Sabbatsemester

Heute morgen hat mir jemand gründlich den Frühstückskaffee verdorben und dann stand ich bei Twitter auf 666 Followers bei 6660 Tweets. Bei so viel Teufelei sollte eigentlich ein saftiges Voodooritual fällig sein, aber ich entschied mich anders. Auch das schlimmste Rabenaas der Welt ist bekanntlich noch wenigstens als Kompost fürs Universum tauglich. Also lief ich wie eine kleine Dampfmaschine mit dem Hund über herrlich blühende Wiesen in Weiß, Pink und Gelb, über denen Unmengen von Schmetterlingen Sonne und Nektar genossen.

Monsieur Rocco ist nun - selten genug - völlig geschafft und hechelt platt auf den kalten Fliesen. Und ich weiß endlich wieder, wie alles begann: Mit einer Osramschachtel voll bunter Wachskreiden, die wunderbare Töne machten - und den Schmetterlingen, die mir bunte, klingende Geschichten erzählten. Statt brav zu malen, schrieb ich meterlang in einer eigens erfundenen Schrift auf, was mir die Schmetterlinge erzählten.


Was eignet sich besser als so ein Tag, um wahr zu machen, was man sich insgeheim schon lange erträumt, aber aus Bravheit immer wieder verschoben hat! Viel zu brav wird man im Lauf des Lebens, und dann kann es theoretisch viel zu schnell vorbei sein. Was ist dagegen schon ein verdorbener Kaffee? Stattdessen gebe ich mir einen aus! Für die brutale Malocherei der letzten beiden Jahre werde ich mir nach Fertigstellung der Übersetzung ein Sabbatsemester schenken (zu mehr reicht's leider nicht). Nicht, dass ich währenddessen untätig herumsitzen werde...

Aber dann kenne ich nur noch eins, unabgelenkt und hochkonzentriert: Mein nächstes Buch (an dem indirekt ja noch eine andere, belletristische Manuskriptidee dranhängt). Dann werde ich mir obendrein all das schenken, was ich sonst für andere Menschen mache: Ein richtiges Konzept für die Öffentlichkeit erarbeiten, Auftrittsideen. Und ich werde endlich einmal in Ruhe Kontakte knüpfen können, die mir selbst wichtig sind, für meine eigene Arbeit. Denn wenn ich jetzt nicht Gas gebe, wann dann?

Und genau deshalb funktioniert das Märchen vom armen Poeten in der Realität überhaupt nicht. Denn wer ständig nur um seinen leeren Kühlschrank bangen muss oder sich an allen möglichen Fronten aufreibt, der kann nur schaumgebremst kreativ schaffen. Dagegen kann sich jemand, der sich dumm ackert, auch mal Pausen leisten. Manchmal hat dosierter Worcaholism also auch sein Gutes. Und wäre mir heute morgen nicht der Kaffee verdorben worden, wäre ich wahrscheinlich nie mutig genug gewesen für dieses Geschenk an mich selbst. Ich brühe mir doch gleich mal noch einen russischen Tee...

4 Kommentare:

  1. Einen ganzen Tag habe ich überlegt, was ich dazu schreiben könnte. Mir fiel nichts besseres ein als: Applaus!
    Ich hoffe der russische Tee konnte Dich darüber hinwegtrösten, dass Dein Morgenkaffee verdorben wurde.
    Das wohlverdiente Sabbatjahr klingt herrlich in meinen Ohren. Und da das Leben aus noch mehr als nur Schreiben besteht, wünsche ich Dir ein erfolgreiches Kontakteknüpfen in diesem Semester!
    Liebe Grüße,
    Nikola

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  2. Nikola, dein Wunsch passt wie die Faust aufs Auge: Vor lauter Arbeiten habe ich vergessen, Milch zu kaufen. Kein Café au lait zum Frühstück, welch Katastrophe. Stattdessen Tee der Sorte Samowar...
    Schöne Grüße,
    Petra

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  3. Kein Kaffee morgens ist schon ziemlich grenzwertig!

    Wenn ich fertig bin (ich hab ja völlig unterschätzt, was für einen Stress so ein näherrückender Abgabetermin ist!!! :-/ , dann mach ich eine Woche nur im Garten rum.....!

    Dass Du so was als Dauerzustand lebst - Reschpekt!!

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  4. Ohne Morgenkaffee bin ich nur ein halber Mensch ;-)
    Sabine, dieses Jahr war hoffentlich eine absolute Ausnahme, gesund ist das nämlich gar nicht. Deshalb ziehe ich jetzt die Bremse... Es wird gut tun, für eine Weile wieder nur einen statt drei Berufe auszuüben.
    Schöne Grüße,
    Petra

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