Komplizenschaft und Lesesucht
Phainomena führt ein Interview mit dem Verleger Johannes CS Frank, der mit dem Verlagshaus J. Frank genau die sperrige und in keine Schubladen passende Gegenwartsliteratur verlegt, von der man meinen könnte, sie wäre heute nicht mehr möglich. Der Verleger erzählt, wie wichtig und wirkungsvoll gerade heute hohe Qualität und Anspruch sind und warum man auch Risiken eingehen sollte. Außerdem gibt er zu bedenken, wie hinderlich Pseudonyme sein können und wie wichtig die "Komplizenschaft" zwischen Autor und Verlag ist.
Das ganze Gegenteil von Typ ist Seth Godin und man muss ihn als das lesen, was er ist: sehr amerikanisch. Sein Blog liest sich zwar manchmal, als wolle er die ganze Welt mit Weisheiten beglücken, aber viele Ratschläge funktionieren im deutschen Buchmarkt schlichtweg überhaupt nicht. So auch diesmal, wenn er Autoren Ratschläge gibt für den Prozess, wenn ein Buch erscheint. Damit meint er vor allem Autoren, die es so machen wie er: nicht mehr über Verlage, sondern in Eigenverantwortung verlegen. Die anderen können sich trotzdem einiges abschauen.
Natürlich wäre es Blödsinn, in good old Europe Buchhändler als etwas Schreckliches anzusehen - hierzulande sind sie noch unsere besten Verbündeten, weil der Alternativmarkt wie in den USA nicht in dieser Größe existiert. Natürlich ist es lustig, einem Selbstverleger beibringen zu wollen, dass Verlegen und Drucken zweierlei Stiefel sind - so weit sollte man lange vor der Arbeit sein. Aber da ist einiges bedenkenswert, worüber man sich hierzulande keine Gedanken macht.
Seine Vorlaufzeit von drei Jahren, um sich einen gewissen Namen zu verschaffen in den Social Media ist ziemlich realistisch geschätzt. Und in seiner Forderung, nicht am Lektor oder Cover zu sparen, essentiell wichtig. Verblüffend die Forderung "Versuch nicht, dein Buch jedem zu verkaufen!" Denn genau das ist ein Denkfehler, der um sich greift. Sein Gegenmittel stammt eigentlich aus dem Grundlehrbuch uralter Buch-PR: Man solle ein Buch von der Nische aus verkaufen - die natürlich gern wuchern darf. Ich persönlich fand seinen Punkt 4 hochinteressant: Ein Buch als Gefäß für eine Idee betrachten, als ein Souvenir für die Leser, so dass die Ideen dem Buch entfleuchen dürfen, dass man Ideen außerhalb des Buches teilt. Am besten selbst den ganzen Artikel lesen.
Aber bitte nicht zu viel lesen, vor allem als Frau. So hätte ich vor ein oder zwei Jahrhunderten schließen müssen und vor der Lesesucht warnen. Ja, es hat tatsächlich einmal Zeiten gegeben, da galt die "Lesesucht des Weibes" sogar als Geisteskrankheit, gefährlich und hirnzersetzend. Wer mehr wissen will, als bei Wikipedia steht, der findet in "Das Buch der Rose" ein Kapitel über die Kitschklischees und süßlichen Vorurteile, mit denen sich die Frauen des 19. Jahrhunderts auseinanderzusetzen hatten und die bis heute nachwirken. Damals hat man nämlich eigens für diesen Teil der Menschheit "geeignete" Literatur geschaffen, die Frauen- und Familienbücher, die Mädchenbücher, die Modekataloge und Trivialliteratur...
Liebe Petra,
AntwortenLöschenich erinnere mich gut an die Stelle im "Buch der Rose"-und musste dabei an Mörike denken,
der den Mädchen, die er in Literatur unterichtete, den "Werther" nicht mehr präsentieren durfte-sie hätten ja Schaden nehmen können. Und Lesesucht als Thema wie bei Cervantes-eine durchaus reizvolle Alternativefür eine Vielschreiberin und Vielleserin wie mich:-)
Herzlichst
Christa
Liebe Christa,
AntwortenLöschenund das erinnert mich wiederum an den nicht unbekannten Lektor eines renommierten Sachbuchverlags, der mein Rosenbuch abgelehnt hatte mit den Worten: "von einer weiblichen Autorin hätte ich mir etwas Sanfteres, Anmutigeres erwartet, nicht so viel Wissen." Fast im gleichen Moment hat dann eine Verlegerin zugegriffen...
Kenst du die beiden wunderschönen Bildbände "Frauen, die lesen, sind gefährlich" und "Frauen, die schreiben, leben gefährlich" (Elisabeth Sandmann Verlag)? Könnten dir gefallen! - Wobei ich das erste besser finde, beim zweiten vermisse ich doch die weibliche Komponente, wie / ob sich das Erleben der Schriftstellerin-Situation in den Werken niedergeschlagen hat.
Herzlichst,
Petra
Apropos am Lektor sparen - der Verleger Frank kritisiert ja genau dies an Blogs...
AntwortenLöschenBei diesem Beitrag hatte die Lektorin Urlaub. Die Autorin ist mal wieder zwischen den Sprachen verrutscht, macht Bezugsfehler, bringt Wortwiederholungen am laufenden Meter etc.
Ich lass das diesmal stehen und korrigiere nicht zum dritten Mal. So peinlich können schlecht lektorierte Bücher auch werden!
Nein, die Bücher über lesende und schreibende Frauen kenne ich nicht, merke ich mir aber.
AntwortenLöschenTja, dass Frauen auch so viel wissen können ...dazu fällt mir noch ein, dass auch heute noch an manchen Orten geglaubt wird, Schreiben mache nervenkrank!
Die Bezugs-, Sprach und Wiederholungsfehler habe ich gar nicht gesehen. Aber ich weiß, wie anstrengend es sein kann, selbst sein Blog ständig lektorieren zu müssen, dabei geht sehr viel Zeit drauf.
Herzlichst
Christa
Vor allem ist man absolut betriebsblind, wenn man sich selbst lektorieren muss! Ich bemerke meine Fehler auch oft nur bei mehrmaligen Durchgängen in unterschiedlichen Schriftbildern.
AntwortenLöschenAber du kennst das ja... nach Lektorat, Korrektorat und Fahnenkorrektur schlägt man das frischgedruckte Buch auf - und was springt einem sofort ins Auge: Ein Druckfehler, den alle zusammen übersehen haben.
Herzlichst,
Petra (zu faul zum Einloggen)