Keiner spricht darüber

Es gibt seit einigen Monaten (?) ein Thema, von dem man nur in persönlicher Vertrautheit erfährt, von dem KollegInnen nur hinter vorgehaltener Hand unter dem Versprechen von Verschwiegenheit erzählen. Man spricht über so etwas nicht, schon gar nicht öffentlich. Denn den Schaden trägt wieder mal nur der, der den Mund aufmacht. Zu schnell gerät man außerdem in Verdacht, ja nur verbittert zu sein, weil man "es" nicht schafft.

Aber wenn alle schweigen, erfährt niemand von den Entwicklungen. Wenn sich alle isolieren, glauben die, die es vielleicht auch betrifft, sie seien womöglich selbst schuld. Wenn niemand davon erfährt, kann sich nichts ändern. Ich möchte deshalb darüber reden. Ich verwende absolut fiktionalisierte und unkenntlich gemachte Fälle. Und ich rede von mir, denn ich beobachte die Entwicklung schon länger mit kritischem Blick.

Worum geht es?

Um zwei scheinbar nicht zusammenhängende Miseren, über die immer mehr KollegInnen und inzwischen auch andere Macher aus der Branche klagen:
  • das große Schweigen der Verlage
  • das Umkippen eines Marktes

1. Das große Schweigen:
Als ich 1998 mein erstes Buch veröffentlichte, gab es so etwas wie Höflichkeitsformen des Geschäftsbetriebs - und das noch in Zeiten von Porto und Papier. Eingangsbestätigungen, Absagen. Hatte man einen Agenten, war die Rückmeldung im vernünftigen Zeitraum garantiert. Lektorate liefen im Teamwork ab, manchmal persönlich, manchmal telefonisch, aber in "heißen" Zeiten immer pünktlich. Das war einmal, auch mit Agentur.

Neu ist eine Form der Nichtkommunikation, die auch vor Agenturen nicht Halt macht. Die wissen immerhin inzwischen, welcher Verlag grundsätzlich nie absagt und welcher mindestens zwölf Monate zur Prüfung braucht. Aber die Verlage, die weder absagen noch zusagen, vermehren sich wie Bakterien in der Petrischale! Ich selbst beobachte es seit etwa Anfang des Jahres: Man wiegt bedenklich den Kopf, kann und will sich nicht entscheiden, muss prüfen, konferieren, nachdenken, prüfen, abwägen und kommt vor lauter Risikoangst und Konferenzen nie zu Potte. In schöner Regelmäßigkeit träufeln wenigstens Vertröstungen von einigen ein. Kommen die üblichen Ausreden dazu, über die wir AutorInnen längst Satiren schreiben: Vorbuchmessestress, Buchmessestress, Nachbuchmessestress, Schwangerschaften, Urlaube und Scheidungen. Nur die AutorInnen müssen pünktlich ihre Rechnungen bezahlen und selbst dann Nachtschichten schieben, wenn der Opa beerdigt wird.

Wie ich vermehrt von KollegInnen höre, macht die Nichtkommunikation auch nicht vor Zeiten Halt, in denen ein fertiges Manuskript lektoriert werden soll. KollegInnen hängen mit ihrer Zeitplanung und Arbeit völlig in der Luft, weil alles auf den letzten Drücker erledigt wird und der Autor, die Autorin das bitte am besten vorgestern erledigt. Fatal, denn die meisten AutorInnen haben einen bürgerlichen Beruf nebenher und nicht jeder Chef hat ewig Verständnis, wenn man spontan Urlaub nimmt, nur weil ein Verlag zu spät anruft. Nicht jeder freiberufliche Autor kann seine Kundenaufträge, von denen er sich ernährt, kurz mal wegwerfen für ein Manuskript, das Hobbyverdienste einbringt.

Über die Ursachen kann man nur spekulieren. Da die Misere hauptsächlich die goßen etablierten Verlage betrifft, darf man vermuten, dass das massive Outsourcing von LektorInnen in den letzten Jahren, die Unterbesetzung von Stellen, die zudem immer mehr Marketingaufgaben fordern - und die extreme Fluktuation ihren Tribut fordern. Den LektorInnen kann man die Misere kaum anlasten - sie scheinen ähnlich Opfer zu sein wie die AutorInnen. Wer soll sich denn noch wirklich um ein Buch oder gar einen Menschen kümmern, wenn er alle halbe Jahre auf einem anderen Posten oder gar in einem anderen Verlag sitzt?

