Stimmen hören
Hat jemand von den MitleserInnen hier schon einmal ein Hörbuch gehört? Worauf kommt es bei der Stimme an? Hebt ein bekannter Mensch den Kaufwillen? Oder erregen manche Berühmtheiten vielleicht sogar schon Widerwillen? Gibt es das wie bei einem meiner früheren Huskies, dass Sopranstimmen gar nicht gut kommen und überdramatisierende Redner auch nicht? Schadet es einem ernsthaften Hörbuch, wenn der Sprecher schon mal in der Zahnpastareklame war? Was sollte er können, was besser unterlassen?
Ich wäre gespannt auf zahlreiche Kommentare und Eindrücke von Zuhörerinnen und Zuhörern!
Ich selbst muss zugeben: Ja, ich achte auf Namen. Weil ich mir bei denen die Stimme vorstellen kann, sie bereits kenne. Wenn Otto Noname spricht, weiß ich nicht, ob ich die Stimme mag. Und die falsche kann mir das Vergnügen zerstören. Mein allererstes Hörbuch habe ich sofort verschenkt. Da wurde ein Krimi mit einer Kommissarin, die ich mir dunkel-rauchig-südlich vorstellte, von einer wahren Schepperstimme im Sopran gesprochen. Die auch noch jedes einzelne Wort eines Unterhaltungsromans dramatisierte. Ich konnte nicht...
Andererseits habe ich mich auch schon von Stimmen überraschen lassen, die ich nicht kannte. Und eine Stimme, die ich im Theater wie im Fernsehen gehört hatte, klang beim Hörbuch wieder völlig anders.
Komisch, plötzlich achte ich auf Stimmen - habe ich sonst viel zu wenig gemacht. Und dauernd denke ich - könnte der das Nijinsky-Buch sprechen? Oder der? Noch kann ich herumträumen...
Irgendwelche Traumtipps?
Ohne auch nur eine Zeile vom Text zu kennen und vom Protagonisten auch nur das, was ich hier von Dir gelesen habe....schwierig! Die ersten zwei oder drei Sätze magst Du nicht schon vorweg veröffentlichen?
AntwortenLöschenAuf alle Fälle keine sehr tiefe Stimme. Als Singstimme ein tiefer Tenor.
Bei manchen Schauspielernamen auf Hörbüchern schließe ich schon auf die Qualtität des Textes. Ich könnte mir z.B. nicht vorstellen, dass Ulrich Tuckur (schreibt der sich so?) irgendeinen Müll liest. Nur mal so als Beispiel!
Achtung, ultraexklusive Avant-Première in einem Kommentarfeld, ein paar Sätze aus "Ich will eine Liebesschlange. Eine Annäherung an Vaslav Nijinsky" von Petra van Cronenburg (erzählendes Sachbuch). Geplanter Erscheinungstermin: März 2010. Alle Rechte vorbehalten.
AntwortenLöschen"Der jedenfalls irritiert alle, sitzt still und ruckt seltsam mit dem Kopf, den breiten Hals hält er steif, als seien ihm die Muskeln erstarrt, als schaffe er es nie mehr, den Blick zu heben, weil ein unsichtbares Gewicht auf ihm zu lasten scheint. Eine Katastrophe, dieser steife Hals! Es geht schließlich um viel Geld, um Ruhm, und vor allem um das Urteil der Presse. Als er dieses Schildkrötenspiel auch nach ein paar Abenden nicht lässt, fragen sie ihn besorgt, was das soll. Keine Antwort. Cocteau findet es unmöglich, dass er mit ihnen spielt, sie selbst herausfinden lässt, was passiert ist. Er trainiere. Er übe, wie es sich anfühle, wenn er das Gewicht von Hörnern auf seinem Kopf trage."
(Es ist nicht der Anfang des Buches - der soll Überraschung bleiben)
Liebe Sabine,
AntwortenLöschenwenn du aus wenigen Sätzen eine Stimme heraushören kannst, bist du ein Genie... (wobei mich Antworten auf meine Fragen auch losgelöst vom Projekt, übers Hörbuch allgemein interessieren.)
Tukur ist übrigens ein schönes Beispiel für das, was ich meine. Er hat vorwiegend Klassiker eingelesen, auch Bonhoeffer. Wäre ich nicht drauf gekommen, denn ich kenne ihn fast ausschließlich aus irgendwelchen TV-Krimis. Deshalb frage ich mich: Wird ein Schauspieler durch irgendetwas bekannt, haftet dann nicht dieses Image ganz stark an ihm? Kann das im Ernstfall sogar stören?
Spontan fallen mir als berühmte Beispiele z.B. Klaus-Maria Brandauer ein (klingt der nicht immer ein wenig nach Österreich und Mephisto?) oder Christian Brückner (wie verschmolzen ist der mit Robert de Niro?) oder noch schlimmer... wo mir nur noch die Rollenbezeichnung und nicht mehr der echte Name einfällt: Die Stimme, die Bella Block spielt oder die Stimme der Ludwigshafener Kommissarin, von der mir dann nicht mal mehr der Rollenname kommt...
Gibt es solche Stimmen, die im Kopf fest nur mit einer Rolle assoziiert werden?
