Rezensionen

Berufskollision

Ein kurzes Wort zu meinen Rezensionen im Allgemeinen - einige werden sicher schon bemerkt haben, dass es hier mehr gibt als früher. Lange habe ich gehadert, überhaupt wieder Kritiken zu schreiben. Warum eigentlich?

Ich habe das (nicht nur mit Büchern) viele Jahre lang fürs Feuilleton gemacht. Kritikerin zu sein, war ein Schwerpunkt meines Berufs. Und meine Kritiken waren bekannt für Ironie und messerscharfe Beurteilungen. Aber dann wurde ich selbst Autorin und habe zumindest Buchkritiken in meinem Beruf abgeschafft. Ich stand nämlich plötzlich am anderen Ufer und das hat weitreichende Folgen.

Man wird nicht nur toleranter, weil es einen auch selbst treffen könnte, man versteht ja auch mehr vom Buchbetrieb und kann sich plötzlich denken, was gar nicht der Autor verschludert hat, sondern ein Rädchen im Verlagsbetrieb. Da wird es bei Zeitungen schon kitzlig: Interessenskonflikte mit Anzeigenkunden könnten auftauchen und man selbst will vielleicht eines Tages mit dem gleichen Rädchen zusammenarbeiten. Nur als wirklich prominenter und bekannter Autor kann man im Feuilleton auch einmal etwas verreißen. Denn dann halten die eigenen Verkaufszahlen die Rache der Fans aus. Die daraus resultierende Unfreiheit im Kopf kollidierte gehörig mit meinem Berufsethos der unabhängigen Kritikerin - also stellte ich die Arbeit ein.

Aber kann man so ein Gen wirklich einfach abschalten (ich fürchte jedenfalls, es sitzt tief)? Ich habe lange mit mir gerungen, einen Weg zu finden, der Autorin und Kritikerin gleichermaßen am Leben lässt. Herausgekommen ist nicht mehr das volle Programm, aber damit kann ich leben, denn ich werde hier ja nicht bezahlt. Sprich, ich lese keine schlechten, langweiligen Bücher, nur weil sie mir der Redaktionsleiter in die Hand drückt.

Und das sind meine "Redaktionsrichtlinien" für die Zukunft:

- Es wird hier keine noch so schön geschriebenen Verrisse geben. Damit ist nicht nur der Interessenskonflikt gelöst. Ich spare mir auch eine Menge Zeit. Schlechte Bücher, die auch mir leider immer häufiger unterkommen, lege ich ganz schnell weg. Wenn ich jedoch an einem guten Buch etwas Negatives finde, sage ich das.

- Ich suche die zu besprechenden Bücher selbstherrlich und meist völlig spontan aus. Beim Lesen juckt es mich, zu rezensieren oder auch nicht. Ich kann es mir nicht vornehmen - da muss ein Funke überspringen. Da dieses Blog wie gesagt nicht von außen finanziert wird, wäre ständiger Bücherkauf allerdings eine teure Sache. Ich bediene mich also an meinem privaten Lesestoff, an von mir gekauften Büchern, an Büchern aus der Bibliothek. Falls es möglich ist, nehme ich auch Presseexemplare von Verlagen an - und wie es demnächst der Fall sein wird, bekomme ich auch mal Bücher von einer PR-Agentur, die für Verlage arbeitet. Aber auch in diesen Fällen bleibe ich unabhängig: Ich bespreche nur dann, wenn mir das Buch wirklich gefällt und etwas zu sagen hat. Es hat also keinen Sinn, mir Bücher einfach zusenden zu wollen oder mich zu Büchern zu drängen. Ich wähle ausschließlich selbst aus.

- Wenn ich mich zu einer Rezension entschließe, ist diese grundehrlich und frei im Kopf geschrieben. Wenn ich ein Buch empfehle, empfehle ich es aus ganzem Herzen. Dann sage ich auch, was mir daran nicht so gefallen hat. Wenn ich lobhudle, bin ich wirklich restlos begeistert. Und alle besprochenen Bücher liegen auch garantiert zerlesen auf meinem Nachttisch (nur die Bibliotheksexemplare bleiben selbstverständlich eselsohren- und notizenfrei).