Das ist nicht übertrieben. Ich hatte schon mit frisch beförderten Verlagsleuten zu tun, die ich extra persönlich kennenlernte, und die drei Monate später ganz woanders saßen, vier Monate später dann beim dritten Verlag. Ist man lange genug dabei, trifft man welche sogar irgendwann wieder. Einmal musste ich einen Buchvertrag zwei mal unterschreiben, weil in der Zeit, in der er per Post nach Frankreich unterwegs war, der Chef, der ihn unterschrieben hatte, gegangen war. Unternehmensbindung ist auch bei Verlagen ein Fremdwort geworden. Autorenbindung wird es zunehmend auch. Nicht wenige folgen ihren LektorInnen nach und einige sehr bekannte AutorInnen zahlen inzwischen ihren Privatlektor aus eigener Tasche, um nicht unter die Räder zu kommen.

2. Das Umkippen des Marktes

Hängt auch mit obigem Problem zusammen. Geht aber noch ein Stück weiter und hätte von Heidenreich und Ranicki eigentlich erkannt werden können, wenn die sich nicht nur um ihre Fernsehjobs gekümmert hätten. Sicher kann man es nicht pauschalisieren, aber es erreichen mich von immer mehr "gestandenen" AutorInnen (mit mehreren, regelmäßigen Veröffentlichungen, keine Anfänger!) Klagen, die alle in eine Richtung weisen: Projekte, die auch nur ein wenig den gewohnten Mainstream verlassen und das winzigste Risiko bieten, weil irgendetwas an ihnen anders, neu oder individuell ist, verkaufen sich nicht mehr. Die KollegInnen werden unendlich lang vertröstet. Selbst nach der diesjährigen Buchmesse, die bisher immer als Verkaufsmesse galt, geschieht nichts.

Oder es gibt abstruse Absagen via Agenturen, die jeder reellen Grundlage entbehren (und oft genug auch jeder Höflichkeitsform): In diesem Genre laufen die xxer Jahre absolut nicht (gleichzeitig sind vier Bestseller aus diesen Jahren erschienen, aus den USA) / Sie haben ein Stipendium dafür? Nett. Das ist DAS Stipendium? Na sehen Sie. Dann sind Sie ja gegen Risiko abgesichert, wir sind es nicht. / Von einer Frau erwarten wir anderes. / Das Thema ist zu ernst, schauen Sie, den Leuten geht's dreckig, die wollen nicht noch nachdenken.
Man könnte Satirebücher mit diesen Absagen füllen, leider sind sie nicht so erfunden, wie sie scheinen.

Wer freundliches Interesse erntet, muss sich zunehmend vorsehen. Denn der Pferdefuß kommt hinten nach. Solche KollegInnen fragt man, ob das Thema nicht "heruntergebrochen" werden könne, ob man nicht lieber Mittelalter wolle, ob es nicht überhaupt alles ein wenig seichter, unterhaltsamer, heiterer oder skandalöser ginge. Denn den LeserInnen, vornehmlich Frauen, gehe es in diesen Zeiten dreckig, die wollten abschalten, der Welt entfliehen und ein bißchen doof seien sie schließlich auch, PISA, Sie wissen. Der Zynismus, mit dem mittlerweile über Leserinnen in der Branche gesprochen wird, nimmt menschenverachtende Züge an.

Es gibt Manuskripte, die verkaufen sich momentan ganz schnell und ganz leicht. Alles, was in den großen Buchketten in Riesenstapeln aufzubauen ist, wird mit Handkuss genommen. Alles andere ist nicht einfach nur schwieriger an Verlage zu verkaufen - es ist teilweise gar nicht mehr zu verkaufen. Das hat sich geändert! Flexibilität, Risikofreude und innovative Kreativität verstecken sich mittlerweile in den mittleren und kleineren Verlagen - und die haben gegen die Konzentration im Buchhandel und mit der Massenware ähnlich übel zu kämpfen wie die AutorInnen. Allerdings haben sie einen großen Trumpf in der Hand: Sie bleiben unverwechselbar und sie nehmen ihr Publikum ernst. Sie schätzen es sogar - und das nicht nur als Melkkuh.

