Abstaubermentalität

Sicher haben sich schon einige über meine Umfrage gewundert. Was, die jetzt auch? Gibt es nicht schon genug Möchtegernlehrmeister? Und bevor ich jetzt auch noch unverlangt zugesandte Manuskripte bekomme ("Können Sie mir den Dialog auf S. 564 knackiger formulieren?") möchte ich das Geheimnis lüften, auch wenn zehn Antworten alles andere als repräsentativ sind. Aber es werden ja so viele Statistiken für bare Münze genommen, warum soll ich nicht auch einmal hinterhältig zu belegen versuchen, was ich längst glaube?

Zehn Menschen haben also mitgemacht, davon sind zwei in der glücklichen Lage, so etwas nicht zu brauchen. Bleiben acht Kursinteressierte, von denen sich drei sogar für Themen entschieden. Würde man die Umfrage als Werbeinstrument für Kundenaquisition benutzen, hätte nur das Ansprechen der drei Leute einen Sinn. Eine kleine Minderheit, aber immerhin, fast ein Drittel der Befragten.

Da ist aber auch eine Mehrheit. Hoppla, was machen denn die?! Fünf Menschen von zehn, also die Hälfte, will nichts bezahlen. Sie wollen Unterricht nehmen, lernen; aber es muss kostenlos sein. Da Mehrfachnennungen möglich waren, können unsere drei Kursinteressierten darunter sein. Aber fünf plus drei gibt acht - das klingt eher nach zusätzlichen Kunden, die breit und flach die Hand aufhalten. Egal, wie repräsentativ ihr Anteil sein mag: Es gibt sie, die Abstauber, die Typen mit der Geschenkmentalität.

Man stelle sich das mal vor: Da erwartet man von jemandem, dass er Fachwissen weitergibt, womöglich wertvolle Tricks verrät. Jener Kursleiter muss ein inhaltliches und pädagogisches Konzept entwickeln, muss darüber hinaus Arbeitszeit investieren und für eine geeignete Plattform sorgen. Nur, damit sich Leute für umme hinfläzen und das alles absaugen.

Ja, ich bin gemein und hinterhältig. Diese Umfrage diente nämlich lediglich als pädagogisches Konzept, um zu zeigen, wie weit die Entwertung der Arbeit von Autoren auch bei den Verbrauchern, also den Lesern, und ganz sicher selbst bei Kollegen (wer belegt sonst Spezialseminare!) fortgeschritten ist. Wenn ich das nur behaupte, glaubt es ja keiner. Jetzt stelle ich mir die Frage: Wohin kommen wir in der Buchbranche, wenn die Menschen den Wert geistiger Arbeit nicht mehr erkennen und anerkennen? Was läuft da falsch in den Köpfen? Und wie leben diese Schmarotzer - was kann ich von ihnen geschenkt bekommen? Was ist meine Arbeit überhaupt noch wert, wenn ich sie verschenke?

Machen wir uns nichts vor. Es ist längst fünf nach zwölf. Der Herder Verlag verschenkt derzeit fünfzehn historische Romane als e-book*. Manche Marketingleute halten das auch noch für einen hervorragenden Werbetrick, obwohl Vorgängerversuche aus den USA genau das Gegenteil beweisen. Man könnte aber auch an die Überproduktion von Tomaten in der EU denken, die dann irgendwann von den Bauern auf die Straße gekippt werden und verfaulen. Weil es besser ist, Arbeit und Energie auf den Müll zu werfen, wenn sie keiner mehr schätzt. Und jetzt wissen wir es: Wer sich über Missstände in der Branche aufregt, sollte sich ganz schnell an die eigene Nase fassen! Es sind nicht immer nur "die da oben", die alles kaputt machen, sondern oft auch "die da unten".

Vielleicht haben die fünf Abstauber aber auch nur Spaß gemacht? Man kann im Internet nicht sehen, wer vor einem sitzt, ob er niedere oder nette Beweggründe hat. Wie soll man schriftstellerische Inhalte in so einem Medium ernsthaft unterrichten, wo Schreiben harte Arbeit am Menschen ist?

Und nein, ich habe in nächster Zeit nicht vor, irgendwelche Onlinekurse zu geben. Gewiss, einfache Formen von PR und Werbung kann man z.B. auch per Fernkurs lehren (aber auch durch Fachbücher lernen). Das sind praktische Dinge. Aber wenn man das anständig lehren will, sollte man auch auf die Einzelfälle eingehen - das braucht genaue Analyse, Konzepterstellung etc. Arbeiten, die es nicht umsonst geben kann, denn warum Perlen hinwerfen, wenn man das auch für Firmen machen kann.

