Zukunftsmusik von gestern
Die Sache mit den "Enhanced Ebooks" (aktueller Kommentar) hat mich jetzt nicht losgelassen, mir kam da irgendetwas verdächtig bekannt vor. Zur Erklärung: Unter diesem Terminus versteht man nicht einfach digitalisierte Printversionen, sondern E-Books, in denen Multimedia eingebunden wird, vom Foto über die Audiodatei bis hin zum Video.
Ich fing mit dem Internet später an als andere, weil ich durch meinen Aufenthalt in den Neunzigern in Polen etwas weit ab von technischen Möglichkeiten lebte. Wir waren froh, wenn ein normales Telefon zufällig funktionierte und die Kabel im Boden blieben. Auf der anderen Seite explodierte in Polen nach wenigen Jahren die Technik und Probierfreude dann aber auch: Schnell waren die nicht funktionierenden Festnetzapparate gegen Handys ausgetauscht und die modernsten amerikanischen und japanischen Computerläden öffneten in Warschau. Zurück in Deutschland landete ich mit meiner ersten Website denn auch beim damals legendären "geocities", wo es all das, was heute als Social Media gepriesen wird, längst gab: Foren, Chats, Stadtteilvernetzungen und Webringe, Plattformen für Mailinglists und Vernetzungen von all den technischen Möglichkeiten.
Eben habe ich die Datei wiedergefunden. Man schrieb das Jahr 2000, das sich doch tatsächlich noch ein wenig wie Zukunft anfühlte. Eine deutsche Autorin hatte eben ihre beiden ersten Bücher veröffentlicht und die Erfahrung gemacht, wie viel Wissen rund um den Globus zu haben ist, wie spannend eine Vernetzung. Also langweilte sie sich mit dem deutschsprachigen Bücherschreiben ein wenig. Ich erinnere mich noch an das High-Gefühl, als ich es tatsächlich schaffte, einen amerikanischen Verlag anzubaggern.
Es war kein normaler Verlag. Die Leute stellten E-Books her. Und sie taten das im Gegensatz zu anderen, die gleich pleite gingen, in jedem damals gängigen Format. Natürlich gab es Romane als pdf oder fürs RocketBook (erinnert sich noch jemand?). Aber dieser Verlag wollte mehr. Ebooks sollten alle technischen Möglichkeiten des Internet ausschöpfen, zumindest sollte man durch Anklicken im Inhaltsverzeichnis direkt in den Text springen können. In Deutschland gab es das in dieser Form meines Wissens nicht.
Die Datei aus dem Jahr 2000 zeigt meinen Vorschlag an jenen amerikanischen Verlag für eine Reihe von Ebooks (Sachbüchern aus dem Bereich Touristik mit Kulinarik!), die man heute "enhanced" nennen würde. Da gibt es ein Dossier über Interaktivität. Was fordert die Autorin im Jahr 2000 als Mindeststandard:
Tja - und dann ereilte mich das Schicksal, das Innovationen öfter mal droht. Der Verlag war hochbegeistert und hatte die Verträge bereits abgeschickt - für eine gesamte Buchserie. Aber das RocketBook entpuppte sich als Flopp, das Ebook ebenso. Der Markt war noch nicht reif, es wurden viel zu viele Fehler gemacht. Zu schnell war ein Hype aufgeblasen worden, ohne Leserbedürfnisse, technische Voraussetzungen und Autorenkönnen zu berücksichtigen. Die Blase platzte, der amerikanische Verlag war wie viele andere, die ausschließlich aufs Ebook gesetzt hatten, von einem Tag auf den anderen Pleite. Nur ich mit meinen abstrusen Ideen hatte mal wieder überlebt (und wie viele Verlagspleiten habe ich schon überlebt...).
Einige Jahre später konnte ich mich wenigstens dabei austoben, am Aufbau eines Businessnetzwerks mit eigener Community mitzuwirken. Jetzt, im Jahr 2010 sehe ich, dass meine Ideen von damals, wie ich sie erträumt hatte, plötzlich umgesetzt werden können. Enhanced Ebooks nennt man das. Und weil die Blase damals so schlimm platzte, gibt es heute wahrscheinlich so viele Bedenkenträger.