Ich stelle mit Schrecken fest, wie viel gute und hochbegabte AutorInnen derzeit Gefahr laufen, auf der Strecke zu bleiben. Weil sie durch die Wartezeiten ausgehungert wurden, weil der Kampf um die wenigen Programmplätze anspruchvollerer Verlage noch härter ist, oder weil sie durch die ständig fehlende Wertschätzung, ja Missachtung ihrer Arbeit, einfach nicht mehr an eine Zukunft glauben können. Kommt die Häme von anderen KollegInnen dazu: Liegt wohl an dir, eingebildeter Lackaffe. Könntest dich ja mal ein wenig anstrengen, die großen Massen zu befriedigen.

Aber wenn man nicht mehr schweigt, dann erfährt man, dass man eben nicht selbst schuld ist. Es liegt in den seltensten Fällen am Manuskript, wenn man längst öffentlich bewiesen hat, was man kann. Man ist nicht allein, man müsste auch nicht allein leiden. Aber wie kommt man aus der Misere heraus?

Ich schreibe so offen darüber, um KollegInnen zu ermuntern, die Selbstisolation zu durchbrechen. Und weil ich den Wahnsinn in diesem Jahr selbst massiv erlebe. Ich kann es mir leisten, Häme auf mich zu ziehen, weil ich einen Verlag habe, mit dem ich die Zauderer rechts überhole, so dass ich wieder lachen und an mich glauben kann. Ich arbeite an einem absolut innovativen und mutigen Projekt mit, während in den großen Verlagen eines von mir seit vielen Monaten beschwiegen wird, das wirklich ein ganz großes und sehr aktuelles Thema wäre. Inzwischen sind internationale Fernsehsender dran, Zeitungen. Aber das stört die Verlage nicht. Sie können ja immer noch absagen, wenn es im Fernsehen kam...

Ich weiß zu gut, wie es war, als ich durch das große Schweigen und Zaudern derart an mir zweifelte, dass ich alles hinwerfen wollte. Für immer. Ich glaubte das fast selbst: Vielleicht liegt es an mir? Vielleicht tauge ich wirklich nicht mehr? Vielleicht überholt mich die Zeit? Zum Glück hat mir mein Agent heftig widersprochen.
Gefährlich. Solche Phasen können AutorInnen zerstören.

Lösungen in Sicht?

Ich selbst habe keine Lösung für die Misere, außer der, dass ich mir im nächsten Jahr einen anderen Job suche, um unabhängig zu sein. Es wird unendlich hart werden mit der beruflichen Doppelbelastung, aber ich werde ruhiger schlafen können. Ich werde Nein sagen können ohne mit der Wimper zu zucken. Ich werde mir die Bücher leisten können, die ich selbst schreiben möchte, und nicht die, die andere "herunterbrechen" wollen.

Ich bin inzwischen um einiges abgebrühter und durch fast nichts mehr zu schocken. Vor allem aber pflege ich inzwischen einen gesunden Egoismus: Was will ICH? Wohin will ICH? Welche Projekte wollen aus MIR herauskommen? Ich frage mich immer stärker, wie ich eisern und unbeirrt meinen eigenen Weg verfolgen kann - und ich nehme immer stärker Maß an meinem Publikum, nicht an Verlagserwartungen. Ich muss nicht unbedingt verlegt werden. Aber ich muss unbedingt noch stärker meinen Weg gehen, muss kreativ arbeiten. Ich muss kein Publikum aus Scheinwelten von Unternehmensberatern bedienen, das angeblich völlig verblödet, wirklichkeitsfremd und drogensüchtig ist. Ich muss Bücher schreiben für Menschen, die lesen können und für die Lesen mehr ist als Betäubung.

