Eckermann online
Autoren sind schriftlich gesehen eine überkommunikative Spezies. Das liegt zum großen Teil daran, dass sie ihre Arbeit in Einzelhaft verrichten, wobei zwar nicht jeder seine Zelle mit Gummi tapeziert, sich aber viele sogar freiwillig von Telefon oder Türklingel abschneiden.
Was dem Goethe sein Eckermann war, ist dem verkabelten Autor sein Spezi am anderen Ende des Internetzugangs. Statt Depeschen zu Pferde tauscht man Mails per Klick. Man schreibt nicht mehr heimlich und persönlich Briefe, sondern diskutiert offen in Foren.
Und diese Gedanken von Schriftstellern haben seit jeher das Publikum fasziniert. Warum sonst haben wir so viel Gewinn beim Lesen von Eckermann, von Thomas Manns Briefen, von Essays und Nachlässen unserer Lieblinge?
Man könnte meinen, das Publikum sitze heute direkt am Honigtopf schriftstellerischen Denkens. Heute muss keiner erst einmal versterben, damit die Witwe die wohlgehütete Privatkorrespondenz zum Drucken freigibt. Wir spucken täglich in unsere Blogs, was uns bewegt. Wir geben zum schnellen Abschuss frei, was wir gerade denken. Aber reden wir wirklich noch über Schriftstellerei?
Wenn ich mich in Autorenforen u.ä. Sammelstellen umschaue (meinen Blog durchaus mit eingenommen), so finde ich reichlich Kurzlebiges, Flüchtiges, Banales. Es entsteht ein seltsames Bild von Autoren, die Tage damit verbringen, ihre Adjektive durchzuzählen und sich zu streiten, ob ein Text viele vertrage und wie viele Silben die im Idealfall haben sollten. Man macht sich Gedanken, wie man auf einen Text den größtmöglichen Veröffentlichungsmarktchancenfaktor montieren könne, ohne den Lesbarkeitskoeffizienten zu vernachlässigen. Anderswo toben Grabenkämpfe. Die Sekte der Handwerker gegen die Sekte der Inspirierten - und irgendwo redet ein einsames Männlein von Ausbildung, die es gar nicht gibt.
Man liest so viel von den internetten Autoren: Wie schwach darf eine Protagonistin sein? Plotte ich besser auf Millimeterpapier oder Tapetenrollen? Stehen Fantasyleser eher auf einfache Bauernkost am Grillfeuer oder auf das Saufgelage in der Burg? Auf Seite wieviel kommt der Orgasmus zu früh? Wie viele Vergewaltigungen und Bettwanzen befriedigen die Leser historischer Romane? Ist mein Buch schlecht, weil es nur 160 Seiten hat? Warum kriegt der einen Preis und nicht ich? Soll ich mich einem Trend beugen, wenn er sich erst ankündigt oder erst, wenn er schon da ist? Wie viele Testleser machen einen Bestseller? Wie werde ich Schriftsteller, wenn ich keine habe? Wie erobere ich den Markt am leichtesten mit dem am geilsten konstruierten Buch in absolut perfekt berechneter Sprache?
Bei all diesem Lärm versenke ich mich gern in die uralten papierenen Briefe der Großen. Es scheint, als sei Papier nicht so geduldig wie der virtuelle Raum, als überlege man sich dort dreimal, ob man etwas zu sagen hat. Papier, Tinte und lange Postwege sind nicht nur anders auf Dauer ausgerichtet, sie verschlingen auch Energie - man konzentriert sich.
Aber ist es wirklich nur das Medium, das die alten Schriftsteller so anders denken und reden ließ? Ich erfahre natürlich dort auch, wann Goethe dem Wein zugesprochen hat. Ich erfahre aber so viel mehr, was mit dem Schreiben vordergründig nichts zu tun zu haben scheint. Diese Schriftsteller machten sich gemeinsam Gedanken um die menschliche Existenz. Um die großen Lebensfragen. Um Politik. Um gesellschaftliche Umstände. Um Missstände. Um die Kunst. Um die Künste allgemein. Um Ausdrucksmöglichkeiten in ihrer Welt. Um Mann und Frau. Um Jugend und Alter. Um Leben und Tod.
Nicht, dass es solche Diskussionen bei noch lebenden Schriftstellern nicht mehr gäbe. Aber sie finden selten öffentlich, selten im Internet statt. Weil solche Gespräche zu intensiv sind, um sie mit Wildfremden in "Postingkürze" zu führen? Weil auch das Reden über das Schriftstellern Arbeit ist, Arbeit an der Beziehung zum Gegenüber?
Das Reden der alten Schriftsteller über das Schriftstellern ist das, was Schreiben ausmacht: Leben. Es scheint bei ihnen nur eine einzige ernstzunehmende Instanz zu geben, die Form und Inhalt diktiert: die zu erzählende Geschichte in ihrer Reibung am Leben.