Ich gebe aber vor allem deshalb keine Onlinekurse, weil ich glaube, dass man gewisse Dinge sowieso kaum lehren kann, schon gar nicht online. Wer verspricht, per Internet jemandes Kreativität zu wecken, ist meiner Meinung nach unlauter. Selbst im persönlichen Seminar im Leben braucht es ein genaues Gespür und Empathie für mein Gegenüber, um diesem zu helfen, seine eigene Kreativität selbst zu entdecken. Kreativität lernt man nicht wie Malen nach Zahlen. Die meiste schriftstellerischen Fähigkeiten lernt man nicht in einem "Workshop" schnell mal von der Tafel.

Was die Motivation betrifft - soll man da den Online-Onkel Sommer geben? Ich sag's mal knallhart: Wer in diesem Metier nicht genügend Motivation mitbringt, um auch schärfsten Gegenwind auszuhalten, der ist schlicht fehl am Platz. Wir kommen alle irgendwann an einen Punkt, wo sich beweisen muss, wie dringend wir Schreiben müssen, aus uns selbst heraus. Da hilft keine Motivation von außen. Und für die kleinen Durststrecken zwischendurch, die entstehen, weil etwas im Geschäftsablauf schief läuft, weil vielleicht das Lieblingsprojekt abgesagt wird u.ä. - für diese Fälle sollte man sich gute Freunde anschaffen. Die vermögen mehr als ein vollmundig Motivation versprechendes Seminar! Und in manchen hartnäckigen Fällen hilft sogar die Sitzung beim Psychotherapeuten oder Seelsorger mehr als der sogenannte Coach, auf den ich fein all meine Probleme und Selbstverhinderungen projizieren kann, um auch ja nicht auf eigenen Füßen stehen zu müssen.

* Anm.: Man kann und sollte sich in Verträgen gegen die "kalte Enteignung" absichern und sollte zumindest eine Klausel einfügen, dass ohne Genehmigung des Autors honorarlose Veröffentlichungen, auch durch Dritte, nicht möglich sind.
Dank an alle, die an der Umfrage teilgenommen haben - und sorry für die ernsthaft Interessierten! Vielleicht unterrichte ich ja mal das ein oder andere live, oder gebe mein PR-Know-How online weiter - dann allerdings in einem offiziellen Lehrportal mit Lerngebühr.

6 Kommentare:

  1. Ich sehe darin auch nur wieder eine Bestätigung meiner "simplen" Marktwirtschaftsanalyse:

    Die Konsumenten wollen möglichst viel für möglichst wenig bekommen, die Produzenten wollen aber im Gegensatz von den Konsumenten möglichst viel erhalten.

    Das Ergebnis deiner Umfrage überrascht recht wenig
    Interessant wäre eine ganz andere Umfrage, nämlich unter Autoren:

    Trauen Sie sich zu, Seminare zu geben?

    O Ja
    O Nein

    Wenn ja, welchen Betrag denken Sie von ihren Kursteilnehmern pro Arbeits-/Seminarstunde verlangen zu können?

    _____ €


    Leider derart nicht durchzuführen, und kaum einer würde ehrlich antworten, aber glaub mir: DA würden die wirklich überraschenden Ergebnisse stecken, und du würdest kaum glauben, wie "hochwertig" viele Anbieter ihre anzubietende Ware einschätzen! ;)

    Unverblüffte Grüße,
    Marco

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  2. Hallo Marco,
    ja, das bestätigt die simple Marktwirtschaft. Die Realität aber ist komplizierter: Wer so Marktwirtschaft betreibt, geht irgendwann unter.

    Die Folgen dieser Haltung (nennen wir es mal Extrem-Neoliberalismus, es gibt durchaus bessere Konzepte in der Wirtschaft) sehen wir verstärkt an allen Ecken und Enden: Menschen brauchen mehr als einen Job, um eine Familie zu ernähren, Firmen und Banken werden an die Wand gefahren. Profit ist eben nicht alles.