Mein Atem ist länger geworden. Ich sehe, was in anderen Ländern experimentiert wird und geht. Ich habe die jungen Leute vor mir, die schneller zum i-phone greifen als zum Buch. Ich kann mir immer noch sehr vieles vorstellen, was noch gar nicht umzusetzen ist. Ich persönlich glaube, wir werden weiterhin herkömmliche Bücher haben, keine Frage! Wir werden aber auch immer mehr Hybridmedien bekommen, bei denen sich Grenzen verwischen. Computerspiele und Bücher werden sich annähern. Enhanced Ebooks werden eine Schnittstelle sein. Touristenführer vor Ort werden mit Buchautoren verschmelzen, vielleicht per GPS geortet und per Handy direkt aufs Ohr und in die Augen. So viele spannende Möglichkeiten tun sich neben - nicht gegen das Buch auf.
Wir werden in Zukunft eine neue Generation Autoren brauchen: Autoren, die nicht einfach nur für Papier schreiben können, sondern die eigene "Literaturen" für all die neuen Möglichkeiten entwickeln können. Man schreibt anders fürs Hören als fürs Lesen, man konzipiert Stories völlig neu bei Interaktion oder Einbau anderer Medien.
Als ich mein Angebot im Jahr 2000 an diesen amerikanischen Verlag schickte, haben mich alle ausgelacht. Ich glaube immer noch an wilde Experimente. Wir kratzen ja auch unsere Bücher nicht mehr in Tonscherben. Wir sollten aus dem Platzen der letzten Blase jedoch eins gelernt haben: Diskussionen, wer nun was zuerst zum Sterben bringen wird, sind in etwa so nützlich wie das Jammern um den Untergang des Abendlandes. Auch das künstliche Puschen von Hypes hilft nur einer Sorte von Mensch: den Geräteherstellern.
Ich würde mir wünschen, neben all dem Experimentieren an der Qualitätssicherung zu arbeiten. Und dazu gehört neben all der Technik vor allem eins: der Aufbau und die Zusatzausbildung von Autoren. Sonst sitzen eines Tages eine Menge Kids mit Supergeräten einer Generation gegenüber, die nur geradeaus auf Papier tippen kann.
Ich fing mit dem Internet später an als andere, weil ich durch meinen Aufenthalt in den Neunzigern in Polen etwas weit ab von technischen Möglichkeiten lebte. Wir waren froh, wenn ein normales Telefon zufällig funktionierte und die Kabel im Boden blieben. Auf der anderen Seite explodierte in Polen nach wenigen Jahren die Technik und Probierfreude dann aber auch: Schnell waren die nicht funktionierenden Festnetzapparate gegen Handys ausgetauscht und die modernsten amerikanischen und japanischen Computerläden öffneten in Warschau. Zurück in Deutschland landete ich mit meiner ersten Website denn auch beim damals legendären "geocities", wo es all das, was heute als Social Media gepriesen wird, längst gab: Foren, Chats, Stadtteilvernetzungen und Webringe, Plattformen für Mailinglists und Vernetzungen von all den technischen Möglichkeiten.
Eben habe ich die Datei wiedergefunden. Man schrieb das Jahr 2000, das sich doch tatsächlich noch ein wenig wie Zukunft anfühlte. Eine deutsche Autorin hatte eben ihre beiden ersten Bücher veröffentlicht und die Erfahrung gemacht, wie viel Wissen rund um den Globus zu haben ist, wie spannend eine Vernetzung. Also langweilte sie sich mit dem deutschsprachigen Bücherschreiben ein wenig. Ich erinnere mich noch an das High-Gefühl, als ich es tatsächlich schaffte, einen amerikanischen Verlag anzubaggern.
Es war kein normaler Verlag. Die Leute stellten E-Books her. Und sie taten das im Gegensatz zu anderen, die gleich pleite gingen, in jedem damals gängigen Format. Natürlich gab es Romane als pdf oder fürs RocketBook (erinnert sich noch jemand?). Aber dieser Verlag wollte mehr. Ebooks sollten alle technischen Möglichkeiten des Internet ausschöpfen, zumindest sollte man durch Anklicken im Inhaltsverzeichnis direkt in den Text springen können. In Deutschland gab es das in dieser Form meines Wissens nicht.
