GESCHAFFT!!!

Dass ich das noch erleben darf. Ich bin fertig (im Doppelsinn). Nach einer mehrmonatigen Zwangspause durch zwei Todesfälle habe ich eben den letzten Punkt unter die lektoratsfeine Übersetzung gesetzt - auf Seite 683. Ein Mammutbrocken.

Im Nachhinein muss ich mich bei meiner Verlegerin bedanken, dass sie so viel Vertrauen auf Vorschuss in eine Anfängerin in Sachen Buchübersetzung hatte. Und ich bin im Nachhinein froh, dass ich nicht ahnte, was mit diesem Buch aus dem Verlag Calman-Lévy auf mich zukam, das mir als "Sachbuch in einfacher, klarer Sprache" vorgestellt worden war. Das klang nach Texten, wie ich sie sonst regelmäßig in Kleinformaten übersetze und ich fühlte mich dem absolut gewachsen. Ich bin froh, dass ich auf die Worte meiner Künstlerberatung in Strasbourg keinen Pfifferling gab. Der Beraterin blieb bei Nennung des Titels, den in Frankreich jeder kennt, der Mund weit offen stehen und dann hauchte sie nur: "Sind Sie nicht ein bißchen sehr ambitioniert? Das ist ja verrückt!"

Verrückt war es in der Tat. Eher ein erzählendes Sachbuch, zum Glück aus einem meiner Fachgebiete, so dass die aufwändigen Recherchen dafür leicht fielen. Zum Glück sah ich mir vor dem Vertrag die langen kursiv gedruckten Passagen nicht genauer an! Die entpuppten sich nämlich als ausführliche Zitate aus dreißig Jahren französischer Literatur, Literatur, die zu meinem Leidwesen fast nie ins Deutsche übersetzt worden war.

Also übersetzte ich Teile von Dramen und Poesie, Spielereien mit Worten und Rhythmen und einen sehr eigenwilligen Stil des Autors. Nach Texten von Max Jacob und Guillaume Apollinaire, Tristan Tzara und André Breton, Cocteau und Marinetti gibt es jetzt eigentlich kaum noch etwas, was mir als Übersetzerin Angst machen könnte. Ja, es war wirklich verrückt, solch ein Buch einer Frau anzuvertrauen, die sich einbildete, eigentlich gar nicht richtig Französisch zu können (worüber sich meine französischen Freunde königlich amüsieren).

Es ist seltsam. Ich habe es geschafft. Aber ich habe immer noch das eigenartige unerklärliche Gefühl, Französisch sei mir unter all meinen Sprachen die fremdeste. Und vielleicht muss das auch so sein, um diese Sprache gut übertragen zu können - mit einer Distanz, bei der man um jedes einzelne Wort ringt. Immerhin benutze ich Französisch inzwischen im Traum, wenn ich plötzlich für einen dahergelaufenen Russen etwas dolmetschen soll...

683 Seiten.
Fertig.
Pause.
Dann nur noch ratzfatz die sehr wenigen Lektoratskorrekturen einfügen.
Und dann kommt der Russe dran: Nijinsky!

(Ich habe tatsächlich keinen Sekt im Haus).

12 Kommentare:

  1. Einen ganz herzlichen Glückwunsch, Petra, dass du das geschafft und zu Ende gebracht hast! Jetzt wünsche ich dir eine glückliche Zeit mit Nijinski!

    Herzlichst
    Christa

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  2. Gratuliere auch herzlich! Und das trotz (wegen) der Distanz. Hut ab vor deiner Energie.

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  3. Herzlichen Glückwunsch - le coq est mort, le coq est mort! möchte man da rufen.

    Jetzt wird aber mindestens ein Crémant fällig :))

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  4. Auch von mir ganz herzlichen Glückwunsch und viel Freude und volle Energie bei Deinem Herzensprojekt!
    Liebe Grüße
    Nikola

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  5. Dann haben ja die hier zeitweise geschlagenen Sklaventrommeln, angereichert mit Durchhalteparolen endlich zum Ziel geführt....

    Und wenn das Buch durch sein Übersetzung auch in Deutschland ein Knüller wird, und die Feullitons alle vor Begeisterung halbtot umfallen ob der genialistischen Sprachbeherrschung und wenn dann der nächste mit Vorschuss, aber 600 Seiten französischem Wahnsinnstext daher kommt - was machste dann????

    Aber geh erst mal Champagner kaufen! Prost!!

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  6. Danke ihr Lieben - solche Glückwünsche lassen einen immer wieder spüren, dass man es tatsächlich geschafft hat. Denn heute will ich eigentlich nur noch völlig hellwach schlafen schlafen schlafen...
    Und dann endlich wieder so "unsinnige" Sachen tun wie Blumen umtopfen, Fenster putzen, herumkruschteln oder am hellichten Tage Bücher lesen, die ich nicht für irgendeine Recherche brauche. Herrliches Leben!

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  7. @Sabine
    Soll ich dir was verraten? Einige meiner Übersetzerkollegen, die sehr wörtlich am Text waren, haben Haue bekommen in den Feuilletons, weil heutzutage offensichtlich niemand mehr davon abstrahieren kann, dass ein Übersetzer nichts für den Stil des Autors kann. Und der ist sehr gewöhnungsbedürftig, auch im Original.

    Wir haben uns im Deutschen dafür entschieden, nicht vollkommen am Wort zu kleben, sondern eine adäquate, lesbare deutsche Form zu finden, die seinem Ton gerecht wird (so sollte ja Übersetzen sein). Trotzdem wette ich, dass dann Kritik kommt, weil sogar Satzzeichen verändert oder umgesetzt wurden...

    Ich würde mich freuen, wenn im nächsten Jahr ein gern auch kürzerer Auftrag ins Haus käme - aber den muss ich erst aquirieren ;-)
    Auf alle Fälle ist Übersetzer der falsche Beruf für Champagnereinkäufe...

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  8. für Caesar ;-)
    Ich will nie wieder aquirieren schreiben.
    Akquirieren Akquirieren Akquirieren Akquirieren Akquirieren...

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  9. "Auf alle Fälle ist Übersetzer der falsche Beruf für Champagnereinkäufe."

    Aber für einen dieser wunderbaren elsässischen Cremants wird es doch reichen, oder Petra?

    Schlaf dich aus, widme dich ein paar Tage dem Müßiggang und dann ... Ich bin sehr gespannt auf deine kommenden Selbstverlagserfahrungen.

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  10. Ich gestehe: Ich wohne sehr nah an einer Sektfabrik. Und ein ordentlicher Weng Mussöh ist schon für 1,50 Euro zu haben.
    Heute darf's natürlich der Crémant nach traditioneller Methode sein, sprich, der wird ganz genau wie Champagner gemacht, wächst nur auf anderem Boden...
    Prost und Santé auf alle meine Leserinnen und Leser!

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  11. Ja hallo, auch Glückwünsche aus Melbourne :-)

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  12. Danke! Ich finde das immer wieder fantastisch, dass ich auch Leserinnen in dem Land habe, in dem das Wasser in der Badewanne andersherum abläuft! (So habe ich das jedenfalls als Kind fasziniert gelernt)

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