    Deine Umfrage wird dir jeder seriöse Anbieter mit Leichtigkeit beantworten können, denn spätestens zur Kundenaquisition brauche ich eine Preisliste. Die orientiert sich natürlich bei seriösen Anbietern nicht an Träumen, sondern Vergleichsmomenten.

    Viel schlimmer finde ich, wer sich das Lehren zutraut. Ich habe z.B. längst aufgegeben, mir via VHS etwas Geld dazuverdienen zu wollen. Dort sind die "Dozenten" Möchtegernschreiberlinge aus DKZV-Verlagen oder Selbstverleger! (Jedenfalls in den mir erreichbaren).
    Aber wie gesagt, ich würde bestimmte Dinge schon deshalb nicht "lehren", weil ich nicht glaube, dass sie lehrbar sind. Andere schon, aber nicht online...

    Verblüfft bin ich auch nicht. Ich hatte vor vielen Jahren mal die Anfrage einer Frauengruppe, so etwa 20 Telnehmerinnen, die von mir zwei Tage auf dem Odilienberg herumgeführt, animiert und unterrichtet werden wollten. Ich hätte natürlich Hotel, Essen, Tagungsräume etc. organisieren müssen. "Aber Sie machen das doch hoffentlich umsonst, Sie wissen doch, Frauen sind in der Regel ärmer, einige sind Alleinerziehend, also, da sollten Sie als Frau doch solidarisch sein!"
    Ich habe dankend abgelehnt, mit dem Verweis, dass ich als Frau gerade schwer mit dem Kampf gegen meine eigene Armut beschäftigt sei und deshalb keine Zeit habe.

    Schöne Grüße,
    Petra

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  3. Naja, was das marktwirtschaftliche betrifft: Da gehen wir mal wieder von 2 verschiedenen Grundbedingungen aus.

    Du gehst, was ja nicht verkehrt ist, von der Realität aus. Die Preise / Qualitätsstandards der Realität sind ja auch an der Realität gemessen.

    Mir geht es ja eben wieder um den hypothetischen, den Gedankenspielerischen Hintergrund. Nicht die Realität, sondern die Vorstellungen der Menschen.

    Natürlich bieten dir seriöse Anbieter realistische Preise. Weil sie es müssen.

    Aber tief im Innersten, wenn es möglich wäre, würde ich ganz persönlich auch gerne eine Stunde meiner Zeit zu einem Preis anbieten, der mir meine gesamten Monatskosten und ein wenig Taschengeld einbringt. 2000€ meinetwegen. Himmel, eine Stunde im Monat arbeiten müssen, davon alle Kosten bezahlen können, und den Rest der Zeit tun und lassen können was ich will.

    Wer träumt nicht davon?

    Darum geht es mir. Auch der seriöseste Anbieter würde eine einzelne Seminarstunde für 2000€ anbieten, wenn er könnte!

    Und das ist eine der treibensten Kräfte in der Marktwirtschaft. Jeder Produzent setzt seine Preise so nah wie möglich an diesen 2000€/Stunde an, dass die Konsumenten (Die möglichst niedrige Preise wollen) ihm das Produkt noch abkaufen.
    Preise sind IMMER so hoch wie möglich und so niedrig wie nötig!!
    Und Konsumenten zahlen IMMER so wenig wie möglich und so viel wie nötig.

    Deshalb wäre eine Umfrage unter Autoren (Nicht unter bereits existierenden Anbietern) so interessant: Weil es zeigen würde, was die Autoren manchmal denken, was andere Leute zu zahlen bereit sind. :)

    Ich persönlich wundere mich schon, dass es immer noch Leute gibt, die bei BOD Bücher mit 80 Seiten zu 19,99 Euro anbieten und frage mich: Wer kauft so was für den Preis??

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  4. Marco, ich liebe deine Denkspiele, weil es immer wieder inspiriert, die normalen Denkpfade zu verlassen.

    Und natürlich bin ich ein schauderhafter Praktiker, denn ich habe schon drei Firmengründungen absolviert, darunter eine GmbH in Polen. Als fast lebenslang Selbstständige muss ich praktisch denken. Da lernt man, zuerst Visionen zu entwickeln, diese aber knallhart an einem tragfähigen Businessplan auszurichten. Wobei die Autoren in deinem Fall jetzt eine äußerst untypische Gruppe wären - die wenigsten sind nämlich Unternehmer, viele auch nicht gewillt, unternehmerisch denken zu lernen. Sonst gäbe es so etwas wie BoD oder Selbstausbeutung nicht. ;-)

    Ich kann dir aber verraten, wie du näher an deinen Traum kommst. Unternehmerisch gesprochen musst du in deiner Arbeit eine besonders hohe Wertigkeit schaffen (was leider ohne harte Arbeit und Fortbildung nicht vom Himmel fällt).