Dazu kommt eine Altersentscheidung. Irgendwann habe ich das halbe Jahrhundert voll. Statistisch gesehen den größeren Teil meines Lebens. Ich muss es mir nicht mehr geben, eine austauschbare Nummer zu sein, gegen Inkompetenz von Leuten zu kämpfen, die ihren Job nicht einmal gern machen. Den Rest meines Lebens will ich mir Menschen gönnen, die meiner Arbeit gut tun, die mich respektieren und wertschätzen, die mich beflügeln, deren Kritik eine echte ist. Ich suche Arbeitsverhältnisse, in denen noch Begeisterung und vor allem Entwicklung möglich ist.
Und da kann ich die KollegInnen trösten: Es gibt sie noch. Es gibt noch "echte" Verlage. Es gibt noch Verlage, in denn sich die Mitarbeiter so wohlfühlen, dass sie nicht gleich nach der Probezeit kündigen. Es gibt noch Verlage, die wirklich wunderbare Projekte verwirklichen und wunderbare Leserschaft haben. Um so weniger hat man eigentlich heute die anderen nötig.

Und ein Zukunftsausblick:

Ich glaube, dass sich im Moment unsere Branche völlig neu ordnet, wir spüren davon einige Wehen. Ich persönlich glaube, dass sich der Buchmarkt in den nächsten Jahren extrem polarisieren wird. Es wird ein sehr breites Massensegment geben, das immer stärker "on Demand" arbeitet (hier ist gemeint: der Verlag wünscht sich von Hausautoren passend gestylte Bücher) und für den Kunden immer billigere Angebote schafft.

Der "andere" Markt, der jetzt schon existiert, wird höhere Qualitätsansprüche stellen, noch stärker Nischen und Spezialpublikum bedienen und völlig neue Vertriebsformen entwickeln (was viele dieser Verlage bereits erproben). Dazu gehört, dass der Buchhandel hier nur noch ein Verkäufer unter anderen sein wird.

Technisch und strukturell wird sich ähnlich wie in der Musikbranche - nur anders - sehr viel ändern. Das fängt damit an, dass Texte nicht gedruckt sein müssen, um ein Buch zu sein; das geht weiter über Werbeformen, die leichter von Autoren bewältigt werden als von großen Verlagspressestellen - und endet bei neuen Finanzierungsmodellen.

Ich glaube auch, dass der Autor der Zukunft, der nicht für die Massenproduktion arbeitet, zunehmend zur eierlegenden Wollmilchsau werden muss, die auch die Medien nicht scheut. Ich glaube, dass man in Deutschland viel zu eng denkt, wenn man nur herkömmliche Wege geht. In Straßburg läuft ein Projekt einer Künstlervereinigung, Finanzierungen über Sponsoring und sogar gezielte, passende Lohnarbeit zu erproben, so dass Künstler gar nicht mehr auf Verlage etc. warten müssen. Denn das Heer der meisten Schreibenden kann gar kein Stipendium beantragen. Anderswo in Europa ist man mutiger - davon könnte man sich einiges abschauen.

Haltet durch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeigt der Zeit eure Zähne.
Ich habe den Umbruch in Osteuropa erlebt, als man sagte, drei Generationen würden hoffnungslos verloren sein. Untergegangen sind dort zuerst die Geschäftsleute mit der größten Risikoangst, mit der größten Liebe zu alten Gewohnheiten und uralt Erprobtem. Krisenzeiten sind immer auch eine Chance.

13 Kommentare:

  1. Sehr guter Artikel, liebe Petra -

    und leider so wahr und so treffend beschrieben.

    Ja, die Zeiten, in denen das interessante Buch keine Zielgruppe kannte und sich seine Marktlücke selbst schuf (Roman Graf sagte das mal in einem Interview), diese Zeiten scheinen vorüber zu sein.

    Ich hatte in den ersten Jahren meiner Veröffentlichungen eine wunderbare Verlegerin - sie war ein sogenannter "weißer Elefant" (davon gab es damals mehrere). Wenn sie an einem Buch interessiert war, setzte sie die Veröffentlichung eisern durch - übrigens auch völlig unbeeindruckt von den Protesten auf den Vertreterkonferenzen. Die rieten ihr schon damals (wenn auch noch nicht so lautstark wie heute) zu "gut verkäuflicher hübscher Massenware".

    Hoffentlich setzen sich kompetente Journalisten mit deinem Thema weiter auseinander ...

