Zeit für Visionen

Reich-Ranicki und Heidenreich haben ja nun alles dafür getan, dass die Qualitätsdebatte über das Fernsehen unter den Teppich gefegt wurde. Und sie haben obendrein vergessen, dass die gleiche Debatte über Verlage längst fällig wäre! Menschen, die so dämlich sind wie ich und zwei Schreibberufe erlernt haben, hauen sich natürlich die Birne doppelt blutig. Oder müssen sich glattbügeln lassen. Obwohl ich sagen muss: Mein alter Beruf überholt derzeit wieder meinen neuen an Anspruch. Das war mal genau andersherum vor zehn Jahren.

Im Moment geht es mir (und nicht nur mir) deshalb wie Michael Douglas in diesem Film, in dem man ihm einen lauwarmen Hamburger serviert, worauf er ausrastet, denn es war der berühmte Tropfen zu viel. Nicht, dass ich jetzt mit einer Waffe Amok laufen wollte - ich laufe geistig Amok. Bilde mir ein, es müsste doch noch etwas zu verändern sein. Und stehe nicht allein. Die Wut darüber, ständig für dumm verkauft zu werden, finde ich bei Kollegen wie im Publikum, bei Journalisten wie Lesern und sogar bei außergewöhnlichen "Produzenten" der Branche. Und so habe ich mir jetzt ein wenig Obama-Laune in den Espresso gerührt und stelle fest: es macht subversiv.

Ich beschäftige mich derzeit mit dem Gedanken, dass Selbstausbeutung, die in unserem Beruf an der Tagesordnung ist, nutzbringender gelebt werden könnte. Und es ist zwar ganz nett, mit Kollegen ständig Fin-de-Siècle-Partys zu feiern und bei Chopinmusik die Branchendepression gemeinsam hochzuzüchten, aber irgendwann wird Jammern langweilig. Jammer-Energie kann man auch in kreative umwandeln. So viel steht jetzt schon fest: Demnächst wird es hier eine große Umfrage an alle Qualitätsinteressierten geben - mit einem Gewinnspiel, bei dem Buchpreise zu gewinnen sind. Ich würde mich über fleißige Teilnahme freuen, denn das Ergebnis wird sich auf das Gesicht meiner Kolumne hier auswirken.

Und ich mache bis zum Wochenende Schreibpause, weil ich meine Raserei über lauwarme Hamburger live auslebe, sprich, mich mit ein paar Machern in Brainstorming-Tage begebe.
Wer sich bis dahin langweilt, kann sich hier ja ein wenig Gedanken machen: Wie können wir kreativ Schaffenden etwas gegen das Verseichten der Kultur / Kunst dagegensetzen (und dabei überleben)? Welche Möglichkeiten haben Publikum und Leser, auf Programme Einfluss zu nehmen - sei es beim Fernsehen, im Feuilleton oder bei Büchern? Oder sind die Leute, die neuerdings ständig von Niveau reden, einfach nur bekloppt, arrogant und lebensfremd? Wie stellt ihr, wie stellen Sie sich die kulturelle Zukunft vor? Antworten dürfen ruhig eine Prise Obama-Feeling haben: auch verrückte Visionen sind willkommen! Brainstorming ausdrücklich erwünscht.

10 Kommentare:

  1. Hach, neue Medienwege - da ginge ich zu gern mit.
    Falls mal eine echte Irre gebraucht wird: Ich habe noch Platz in künftigen Terminkalendern.
    ;-)

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  2. War das jetzt eine offizielle Bewerbung zur Selbstausbeutung?

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  3. I wo. Ich produziere nur täglich soviele Gaga-Gedanken, dass ich gern ein paar abtreten kann und immer noch genügend übrig bleiben.

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  4. Hmmm... das Feedback hält sich hier doch arg in Grenzen. Entweder versteht keiner mein Geschreibsel oder es bewahrheitet sich der Spruch, in der Kunst dürfe es keine demokratischen Entscheidungen geben?

    Dann nehme ich mal beides an...

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  5. chHi Petra,
    ich glaube, es wäre eine ziemliche Selbstüberschätzung überhaupt etwas gegen die Schundüberflutung machen zu können. Das ist aber nicht anders als in anderen Bereichen auch. Es gibt nur eine einzige Sprache, die bei den Verantwortlichen verstanden wird und das ist die des Geldes. Die einzige (unrealistische) Idee wäre, den Markt mit kostenlosem Schund so überflutet wird, dass sich der für die Verantwortlichen nicht mehr rechnet. Vielleicht wird es irgendwann einmal bei ebooks möglich sein.
    Wenn man den Quatsch umsonst bekommen kann, sind die Menschen vielleicht bereit, für bessere Qualität auch mehr Geld auszugeben.

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  6. Hallo Alexander,
    ich gehe sogar noch weiter als du, und denke, es wäre nicht nur Selbstüberschätzung, sondern würde auch wertvolle Energien in die falsche Richtung lenken, wenn man einen Kampf gegen etwas führt. Mehr können Energien bewirken, wenn man sich für etwas engagiert.

    Ich glaube schon, dass man letzteres immer kann, selbst aus der kleinsten Minderheit heraus. Es sind z.B. die kleinen praktischen Ideen, die mehr verändern als Jammern (obwohl auch das sein muss als Bestandsaufnahme und Ventil).

    Beispiel: Ich werde den Teufel tun, in meiner Kolumne wie üblich die Bücher zu besprechen, die sowieso alle besprechen. Also suche ich nach den selteneren Perlen (wie unlängst das Hörbuch "Pleva liest Torrance") oder krame uralte Klassiker hervor. Andere tun das auch, in kleinen wie im großen Maßstab. Ob es was bringt?
    Ist es so wichtig, immer nur sichere und vorberechnete Dinge zu tun?

    Nach solchen Ideen suche ich permanent, hier ist mein Experimentierfeld und hinter den Kulissen wird damit gekocht...
    Wenn ich arbeite, schaue ich auf meine Leser, nicht auf die Auftraggeber.

    Schöne Grüße,
    Petra

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  7. Hallo Petra!

    Ich habe schon Ideen, aber die gebe ich, sobald ich dieser Tage die Zeit finde (War jetzt kaum online) lieber auf der Titelseite meines Blogs preis, als dass sie in der Kommentarleiste versinken. :)

    Wetze deine Messer, ich bin noch nicht geneigt, die Diskussionen um meine idealistischen Träume aufzugeben...

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  8. Marco,
    jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Bin jetzt etwa zwei Tage nicht online. Darfst mich gerne auf deine Idee stubsen. Ich komme nämlich nicht immer dazu, die Kommentare, der befreundeten blogs, zu studieren (dazu gehört auch deiner Petra)

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  9. Wie befreundet man sich mit einem Blog?

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  10. ... wenn dir das Wort "befreundet" zu intim ist.
    Blogs, bei denen ich regelmäßig vorbeischaue.
    Aber du hast Recht: Wenn wir befreundete Blogs wären, hättest du auf meinen Verlinkungsvorschlag zumindest irgendeine Reaktion gezeigt...

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