    Und dieses wertige "Produkt" sollte das haben, was man USP = unique selling point nennt, also ein möglichst weitreichendes Unterscheidungsmerkmal von dem, was andere auf dem gleichen Sektor machen. (Alles vereinfacht, da Blogkürze).

    Das kann man durchaus sogar auf Textarbeit anwenden:

    1. Es gibt Texte, die werden auf den Markt geschmissen, schnell verramscht, scheinen Kunden nicht viel wert. Andere schätzt man mehr. (So bekommt man z.B. für einen PR-Artikel das Mehrfache als für einen journalistischen Artikel. Oder für ein kompliziertes Sachbuch mehr als für einen Schmonzes-Roman.) Und wenn dann einer darin noch ein großer Könner ist, hat er gute Karten.

    2. Je unverwechselbarer meine Arbeit ist und sich auch qualitativ unterscheidet, desto größer sind meine Chancen, nicht durch den nächsten Billiganbieter ausgetauscht zu werden. Solange der Bedarf an meiner unverwechselbaren Leistung da ist, wird man bei mir bestellen. Fertige ich dagegen austauschbare, verwechselbare Massenware, kann das eine Weile bei großer Nachfrage gut gehen, aber bei schwindender Mode bin ich sofort ausgetauscht.

    Ich weiß, dass das gegen alles spricht, was in manchen Foren gepredigt wird. Aber ich lebe dieses Prinzip bisher in all meinen Berufen: Qualität, Professionalität, eine besondere, auf mich zugeschnittene Leistung - der Wertigkeit entsprechend bezahlt. Das dünnt zuerst die Kunden aus, all die Schnäppchenjäger, all die, denen so vieles egal ist. Aber auf die Dauer ist es nachhaltiger!

    Ich habe im Journalismus oder der PR, aber auch unter Buchautoren so viele daran scheitern sehen, die meinten, mit Dumpinghonoraren mehr Kunden baggern zu können, oder die Trends nachhechelten, die schon 100 Konkurrenten besetzten, die es besser konnten, die sich zum Schluss regelrecht prostituierten.

    Natürlich sind auch das Ideale, die die Wirklichkeit zunichte machen kann. Aber ohne harte Arbeit ist da kein Blumentopf zu gewinnen.

    Wer die 2000 auf faule Art verdienen will, dem empfehle ich eine dicke Erbschaft, Mitgliedschaft bei der Mafia oder in einer Versorgerehe. ;-)

    Schöne Grüße,
    Petra

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  5. Hi Petra und Marco,
    ich möchte noch auf einen Aspekt hinweisen. Es gibt eben auch viele schwarze Schafe, die Geld verlangen und bei denen sich die Kursteilnehmer später ärgern. Das passiert den meisten nur ein einziges Mal und dann lassen sie von allen kostenpflichtigen Angeboten die Finger.

    Wer hat schon Lust etwas dafür zu bezahlen, dass jemand ihm die auf englischen Websiten dargestellten Plotting Methoden in anderen Worten auf deutsch erklärt. Ich hatte auch an der Universität Professoren, die das mit der Vorlesung wörtlich genommen und aus einem Lehrbuch vorgelesen haben. Umsonst kann man das noch ertragen, aber Geld will man dafür nicht ausgeben.
    (Ich halte übrigens Studiengebühren für Professoren eine gefährliche Entwicklung, da dann die Studenten für ihre Gebühren auf einmal Qualität in der Vorlesung und an der Uni erhalten wollen - da ist aber ein anderes Thema).

    Man hört aber auch immer wieder, dass sog. Spendenbuttons durchaus funktionieren können, wo also die Teilnehme am Ende eines Kurses oder während des Kursverlaufs etwa einen geringen Betrag per Paypal spenden können. Wichtig ist dabei, dass das einfach geht und es keine Mindestbeträge gibt.

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  6. Ergänzung:
    Das sollte natürlich nicht bedeuten, dass sich bei deinen - Petra - fiktiven Onlinekursen die Leute danach ärgern. Aber sicher gibt es solche Angebote im Netz.

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