    Gut Schabbes - Elisabeth

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  2. Liebe Petra,

    ich danke dir für diesen Blogeintrag. Er hat mir den letzten Kick gegeben, meinen aktuellen 0/8/15-Auftrag abzusagen und nur noch Texte zu schreiben, hinter denen ich zu 100% stehen kann. Ich mag mich nicht schon in Grund und Boden schämen müssen, wenn ich den Titel eines meiner Bücher aufsage.

    Vielleicht ist diese Einstellung ja gar nicht so "luxuriös", wie ich bisher befürchtet hatte? Sondern eigentlich völlig normal...

    Lieben Gruß

    Ruth

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  3. Deine Worte unterstreiche ich vollinhaltlich in jedem Punkt.
    Du sprichst mir aus der Seele, Petra. Diese Entwicklung zeichnete sich in meinem Metier schon vor Jahren ab und ich brauchte auch Jahre, um zu erkennen, begreifen, mich wieder zu finden als die, die ich einmal war, und um den Mut zu finden, einen anderen Weg zu gehen. Ein Prozess von mehr als sechs Jahren.
    Schön, dass begonnen wird, darüber zu sprechen und vielleicht - Zukunftsvision - gelingt es auch Autoren irgendwann einmal, miteinander neue Wege zu beschreiten.
    In diesem Sinne
    fröhliche Grüße
    Elke

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  4. Hallo Ihr beiden,
    ich freue mich riesig über das Echo - ja, ich wünschte mir auch, irgendwer im Feuilleton würde das Thema einmal genauer recherchieren und ausloten! Man scheint sich zu scheuen, auf die Idee zu kommen, in der Literatur könnten teilweise auch schon fernsehähnliche Zustände herrschen.

    @Elisabeth:
    In diesem Jahr ist wieder ein Weißer-Elefanten-Verlag in Konkurs gegangen, man habe die schönen Bücher nicht mit ausreichend Profit ins Programm nehmen können. Den Verlagsleitern zufolge lag das u.a. daran, dass der Verlag im Feuilleton und bei Rezensionen schlicht nicht vorkam. Weil immer nur die üblichen Lieblinge rezensiert werden. Wer aber nicht vorkommt, verkauft nicht.

    Dann kenne ich aber einen weißen Elefanten, der auf Konventionen pfeift und zu Kunstsponsoring greift.

    @Ruth:
    Kommt darauf an, was du unter "luxuriös" verstehst, denn man kann mit dieser Einstellung durchaus auch heute verhungern. ;-)
    Für mich selbst habe ich immer folgendes Argument: Wenn ich Trendware schreibe, bin ich irgendwann eine austauschbare Nummer mit all denen, die das Gleiche tun. Die das aber viel besser können, weil sie es lieben - so wie ich meine Themen liebe. Und was schreibe ich, wenn der Trend vorüber ist und ich mich selbst verloren habe?

    Trotzdem... manchmal steht man einfach davor, hinzuschmeißen. Was dann auch wieder heilsam sein kann...

    Gut Schabbes und ein erholsames Wochenende,
    Petra

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  5. Hallo Elke,
    ich kann mich gut erinnern!
    Was mich bei dem Thema so wütend macht: Es leiden wieder die am Ende der Nahrungskette, die ohnehin schon zu kämpfen haben - und manche leiden bis zur Selbstzerstörung, weil sie nicht ahnen, dass es am Markt liegen könnte. Das muss nicht sein, denke ich.

    Ich glaube zwar nicht an Zusammenarbeit von Autoren (viel zu individuell die Leutchen), aber ich glaube, dass man sich gegenseitig aufklären kann. Es hilft schon viel, wenn man weiß, man ist nicht allein.

    Was meinem Dickkopf geholfen hat neben der Unterstützung durch die Agentur: Kontakt mit Künstlern aus anderen Sparten, Musik, Theater, Bildende Kunst... es ist überall das gleiche Dilemma derzeit, zumal Kunst und Kultur im Land der Dichter und Denker nicht mehr viel Förderung erfahren. Solche Dickköpfe, die sich trotzdem durchbeißen, geben sehr viel Kraft. Und manchmal feiert man auch einfach mal den Untergang ;-)

    In diesem Sinne Prosit!
    Petra

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  6. Hehe, und jetzt triffst du MEIN Innerstes! :)

    Ich sitze nämlich derzeit in jenem "Schweigeloch", und warte auf Rückmeldung. Und mir wurde schon gesagt, mein Werk sei "Schwierig, sehr speziell".