Die Datei aus dem Jahr 2000 zeigt meinen Vorschlag an jenen amerikanischen Verlag für eine Reihe von Ebooks (Sachbüchern aus dem Bereich Touristik mit Kulinarik!), die man heute "enhanced" nennen würde. Da gibt es ein Dossier über Interaktivität. Was fordert die Autorin im Jahr 2000 als Mindeststandard:
Intern verlinktes Register / Inhaltsverzeichnis / FußnotenspringenWenn man das heute liest, zehn Jahre danach, klingt es fast rührend niedlich. Damals war es so bahnbrechend, dass es für die Ideen noch gar keine Ausdrücke gab. Den letzten Punkt nennt man heute Community-Bildung.
Infolinks im Text zum Web
Vernetzung des Buchs mit eigener Website / eigenem Forum und e-zine zum Mitmachen für Leser
Rezepte und Tipps aus dem Buch extra "herklickbar"
Vernetzung von Fotos mit größeren, aktualisierbaren Fotoseiten im Web
Vernetzung des Buchs mit Updates im Web
Internetaktivitäten mit Lesern zum Buch
Tja - und dann ereilte mich das Schicksal, das Innovationen öfter mal droht. Der Verlag war hochbegeistert und hatte die Verträge bereits abgeschickt - für eine gesamte Buchserie. Aber das RocketBook entpuppte sich als Flopp, das Ebook ebenso. Der Markt war noch nicht reif, es wurden viel zu viele Fehler gemacht. Zu schnell war ein Hype aufgeblasen worden, ohne Leserbedürfnisse, technische Voraussetzungen und Autorenkönnen zu berücksichtigen. Die Blase platzte, der amerikanische Verlag war wie viele andere, die ausschließlich aufs Ebook gesetzt hatten, von einem Tag auf den anderen Pleite. Nur ich mit meinen abstrusen Ideen hatte mal wieder überlebt (und wie viele Verlagspleiten habe ich schon überlebt...).
Einige Jahre später konnte ich mich wenigstens dabei austoben, am Aufbau eines Businessnetzwerks mit eigener Community mitzuwirken. Jetzt, im Jahr 2010 sehe ich, dass meine Ideen von damals, wie ich sie erträumt hatte, plötzlich umgesetzt werden können. Enhanced Ebooks nennt man das. Und weil die Blase damals so schlimm platzte, gibt es heute wahrscheinlich so viele Bedenkenträger.
Mein Atem ist länger geworden. Ich sehe, was in anderen Ländern experimentiert wird und geht. Ich habe die jungen Leute vor mir, die schneller zum i-phone greifen als zum Buch. Ich kann mir immer noch sehr vieles vorstellen, was noch gar nicht umzusetzen ist. Ich persönlich glaube, wir werden weiterhin herkömmliche Bücher haben, keine Frage! Wir werden aber auch immer mehr Hybridmedien bekommen, bei denen sich Grenzen verwischen. Computerspiele und Bücher werden sich annähern. Enhanced Ebooks werden eine Schnittstelle sein. Touristenführer vor Ort werden mit Buchautoren verschmelzen, vielleicht per GPS geortet und per Handy direkt aufs Ohr und in die Augen. So viele spannende Möglichkeiten tun sich neben - nicht gegen das Buch auf.
Wir werden in Zukunft eine neue Generation Autoren brauchen: Autoren, die nicht einfach nur für Papier schreiben können, sondern die eigene "Literaturen" für all die neuen Möglichkeiten entwickeln können. Man schreibt anders fürs Hören als fürs Lesen, man konzipiert Stories völlig neu bei Interaktion oder Einbau anderer Medien.
Als ich mein Angebot im Jahr 2000 an diesen amerikanischen Verlag schickte, haben mich alle ausgelacht. Ich glaube immer noch an wilde Experimente. Wir kratzen ja auch unsere Bücher nicht mehr in Tonscherben. Wir sollten aus dem Platzen der letzten Blase jedoch eins gelernt haben: Diskussionen, wer nun was zuerst zum Sterben bringen wird, sind in etwa so nützlich wie das Jammern um den Untergang des Abendlandes. Auch das künstliche Puschen von Hypes hilft nur einer Sorte von Mensch: den Geräteherstellern.
Ich würde mir wünschen, neben all dem Experimentieren an der Qualitätssicherung zu arbeiten. Und dazu gehört neben all der Technik vor allem eins: der Aufbau und die Zusatzausbildung von Autoren. Sonst sitzen eines Tages eine Menge Kids mit Supergeräten einer Generation gegenüber, die nur geradeaus auf Papier tippen kann.
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