- Ich schreibe nicht als Laienleserin. Auch wenn dies "nur" ein Blog ist, versuche ich, meinem Beruf als Journalistin und Kritikerin treu zu bleiben - und wenn dadurch spannende neue Aspekte entstehen, involviere ich mich auch als Buchautorin.

Das alles hat Folgen.

Etwa die, dass sich natürlich von meinen Rezensionen nur die Leser angesprochen fühlen werden, die ähnliche Interessen haben wie ich, die ähnliche Bücher lesen. Irgendwann einmal, so mein Ideal, werden Leser, die etwas Bestimmtes suchen, sagen können: Die van Cronenburg liest sowas, mal bei der nach neuer Lektüre schauen. Denn ich wähle auch aus dem großen Haufen von eigener Lektüre noch einmal akribisch aus. Noch schöner wäre, wenn ich Leuten, die "solche" Bücher normalerweise nicht lesen, Geschmack auf Neues, Ungewohntes machen könnte.

Schwerpunkt sollen Bücher sein, die im Kettenbuchhandel und vielleicht auch im Feuilleton unsichtbarer sind als andere. Denn ich halte nicht viel davon, wenn immer nur die "üblichen Verdächtigen" besprochen werden und Perlen untergehen im Schweigen. Ich verstehe den Kritikerberuf immer noch dahingehend, Trüffel zu suchen, nicht mit dem Strom zu schwimmen, sondern in abgelegenen Bereichen herumzuschnüffeln. Es kann dann natürlich passieren, dass das Trüffelschwein auch einmal auf eine Delikatesse trifft, die plötzlich alle Restaurants erobert, vor Bestsellern ist man nie gefeit. Vor bekannten Autoren auch nicht. Noch schöner wäre es jedoch, den unbeachteten Preziosen einen Namen zu verschaffen (wobei ich mir hier der Begrenzung eines Blogs bewusst bin - dazu bräuchte es noch viel mehr Trüffelschweine).

Ich möchte außerdem Bücher aus Verlagen besprechen, die noch andere empfehlenswerte und besondere Bücher veröffentlichen, aber vielleicht nicht am Kassenstapel liegen. Ich will vergessene Bücher besprechen, gern auch mal wieder Klassiker. Ich will mich nicht an die schnellen Haltbarkeitszeiten des Feuilleton für Neuerscheinungen halten, weil ich glaube, gute Bücher haben kein Verfallsdatum. Deshalb bespreche ich auch Bücher, die nur noch in Bibliotheken und im Antiquariat zu haben sind. Gute Bücher sind es auch nach einem Jahr und mehr noch wert, entdeckt zu werden.

Als nächstes kommt jetzt das Fazit meiner Nachttischlektüre, dann werde ich ein besonderes Stück russischer Literatur (nebst besonderem Verlag) vorstellen und die beste Biografie, die mir seit Jahren untergekommen ist. Außerdem liegt hier noch ein fertig zu lesendes Buch eines reichlich geheimnisvollen Autors...

3 Kommentare:

  1. Bravo!
    Für mich für den Buchhandlungen etwas einem Horrortrip ähneln (suche noch "meine" Buchhandlung, Empfehlungen werden gerne entgegengenommen)und daß ganze Metier momentan etwas undurchsichtig ist und auch, mal ehrlich gesagt, die Sprache der Künstler vielleicht gelegentlich zu übertrieben ist, freue ich mich auf diese Blogergänzung.
    Bin also neugierig was aus Ihrer Feder, Ihrem Nachttisch so entspringen wird.

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  2. Da kann ich Ihnen ganz in der Nähe einen Buchhändler empfehlen - aber warten Sie einfach erst das Interview ab, das ich mit ihm hier im Blog machen werde?

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  3. Rezension, Nachttischgeflüster und Das besondere Buch sind übrigens Rubriken im Menu, zu denen es teilweise auch schon Wirreres, Älteres gibt.

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