    Und ich habe mich schon lange mit den Gedanken beschäftigt: Was, wenn ich eine Absage kriege? Was, wenn man von mir eine weitere "Anpassung" des Werkes verlangt?

    Mittlerweile habe ich den Punkt erreicht, an dem ich sage: Nein!
    Ich habe mein Werk bereits angepasst, Marktfreundlicher gemacht, weiblicher.

    Natürlich bin ich weiterhin bereit, Dinge zu ändern und auf Wünsche einzugehen. Aber ich habe erkannt, dass ich nicht gewillt bin, die Basis meines Werks weiter zu verschieben und zu verzerren als bis zu diesem Punkt.

    Wenn mich dann kein Verlag oder Agent nimmt: Fein!

    Meine Ansprüche an die "Kunst" undn die Kreativität sind nicht hoch, aber sie sind da, und ich habe die Grenzen dessen erreicht, was ich mir und meinen Werken zutrauen will. Wenn DAS was ich jetzt schreibe, zu riskant ist, zu wenig berechenbar - dann ist das eben so. Dann muss ich weiterschreiben, es weiter versuchen, und auf den Menschen oder die Zeit warten, wo es ankommt.

    Nichts desto trotz hat dein Beitrag hier eine tröstende Wirkung auf mich. Zum Einen, dass das Warten wohl derzeit normal ist. Und zum anderen, dass ich eben NICHT der Querkopf bin, der zu sein ich schon fast fürchtete!

    Liebe Grüße,
    Marco

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  7. Vielleicht bist du auch ein Querkopf, Marco, und das gereicht dir aber zur Ehre?!

    Weißt du, es ist ja auch nicht alles "Kunst", was ich schreibe, im Gegenteil, es gibt von mir sogar Artikel über Generalversammlungen von Hasenzüchtervereinen. Aber genau deshalb habe ich für mich eine sehr klare Trennung entwickelt:

    - Es gibt reine Auftragsarbeiten, die lediglich zum Ernähren da sind und wo der zahlende Kunde König ist. Die müssen aber auch genug einbringen, sonst kann ich in dieser Zeit Spargel stechen gehen oder putzen. Je nach Auftrag fühlt sich so etwas an wie Ghostwriter oder man kann sich sogar selbst einbringen.

    - Es gibt "meins". Meine Bücher, die aus mir herauswollen, die nur ich so schreiben kann und deren Themen andere vielleicht nie mit der Beißzange anrühren würden. Meine eigentliche kreative Arbeit. Da muss zwar genug herumkommen, damit ich mir diese Arbeit zeitlich und finanziell leisten kann, aber wichtiger sind andere Maßstäbe (Werte, Inhalte).

    - die Kunst. Meiner Idee vielleicht am nächsten gekommen mit einem Rosenbuch. Ich hatte mehrere Angebote, auch von größeren Verlagen. Aber die wollten es auf Klein-Doofie herunterbrechen. Ich habe den Verlag gewählt, der mich hat machen lassen. Und der hat ganz genau mein Publikum. Und diese Kunstausrutscher (u.a. die DVD mit der BBC) haben mir mein neues Projekt beschert...

    Es gibt Autoren, die können Punkt 1+2 zur Deckung bringen und sind glücklich damit. Ich bin völlig unfähig dazu (und heute noch der Yellow-Press-Agentur dankbar, die mir offen schrieb, ich sollte doch besser bei dem bleiben, wofür ich wirklich begabt sei). Dann muss man sauber und knallhart trennen, sonst geht man drauf.

    Aber trotz aller erträumten und versprochenen Auflagen im Massenmarkt: Man kann mit anderem Texten (und anderen Berufen) wahrlich schneller, leichter und besser Geld verdienen als bei Büchern! Geld und Erfolg, die ohnehin auch Glückssache sind, sollten einen als Argumente also nicht erpressbar machen.

