Blogperlen finden

Was ist noch lesenswert?

Kassandrarufe beschreien bereits das Ende des Internet. Angeblich sei berechenbar, wann die Datenmengen so groß seien, dass nichts mehr geht: Dauerstau auf der Datenautobahn. Nun sind diese Datenmengen ja bereits für den durchschnittlichen Surfer viel zu groß. Nur eine Minderheit kann Suchmaschinen wirklich so bedienen, dass sie für echte Recherche taugen. Und wie filtert man dann das Relevante aus all dem ausgespuckten Müll? Was ist noch lesenswert, was überlesenwichtig?

Selbst ich habe meine Lektüreprobleme mit der Menge und ich bin schon hauptberuflich ein Lesejunkie. Inzwischen habe ich die wichtigsten Zeitungen per Twitter abonniert, um im Affenzack zu entscheiden, welche Artikel mich wirklich noch interessieren könnten. Und ich lese gern Blogs, weil sie in der Regel mehr Tiefe bieten als all das Kurzphrasengewäsch, weil sie persönlicher sind und eine eigene Sicht auf die Welt bieten. Doch selbst da bekomme ich das Heulen, wenn mal wieder drei von meinen Lieblingsblogs nicht darauf achten, dass man sie regelmäßig bestücken sollte; wenn zwei andere in selbstreferentielle Egotherapie abtauchen und plötzlich nichts zu Lesen bleibt. Wie finde ich dann neue Perlen?

Wie findet man interessante Blogs?

Möglichkeiten gibt es viele. Das Internet lebt von Links. Aber zu lange Linklisten erscheinen beliebig und Links zu Blogs, die kaum bestückt werden, entmutigen. Man kann in der Suchmaschine nach Themen in Blogs suchen - und ertrinkt in der Fülle. Ich persönlich entdecke Blogautoren oft über Kommentare - wenn mir jemand irgendwie auffällt oder imponiert, suche ich nach seinem Blog und bleibe im Idealfall hängen. Was aber, wenn kaum noch jemand kommentiert und jeder nur noch konsumiert? Oft finde ich Lektüre durch Empfehlung von Gleichgesinnten. Das ist wie mit den Büchern. Und da versuchen Händler und Communities ja auch, Menschen mit gleichen Interessen zu verbinden. Aber weil das Datenbankverknüpfungen sind, die ausspucken "wer X gelesen hat, liest auch Y" oder "D popelt wie du in grünen Nasen, ihr könntet Freunde werden", ist der Erfolg ungefähr so dürftig wie der für einen Heiratsantrag beim Speed-Dating.

Blogbibliothek: Ein Hort der Blogperlen

Deshalb möchte ich wärmstens die Blogbibliothek empfehlen (im Menu dauerhaft verlinkt). Das Projekt von Kurt Steuble alias Thinkabout (Twitter: @thinkabout) und Roman Hanhart alias Yoda (ubuntu-blog) sowie Caro Nadler fürs Layout ist aus reiner Liebhaberei fürs Lesen und Schreiben entstanden, nicht kommerziell und daher auch völlig unabhängig. Hier kann man sich durch Blogperlen schmökern, die von anderen empfohlen wurden - oder selbst Texte und Autoren empfehlen, die Niveau und Inhalt gleichermaßen bieten - und anderen etwas zu sagen haben.

Wie das funktioniert? Man stelle sich eine Bibliothek vor, die nur mit ausgewählten Blogtexten gefüllt ist. Vier Abteilungen gibt es: Meinung, Erzählung, Reflexion, Humor - und eine Übersicht über die neuesten Zugänge. Alle Autoren haben ihr Einverständnis zum einmaligen "Abdruck" gegeben, da wird ganz genau auf Rechte geachtet. Was mir besonders gefällt: Die Macher lesen wirklich hin. Nehmen nicht alles und wählen ganz subjektiv aus, sagen auch mal Nein. Nur so wird eine solche Empfehlungsbibliothek nicht beliebig. Da steckt Mensch dahinter, nicht Maschine. Und damit immer neuer Stoff von außen nachkommt, gibt es die Möglichkeit, Scout zu werden, Texte zu empfehlen. So erhält die Blogbibliothek ein breites Spektrum von Lesestoff.

Auch "echte" Schriftsteller

Ja, ich gebe zu, einer meiner Beiträge wurde auch schon empfohlen. Ich aber empfehle die Blogbibliothek nicht deshalb, sondern weil ich mich selbst regelmäßig dort festlese. Ich muss nicht mehr blogtextlos ins Bett gehen. Mir gefällt die Mischung zwischen Schreibprofis und Schreiblaien, die beide etwas zu sagen haben. Vom Minister bis zum Arbeitslosen, vom Jugendlichen bis zum Rentner sollen alle möglichen Blogger vereint sein. Für Büchermenschen gibt es einige Schriftsteller zu entdecken, deren Blogs ich ohne die Blogbibliothek nie gefunden hätte. Das reicht von A wie Alice Gabathuler oder Astrid Paprotta über den Herrn Paulsen alias Stevan Paul oder Peter Stamm bis zu Z wie Zoe Beck.

Lesen lohnt sich. Und vielleicht geht's dann einigen wie mir - sie bekommen Lust aufs Mitmachen, sprich Perlensuchen. Und vielleicht spornt das ja wiederum die Blogger an, echte Perlen zu produzieren?

4 Kommentare:

  1. Liebe Petra van Cronenburg
    Was für eine schöne Wertschätzung, die unser Projekt hier erfahren darf!
    Sie sagen mit Recht, dass das Projekt altruisitische Züge hat. Wenn ich allerdings sehe, was es bewirkt und dabei auf uns zurück wirft, dann liegt darin ein ganz besonderer Lohn.
    Das Internet ist ein besonderer Ort, so vielschichtig, wie Indien: Jede Aussage dazu ist richtig. Es ist zerstörerisch, chaotisch, egoistisch, selbstverliebt, aber auch Schatzkiste, idealistisch, engagiert, aufbauend, anregend, inspirierend. Es ist klar, in welche Richtung wir Teil davon sein wollen. Mit Autoren, Bloggern und engagierten Menschen wie Ihnen wird uns das auch gelinge. Das Projekt ist in der Tag sehr offen angelegt, und wir alle sind gespannt, wer es noch alles mit zu seinem eigenen Kind machen wird.

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  2. kleiner Nachtrag:
    Mir ist auch hier noch wichtig, zu erwähnen, dass das Projekt zusätzlich von Caro Nadler, caro-art.ch, getragen wird: Sie hat das Layout entworfen und umgesetzt.
    Und Roman betreibt mit dem ubuntublog.ch ein Schweizer Fachblog für die entsprechende User-Gemeinde.

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  3. Merci für diese tollen Tips!!!

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  4. Lieber Herr Steuble,
    es freut mich, wenn der Beitrag motiviert und ich wünsche Ihnen viele viele Leser! Und Feedback, ich weiß ja von meinem Blog her, wie sehr man das braucht, um überhaupt zu wissen, für wen man schreibt und ob man überhaupt noch gelesen wird. Die Zusatzangaben habe ich eingefügt.

    Ihre Beschreibung des Internet ist treffend. Ich sehe es als ein Medium von vielen an, in dem sich schlicht Menschen abbilden, wie sie auch im echten Leben sind. Die Lautstärken verschieben sich manchmal, weil man im echten Leben manche Menschen meidet, im Internet aber hinliest...

    @Jan
    Freut mich, dich auf neue Lesewege gelockt zu haben. Und hoffentlich andere auch.

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