck und im buchbinderischen Handwerk legen. Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft bringt regelmäßig Repliken alter Handschriften und Inkunabeln in limitierter Auflage heraus - natürlich ist das nicht das unerreichbare Original, aber schon heute ein wertvolles Buch.

Wer je beim Bouquinisten oder in einem sehr gut sortierten Antquariat gestöbert hat, der weiß, welchen Charme das Alter entwickeln kann. Und manche verfallen ihm hoffnungslos, werden süchtig...

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im Buchhandel gibt es außerdem diverse Titel zum Sammeln von Büchern

2 Kommentare:

  1. (seufzt wohlig)
    Lord Peter Wimsey! Einer meiner Lieblingskrimihelden - auch wenn ich leider nur die übersetze Taschenbuchausgabe kenne.
    "Ten Tailors" - einer der besten Krimis aller Zeiten.

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  2. Mit Dorothy Sayers lässt sich preiswert ins Sammeln einsteigen - ein australischer Antiquar bietet derzeit die Erstausgabe ihrer Kurzgeschichten von 1928 für 14 Euro an. Und für 223 E gibt es ein Buch von ihr und Muriel St. Clare Byrne, in dem ein handgeschriebener Brief von Muriel über Dorothy liegt. Für ihre eigene Unterschrift muss man dann etwas mehr zahlen... und für etwas über 600 E gibt's sogar einen Originalbrief von ihr mit Umschlag und Briefmarke.
    Schlimm, wie leicht = verführerisch Sammeln durchs Internet wird.

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