    Auflagenhöhen auch nicht. Die PvC schielt jedesmal ungläubig auf Viola Beers Abverkäufe und schämt sich. Das verkauft sich ohne Werbung und ohne Rezensionen wie doof, das liest sogar Tante Erna. Aber ich könnte nie einen Lebensinhalt darin finden, Zitate zu sammeln...

    Apropos Querköpfe..., ja, man lernt irgendwann immer mehr davon kennen. Und dann trifft man plötzlich bei Querköpfen Querköpfe, die... (das Glück vom richtigen Ort zur richtigen Zeit existiert).

    Schöne Grüße,
    Petra

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  8. Hier kommt noch ein Link zu einem interessanten Interview mit Roman Graf (er hat an der Uni Leipzig das Schreiben gelernt).

    Im Interview sagt Graf, dass er natürlich sehr froh wäre, wenn er viele Bücher vekaufte.
    Aber er erklärt auch, dass er sich deshalb beim Schreiben nicht anpasst oder anpassen muss und da keinerlei Kompromisse eingeht.

    Zitat:
    "Auch wenn ich mich über viele Leserinnen und Leser freue, ich würde mich nie anpassen. Das hört sich nach einem Widerspruch an, ist es aber nicht: Kunst ist zwar auch Ware, verschiedene Leute verdienen ihr Geld damit, doch Kunst funktioniert im Markt ganz anders als andere Produkte ..."

    http://www.berlinerzimmer.de/eliteratur/roman_graf_interview.htm

    Schabbes ist vorbei, deshalb a gute Woch - Elisabeth

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  9. Liebe Petra,

    du hast mir sehr aus dem Herzen gesprochen, die halbe Zeit dachte ich, du sprichst über mich. Wenn es schon für die vollberuflichen AutorInnen immer enger wird, dann auch für die, die nebenher noch einen anspruchsvollen Beuf haben. Für dein Vorhaben, nächstes Jahr deinen Lebensunterhalt mit etwas anderem zu verdienen, wünsche ich dir ganz viel Kraft und Glück!

    Ich kann das, aus meiner nebenberuflichen Schreibsicht, alles bestätigen. Und am meisten getroffen haben mich kollegiale Aussagen wie "Du bist eben nicht gut genug". Das, was Marco sagt, trifft ebenfalls voll auf mich zu: noch weiter als bis hierher kann ich mich nicht runterbrechen lassen und muss das auch nicht.

    Ganz herzlichen Dank für deine offenen Worte!
    Christa

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  10. Petra,
    leider hast du Recht. Das ist eine Entwicklung, die aber nicht auf die Verlagswelt beschränkt sind. Überall findet eine Anpassung nach unten statt. Ich habe zum Glück nie bzgl. meines Lebensunterhaltes auf das "Pferd" schreiben gesetzt - wäre ich schon längst verhungert.

    Wie in vielen anderen Branchen auch, überleben nicht die Stärksten sondern die, auf deren Niveau die meisten Käufer sitzen. Und das sind eben die Furzklingeltonabbonennten und Krawalltalkshowgucker.

    Aber, diejenigen die Qualität suchten und lieferten waren schon immer in der Minderhiet. Ich weiß, dass es umstritten ist, aber die neuen Möglichkeiten der Elektronik, seien es ebook oder BoD geben die Möglichkeit unabhängig von Verlagsentscheidungen zu veröffentlichen (ich meine dabei natürlich nicht DKZVs). Auch bei den Bloggern findet sich manches Kleinod, bei dem sich die Tageszeitungen und Magazine eine Scheibe abschneiden könnten.
    Aber die Erkenntnis bleibt, dass von den Erträgen daraus niemand leben kann.
    Das trifft aber häufig auch auf die durchaus erfolgreichen Autoren zu. Wenn schon am Hungertuch nagen, dann lieber mit einem Manuskript, bei dem man sich nicht verbogen hat.

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  11. Hallo zusammen,
    ich habe mit diesem Thema offensichtlich an einer längst schwärenden Wunde gekratzt. Eine Kollegin, die nicht selbst kommentieren will, schrieb mir, dass die angesprochene Misere längst nicht nur für die gilt, die ständig wegen wechselnder Projekte neue Verlage suchen müssen. Man kann das offensichtlich auch mit dem "Hausverlag" erleben.