Übrigens, was den "Müll" betrifft: Für Müll ist eine qualitativ gute Hörbuchproduktion schlicht nicht wirtschaftlich, weil sehr teuer. Und die Auswahl der Sprecher richtet sich realiter weniger nach Träumen, sondern an relativ kurzfristig freien Terminen, kurzfristig verfügbaren Studios (deren Kosten) und dem Honorar der kleinen und großen Berühmtheiten...
"Erzählendes Sachbuch" ist ein guter Hinweis...und so einen Hinweis habe ich mir auch von dem Textausschnitt erhofft.
AntwortenLöschenKennst Du das "Ulmele" aus der Augsburger Puppenkiste? Dirk Bach hat ja das "Urmel aus dem Eis" eingelesen. Nun hat ja jeder irgendwie die Melodien und Figuren und Stimmen aus der Fernsehserie im Herzen und im Kopf. Dirk Bach macht das ganz anders, aber irgendwie ist das märchenhafte wieder da, und abgesehen davon, dass er das wirklich klasse eingelesen hat, sieht man doch gleichzeitig ihn dabei: seine runde Figur, das Gesicht inkl. Doppelkinn. Und alles passt zu den skurilen Figuren aus dem Buch.
Als Stimme für Dich ist mir der Günther Lamprecht eingefallen. Weil er so etwas Gebrochenes in der Stimme haben kann - und weil ich mich an die Figur des Franz Biberkopf erinnere, die er gespielt hat. Das wäre dann der erzählende Teil.
Eine andere Assoziation ist ein Nachrichtensprecher, der liest. Eher neutral, berichtend....
Aber das wären dann vermutlich zwei unterschiedliche Texte, nicht?
Urmel ist ein tolles Beispiel, weil ich das auch noch im Kopf habe! Aber war nicht auch das Urmel klein und knubbelig? ;-)
AntwortenLöschenÜbrigens muss ich gestehen, dass ich absolut keine Verbindungen zwischen Namen und Stimmen knüpfen kann (ich muss immer bei youtube nachschauen), nur zwischen Stimmen und Bildern.
Lamprecht berlinert meines Wisens ziemlich stark? Auch das überhört man als Laie gern - die Akzente, die mancher absolut nicht aus der Stimme bekommt, Schwaben, Sachsen, Bayern und Österreicher sind da prädestiniert. Das geht im Film, aber nicht zu jedem Stoff.
Anekdote dazu: Meine Verlegerin und ich hätten einen absoluten gemeinsamen Wunschkandidaten gehabt. Wahnsinns Stimme. Spricht in allen Filmen (nur ganz feinen) absolut perfekt. Und dann ist bei der Agentur zu lesen, dass er sich Theater nicht zutraut, wegen der Fremdsprache. Beim Film wird elend getrickst: Da macht man halt nach jedem zigfach eingeübten Satzgrüppchen einfach einen Schnitt...
Nachrichtensprecher? Das ist eben die Frage: wie stark prägt ein Image vor? Ich stelle mir vor, diese Stimme, die fast alle Tierdokus spricht, würde einen Liebesroman lesen. Ginge das?
Vielleicht bekommen wir hier noch mehr Diskussionsbeiträge? Wäre schön! Ich finde das nämlich alles ganz neu und faszinierend und staune, was Profis alles hören. Und worauf ZuhörerInnen so achten...
Ich hab das Thema mit meinem Mann noch mal diskutiert. Leider hat er ein Hörbuch noch nie bis zum Ende gehört, obwohl er eigentlich ein Fan von Hörbuchern ist. Vor allem abends. Er schläft ein dabei! Vielleicht auch ein Argument für die Auswahl des Sprechers? Die Eignung als Gute-Nacht-Geschichte?
AntwortenLöschen;-)))))
Aber ernsthaft: er meinte, er kaufe entweder nach dem Namen (z.B. findet er Senta Berger für manche Texte gut, obwohl ihn der Schriftsteller nicht so interessiert) oder nach dem Thema. Und wenn ihn das Thema interessiert, dann sei es ihm gleich, wer lese. Bzw. traue er dem Verlag dann schon zu, dass sie einen guten Leser aussuchen würden.
Also eher der pragmatische Ansatz. Männlich eben! ;-)
Was heißt hier männlich und weiblich, Sabine? 8-) Was wir hier tun, ist Brainstorming, du weißt, wie viele pragmatische Männer diese Technik lieben. Es geht ja hier nicht darum, mein Buch zu besetzen, das macht schon meine Verlegerin - die Autorin darf noch herumträumen...
AntwortenLöschenTja, die Sache mit dem Einschlafen. Habe ich auch, sogar bei Radioessays. Ich fürchte, das ist die Prägung der Generationen, die noch mit Gutenachtgeschichten zum Einschlafen gebracht wurden. Es wirkt einfach. Mein Mittel dagegen: Hörbücher nie im Liegen hören.
Andererseits schlafe ich aber auch bestens mit Papierbüchern ein. Nur fallen die dann oft so hart ins Gesicht!
Für mein Hörbuch ahne ich Übles - da wird's ja auch noch schöne Musik dazu geben. Vielleicht können wir den Strawinsky so montieren, dass er schockartig aufweckt?