Können müsste man können

Auf manche Frauen stehe ich so, dass ich sie aufhänge. Von Klimt gemalte zum Beispiel (1-2-3). Manchmal genieße ich welche, die andere aufhängen - etwa die von Bettina Rheims. Frauen auf Fotos können eine ganze Menge erzählen, mit ihrem Gesicht, ihrem Körper, ihrer Haut. Und Frauen können verdammt erotisch sein, selbst wenn sie hinter Titeln versteckt werden, die sich ein Statistiker im Schlaftablettenrausch während eines Medizinpraktikums ausgedacht haben muss.

Dass Männer mit Frauen nicht immer so können, ist ein alter Hut. Trotzdem haben auch Männer immer wieder für Mann wie Frau erotische Frauen gemalt und gezeichnet, fotografiert und in Szene gesetzt. Irgendwann wollten aber nicht mehr nur Maler das Schönste der Welt abbilden, irgendwann glaubten Werbemacher, man könne mit einem Frauenkörper alles verkaufen, von der Nobelkarosse bis zur saugmächtigen Slipeinlage. Hauptsache nackt. Fleisch gibt müden Käufern Kraft zurück. Und das Hirn des Geldes pocht angeblich in der Hose.

Marketingstrategen wissen natürlich, dass sich auch mit anderen Methoden Knete machen lässt: Promis, Reizwörter, Skandal.

Baden-Baden und der SWR haben jetzt alles zusammen: Einen Promi (schon etwas angejahrt, aber er lebt noch, Kurstadt eben), Fleisch pur in der Wüste, den Skandal um das schlechteste Plakat des Jahres und einen Pressetext, der sich in seiner Reizwortmontage wie ein Produkt aus Hitzschlag und Sonnenstich liest.

Statt vielversprechenden jungen Künstlertalenten eine Chance zu geben, für die das New Pop Festival von SWR3 gern stehen mag, hat man Gunter Sachs geholt, um ein Plakat zu entwerfen - hier kann man das "Werk" bestaunen. Und der hat offensichtlich mitbekommen, dass in diesem Jahr alle von Ballett sprechen, die Zeitungen, das Fernsehen, wichtige Leute, Connaisseure. Was liegt also näher, als auf der Welle mitzuschwimmen und vollmundig zu verkünden:

"Fliegende Notenlinien schmiegen sich in warmem Dämmerlicht um einen nackten Frauenkörper in Ballettpose. Weibliche Silhouetten performen schattenwerfend Musik und Tanz auf dem schwarzen Linientrapez – so sieht Gunter Sachs das ›SWR3 New Pop Festival‹, dessen offizielles Plakat er dieses Jahr kreiert hat." (Zitat Pressetext)

Aua. Zum Glück sind die avantgardistischen Ballerinen der Ballets Russes längst tot, zum Glück dreht sich Nijinsky mit seiner echten, unverfälschten und androgynen Erotik nicht ausgerechnet in Baden-Baden im Grab herum (das ist, nebenbei bemerkt, das Ballett, von dem jeder spricht in diesem Jahr).

Gewiss, man kann die Dame, deren Gesicht und Ausdruckskraft ideal für Waschmittelreklame oder eine Zahnarzthelferinnenrolle in einer SWR-Soap taugen würde, gut finden. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Man kann sich sogar von diesem künstlich mit Photoshop zurechtbearbeiteten Körper aufreizen lassen. Nur: wozu?

Wer bitte geht nach dieser Wüste von sterilem Fleisch, toter Landschaft und einem Gekräusel, das an alte Speisekarten à la Kurhaus erinnert, noch freiwillig in ein Pop- oder Rockkonzert? Wird uns hier nicht unterschwellig versprochen, die seien ebenso blutleer und garantiert frei von jedem Leben? Sex 'n' drugs 'n' rock'n roll, das war einmal. Heute schicken wir das Publikum in die Wüste.

Gut, nicht jeder ist zum Grafiker geboren. Deshalb ist das ja auch ein Ausbildungsberuf, deshalb haben Profis in der Branche jede Menge gelernt, bevor sie Plakate machen dürfen. Sie haben vor allem gelernt, dass es nicht reicht, Bildchen zu montieren. Und sie haben gelernt, dass die wirklich eigene Idee, die Auseinandersetzung mit Sujet und Zielpublikum Früchte trägt.

Gunter Sachsens Plakatunfall erinnert dann doch allzu sehr an eine Vorlage von Iris Brosch, um wirklich neu zu sein. Wenn man ihre Schöne auf dem Foto anschaut, fällt auf, dass diese gespiegelt und in fast gegenteiliger Pose auf Wasser statt auf Sand steht. Obwohl die Verwendung von Himmel und dunkel zusammenschmelzender Landschaft am Horizont bei beiden Bildern ähnlich scheint, hat Iris Broschs Fotografie etwas, das dem Plakat von Gunther Sachs völlig abgeht: Sie erzählt dem Betrachter etwas. Sie hält den Blick fest. Selbst wenn die Frau einem nicht gefällt - hier schaut man freiwillig ein zweites Mal hin. Broschs Kunst lebt nämlich.

Immerhin zeigen wenigstens die Lettern auf dem Plakat für das New Pop Festival von SWR3 deutlich, was Sache ist: Da wurde ein Projekt für viel Geld erfolgreich in den Sand gesetzt.

Tja, so ist das eben mit den Männern und den Frauen. Können müsste man können.

2 Kommentare:

  1. Ulrich Baum2/7/09 12:23

    Also liebe Frau Cronenbursch, isch weiß ja jetzt nischt, was Sie meinen, was Sie da zum gridisieren haben. Das Wärik von dem Herr Sachs ist doch wundervoll geworden, gell. Ganz arsch äsdeedisch, nettwahr. Zugegewwe, die Schrift ist leicht grauenhaft, besonders weeschen der Fleischfarb, gell. Und die Dame, die wo da so in einer mir arsch altbekannten Pose stehen tuut, die hat mer zwar mi'm Phoddoshop ein bissi arsch in die Läng' gezooche, gell, awwer sonst, es is doch arisch geschmackvoll. Und gugge'se doch e mal den wunderbare Sandbode an, auf demene Blagaad. Da könnt mer doch direkt meine, es wär vom Salwadoore Dalli gemacht, gell. Odder stört Sie, liebe Frau Cronenbursch, der Flair von BDM und Krafdt dursch Froide?

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  2. Herr Baum, ich ligg am Bodde vor Lache! Wolle mer ned e Programm middenanner mache, so zum Uffdräde, vielleicht im Ess-Weh-Ärr?

    Vor lauder arsch und arisch isch mer jetzt mei oigener Dialeggd arg flöte gegange. Der brobd jetzert Njuh Poppe, so ebbs Abba au!

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