    @Elisabeth:
    Danke für den Link!
    Wenn das alles nur mit denen passieren würde, die wirklich "hohe" Kunst schafften, könnte man es ja noch verstehen. Aber wie ich die Lage überblicke, ist das Problem auf kein Genre und keine Art des Schreibens begrenzt - sondern ist eher an der Art von Unternehmen festzumachen.

    Ich habe spaßhalber mal mit einem Fachmann aus der freien Wirtschaft darüber gesprochen. Der meinte, es könne sich eigentlich kein Unternehmen auf Dauer leisten, dass sich solche Dinge einschleiften, warum auch immer. Er fragt, ob es nicht ganz gezielt Absicht ist, bestimmte "Sektoren" auszudünnen. Vor allem wenn Investitionen in ganz andere Kanäle laufen (Verlagsaufkäufe, Investitionen in Unternehmensberatungen und Werbeagenturen, z.B. für Portale oder Internetfernsehen etc.).

    Eine andere öglichkeit wäre, dass man schlicht die letzten Jahre viel zu viele Autoren beschäftigt hat...

    Die Ursache werden wir wohl nie erfahren.

    @Christa: danke für die guten Wünsche, wobei ich schwarz sehe. Ich habe mir schon vor Jahren ständig anhören müssen, ich sei überqualifiziert und viel zu alt...

    Über das "du bist nicht gut genug" schreibe ich demnächst mal extra einen Beitrag.

    Fortsetzung folgt...

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  12. Hallo Alexander,

    du hast natürlich recht, wenn man die Geschichte aller Künste anschaut, war das noch nie ein sicherer "Job" - und das muss es ja auch nicht sein. Wie Elisabeth zitierte: Kunst gehorcht anderen Gesetzen.

    Und so sehr ich dir zustimme, dass es andere Verlegemöglichkeiten gibt als Verlage, so wenig hilft das den Profis. Denn mit Selbstverlag, Print on Demand etc. begibt man sich nicht nur in ein Umfeld ohne jede Qualitätskontrolle, sondern ruiniert sich auch nachhaltig seine Profikarriere. Das ist einfach so. Es gibt Ausnahmen (wenn etwa ein Profiautor mit gutem Verlag etwas sehr Spezielles für Fans herausgeben will o.ä.).
    Und wie soll man sich finanzieren?

    Das wird sich wahrscheinlich ändern, wenn es ernstzunehmende Portale geben wird, die genau die Qualität garantieren (und nicht nur versprechen), wie das die etablierten Verlage auch tun.
    Aber auch alternatives Feuilleton im Internet funktioniert derzeit nur zum Preis der Selbstausbeutung im Anfangsstadium - und muss dann zum funktionierenden Unternehmen werden, um wachsen zu können.

    Dass Elke Heidenreich jetzt Internetfernsehen macht, ist ein Vorbote solcher Befreiungen - aber das Portal hat fürs erste eine halbe Million Euro investieren können...

    Was ich noch einmal deutlich sagen will: Es ist nicht so, dass ALLE Verlage wie die oben beschriebenen handeln. Man findet durchaus noch ambitionierte und kreative Verleger, man findet Verlage, die ihre Manuskripte nicht von "Material" sondern von Menschen kaufen.

    Was sich qualitativ verändert hat, ist einfach diese extreme Entscheidungsunfähigkeit in manchen anderen - und wir wissen alle, dass jeder Monat im Geldbeutel von Selbstständigen zählt. Vor zwei Jahren konnte man seine Bilanzen noch auf die Schnelle vorhersagen und tatsächlich vom Bücherschreiben leben.

    Schöne Grüße,
    Petra

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  13. Ja Petra,
    ich habe es vielleicht nicht ausreichend deutlich gemacht - die BoD Sache ist keine Alternative für Profis die von der Schreiberei leben wollen/müssen, aber für den semiprofessionellen Hobbyschreiber mit einem Brotberuf schon - aber es ist bestenfalls ein Null-auf-Null Geschäft.

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