Wann hören wir unseren Geschichten zu? Woran reiben wir uns heute? Sind wir überhaupt noch bereit zu Reibung, Kampf, Ringen? Sind wir bereit zum Unterliegen, zum Versagen, zum Querdenken, zu Neuem? Haben wir noch Leidenschaft, Passion?
Was dem Goethe sein Eckermann war, ist dem verkabelten Autor sein Spezi am anderen Ende des Internetzugangs. Statt Depeschen zu Pferde tauscht man Mails per Klick. Man schreibt nicht mehr heimlich und persönlich Briefe, sondern diskutiert offen in Foren.
Und diese Gedanken von Schriftstellern haben seit jeher das Publikum fasziniert. Warum sonst haben wir so viel Gewinn beim Lesen von Eckermann, von Thomas Manns Briefen, von Essays und Nachlässen unserer Lieblinge?
Man könnte meinen, das Publikum sitze heute direkt am Honigtopf schriftstellerischen Denkens. Heute muss keiner erst einmal versterben, damit die Witwe die wohlgehütete Privatkorrespondenz zum Drucken freigibt. Wir spucken täglich in unsere Blogs, was uns bewegt. Wir geben zum schnellen Abschuss frei, was wir gerade denken. Aber reden wir wirklich noch über Schriftstellerei?
Wenn ich mich in Autorenforen u.ä. Sammelstellen umschaue (meinen Blog durchaus mit eingenommen), so finde ich reichlich Kurzlebiges, Flüchtiges, Banales. Es entsteht ein seltsames Bild von Autoren, die Tage damit verbringen, ihre Adjektive durchzuzählen und sich zu streiten, ob ein Text viele vertrage und wie viele Silben die im Idealfall haben sollten. Man macht sich Gedanken, wie man auf einen Text den größtmöglichen Veröffentlichungsmarktchancenfaktor montieren könne, ohne den Lesbarkeitskoeffizienten zu vernachlässigen. Anderswo toben Grabenkämpfe. Die Sekte der Handwerker gegen die Sekte der Inspirierten - und irgendwo redet ein einsames Männlein von Ausbildung, die es gar nicht gibt.
Man liest so viel von den internetten Autoren: Wie schwach darf eine Protagonistin sein? Plotte ich besser auf Millimeterpapier oder Tapetenrollen? Stehen Fantasyleser eher auf einfache Bauernkost am Grillfeuer oder auf das Saufgelage in der Burg? Auf Seite wieviel kommt der Orgasmus zu früh? Wie viele Vergewaltigungen und Bettwanzen befriedigen die Leser historischer Romane? Ist mein Buch schlecht, weil es nur 160 Seiten hat? Warum kriegt der einen Preis und nicht ich? Soll ich mich einem Trend beugen, wenn er sich erst ankündigt oder erst, wenn er schon da ist? Wie viele Testleser machen einen Bestseller? Wie werde ich Schriftsteller, wenn ich keine habe? Wie erobere ich den Markt am leichtesten mit dem am geilsten konstruierten Buch in absolut perfekt berechneter Sprache?
Bei all diesem Lärm versenke ich mich gern in die uralten papierenen Briefe der Großen. Es scheint, als sei Papier nicht so geduldig wie der virtuelle Raum, als überlege man sich dort dreimal, ob man etwas zu sagen hat. Papier, Tinte und lange Postwege sind nicht nur anders auf Dauer ausgerichtet, sie verschlingen auch Energie - man konzentriert sich.
Aber ist es wirklich nur das Medium, das die alten Schriftsteller so anders denken und reden ließ? Ich erfahre natürlich dort auch, wann Goethe dem Wein zugesprochen hat. Ich erfahre aber so viel mehr, was mit dem Schreiben vordergründig nichts zu tun zu haben scheint. Diese Schriftsteller machten sich gemeinsam Gedanken um die menschliche Existenz. Um die großen Lebensfragen. Um Politik. Um gesellschaftliche Umstände. Um Missstände. Um die Kunst. Um die Künste allgemein. Um Ausdrucksmöglichkeiten in ihrer Welt. Um Mann und Frau. Um Jugend und Alter. Um Leben und Tod.
Nicht, dass es solche Diskussionen bei noch lebenden Schriftstellern nicht mehr gäbe. Aber sie finden selten öffentlich, selten im Internet statt. Weil solche Gespräche zu intensiv sind, um sie mit Wildfremden in "Postingkürze" zu führen? Weil auch das Reden über das Schriftstellern Arbeit ist, Arbeit an der Beziehung zum Gegenüber?
Das Reden der alten Schriftsteller über das Schriftstellern ist das, was Schreiben ausmacht: Leben. Es scheint bei ihnen nur eine einzige ernstzunehmende Instanz zu geben, die Form und Inhalt diktiert: die zu erzählende Geschichte in ihrer Reibung am Leben.
Wann hören wir unseren Geschichten zu? Woran reiben wir uns heute? Sind wir überhaupt noch bereit zu Reibung, Kampf, Ringen? Sind wir bereit zum Unterliegen, zum Versagen, zum Querdenken, zu Neuem? Haben wir noch Leidenschaft, Passion?
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