Kennedy und weiße Rosen

Ich bin gerade zufällig darauf gestoßen, dass sich dieser Tage die Ermordung Kennedy's jährt. Das erinnert mich an ein Kuriosum aus meiner Arbeit. Für "Das Buch der Rose" haben wir auch nach aussagekräftigen Fotos gesucht, die zu den Kapiteln passen. In einem davon geht es um die Bedeutung von Rosen im Themenkreis um Tod und Jenseitsvorstellungen.

Ein Foto zeigte ganz besonders deutlich, wie stark Menschen Rosen für ihre Rituale um das Sterben benutzen. Es wurde am 22.11.1963 aufgenommen, in Dallas, Texas. Das Foto zeigt das Innere von John F. Kennedy's Wagen, mit Blick auf den Platz, auf dem er kurz zuvor noch gesessen hatte, bevor die tödlichen Schüsse fielen. Man sieht nichts als ein ganz normales Auto, das auch bereits gesäubert ist. Aber auf dem Sitzplatz liegt ein Bukett weißer Rosen.

Nichts Schlimmes, sollte man meinen. Ein Dokument in zweifacher Hinsicht: Zeitdokument und Dokument des Umgangs mit uralten Symbolen. Aber die Veröffentlichung des Fotos, das von einem amerikanischen Fotografen gemacht wurde, ist in den USA noch heute untersagt. Es darf nur in Europa gedruckt werden. Angenommen (rein hypothetisch), mein Buch würde in den USA erscheinen: Man würde es "bereinigen" - es hätte ein Foto weniger.

Dieser Umgang mit dem öffentlichen Sterben mutet altertümlich an, wenn man bedenkt, dass wir am Irakkrieg wie in einem Videospiel teilnehmen konnten und stolz jeder Treffer vom Militär live bejubelt wurde. Aber auch da hat man den wahren Tod weggesäubert, hat die Bilder geschönt. Alles war clean. Nur nicht ans wahre Grauen denken...

Als Kind hörte ich einmal eine grauenhafte Geschichte, erzählt von meiner Familie aus Ohio. Es war damals üblich, dass man die Toten bei der Aufbahrung in Leihkleider steckte - weil kaum jemand die wertvollen Roben und Anzüge bezahlen konnte. Es waren Kleider wie für eine Hochzeit. Man gab sie nicht mit ins Grab, sondern wieder in den Verleih. Und nachher kamen die jungen Leute, holten sich die Kleider für eben jenen Zweck. Die Leihroben für die Toten wurden plötzlich verboten, als die ersten Bräute nach ihrer Hochzeit verstarben. Sie hatten sich am Leichengift infiziert.

Beerdigen und Heiraten - beides sind Teile des Lebens. Beide einschneidenden Erlebnisse werden von Rosen begleitet und beide Male sogar von weißen. Aber wenn man versucht, das eine mit dem anderen wegzuschönen, geht es schief. Auch Rosen haben Dornen.

Das Foto ist zu finden in Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag 2008

3 Kommentare:

  1. Am Leichengift infiziert? Steckte da noch ein halber Arm drin, den die Braut verzehrte?

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  2. Oh, der Fachmann ist herbeigeeilt!
    Ich habe keine Ahnung, habe die Geschichte nur so wiedergegeben, wie ich sie als Kind (!) gehört habe. Die zwei Bräute, die es ereilte, sollen offene Wunden gehabt haben. Vielleicht auch nur eine urban legend (???) - jedenfalls wurde der Kostümverleih an Tote daraufhin dort verboten.

    Wie ist das denn in Wirklichkeit? Muss man es zu sich nehmen?

    Herzlichst,
    Petra

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  3. oh, hat sich der Fachmann wieder verdrückt? Schade, ich hätte es zu gern gewusst!

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