Schwarzmalerei mit Blitz

Ei, die Nachrichten aus Kunst und Kultur dräuen wieder krisenschwarz am Himmel. Da wäre einmal aktuell das Spar-Festival der ARD zu nennen, das zur verflachenden Gleichschaltung im wahrsten Sinn des Wortes führt, und vor allem die am Ende der Nahrungskette (wen sonst) trifft: freie Autoren und Regisseure. Man spricht gar von einer Bedrohung der Formen Hörspiel und Feature.

Auch bei den Büchern wird gespart, in großen Verlagen dreht sich lustig das Personalkarussell. Ein Kettenkarussel scheint es zu sein, dessen beschleunigter Drehmoment die wegschleudern wird, die sich nicht festhalten können. Es soll auch schon vermehrt Autoren geben, die beim Bäumchen-Wechsel-Dich plötzlich Lektoren aus dem vorletzten Verlag bei der Konkurrenz wiedertreffen oder ein einziges Buch von mehr als einer Lektorin bearbeitet bekommen.

Und dann wären da noch diejenigen, die zuerst versuchten, den eigentümergeführten Buchhandel kaputt zu machen und nun selbst entlassen, als sei das ein lustiges Sommerspiel: Hugendubel und Weltbild schieben zwar alles auf Amazon und einen "Strukturwandel", bauen aber erst mal brutal Personal ab. Weniger Personal, das in manchen Läden ohnehin eher die Qualifikation von Fischverkäufern hatte - dafür noch mehr Konzentration auf Gängiges. Wieder trifft es die Mehrheit der Autoren, die nicht den massenkompatiblen Stapeltitel schaffen oder schaffen wollen. Auch hier wird fleißig gleichgeschaltet.

Dunkle Wolken am Horizont. Krise. Zeit für eine gepflegte Autorendepression.

Nein, halt! Es ist an der Zeit, dass der Blitz endlich ins System fährt. Jeder, der noch nicht gleichgestrickt schreibt und zum austauschbaren Versatzstückautor geworden ist, sollte einen Regentanz aufführen, damit das reinigende Gewitter schnell und heftig kommt. Solange es die anderen noch gibt, die mit Mühe gegen dieses Massengeschäft durchgehalten haben. Die engagierten kleineren und mittleren Verlage mit Grips und Kreativität, echte Bücher- und Autorenmacher. Die Autoren mit Anspruch und Individualität. Die kleinen und größeren unabhängigen Buchhandlungen mit Fachpersonal und der Chuzpe zur Auswahl. Die Leserinnen und Leser mit Hirn und Herz für gute Bücher. Bei all denen liegt die Zukunft.

Gewiss trifft es in Umbruchphasen viele Betroffene hart. Es sind Phasen, die völliges Umdenken erfordern. Aber was da derzeit verröchelt, sind nicht Kunst und Kultur als zivilisatorische Kräfte, das ist ein künstlich aufgeblasenes Branchensystem, von Unternehmensberatern in den Hype geredet, bei dem das Buch zur austauschbaren Massenware wie Zahnpasta verkam. Immer schneller, dicker, seichter für Quote und Profit - da wurde doch nur nachgeahmt, was das Fernsehen mit der Einführung der Privatsender vorgemacht hatte.

Und wie ist das mit dem Fernsehen heute? Genau. Die Zuschauer bleiben weg. Sie tummeln sich zunehmend in den Medien, in denen sie ernst genommen werden, in denen sie ihre Ansprüche stillen können. Internet statt Fernsehen. Aber statt dazu zu lernen, halten die Intendanten ihr Publikum für noch blöder als vorher. Ein Teufelskreis.

Inzwischen glaube sogar ich an einen Clash of Culture. Der Massenmarkt wird sich krisengesundschrumpfen auf Kosten von Qualität und Mensch. Warum eigentlich nicht endlich ehrlich sein und die Strategie auf die Spitze treiben? Wie Buchhändlerin XY über Verlag NN sagte: "Die finanzieren sich aus drei Bestsellern im Programm, alles andere ist Füllware, um Größe vorzutäuschen, das sind Beta-Autoren, deren baldige Verramschung schon bei Erscheinen eingerechnet ist. Friss oder stirb, wenn das Buch zufällig einer entdeckt, ist gut, wenn nicht, auch nicht schade drum."

Warum nicht ehrlich zu den drei Bestsellern stehen und auf die Beta-Autoren verzichten? Hart wäre das nur kurzfristig. Langfristig würde die aber endlich keiner mehr an der Nase herumführen, sie würden nicht umsonst auf Karriere hoffen oder ihr Leben nach dem fest eingeplanten, aber verheimlichten Untergang einrichten. Vielleicht würden sie sogar aufwachen und endlich für die richtigen Verlage schreiben - für die, denen Bücher und Autoren noch am Herzen liegen?

Ich denke, wir brauchen dringend Verdummung, wir brauchen noch mehr Massen von Seichtem, noch billigere Programme in allen Medien! In einem Land, das sich zunehmend genussdrogenfeindlich geriert und am liebsten auch noch gutes Essen abschaffen würde, brauchen Menschen Dröhnung - auch das ist ein Teil des zivilisatorischen Prozesses. Deshalb ist es endlich an der Zeit, klare Linien zu ziehen. Ich will meine Dealer gleich und deutlich erkennen können! Spart zusammen, was das Zeug hält! Schiebt alles auf Amazon, auf Google oder die Krise. (Nur nie auf McKinsey.) Verflacht eure Programme, stellt am besten nur noch Ein-Euro-Jobber aus der Autoindustrie ein, die wissen, wie man Ware stapelt, entstapelt und durch die Endkontrolle bringt. Nur steht bitte endlich dazu!

Ich schlage ein Schnellbefriedigungs-Gütesiegel vor: Safer books. Damit wir künftig solche Programme, Verlage und Buchketten noch deutlicher erkennen. Ich schlage Fusionen vor, feindliche Übernahmen, fröhliches Schlachten. Was, unmenschlich soll das sein? Verrückt geworden soll ich sein?

Nein. Ich bin einfach für klare Verhältnisse. Weil dann all die anderen Qualitätskräfte in Kunst und Kultur sich vielleicht wieder Gehör verschaffen können. Und weil wir Kulturschaffenden diejenigen, die unser Publikum für grenzdebil halten, beim heutigen Stand der Technik bald nicht mehr brauchen werden. Publikum wandert dorthin ab, wo es ernst genommen wird, das lehrt das Fernsehen, das massiv gegen das Internet verliert.

Gewiss, ab und zu eine kleine Dröhnung ist fein. Viele werden abhängig werden - das gehört dazu. Aber der Rest der Welt wird hungriger und hungriger - nach Qualität. Vielleicht sogar nach Schönheit. Nach Inhalten. Nach Relevanz.

Die Zeichen stehen nicht schlecht für eine Qualitätsoffensive. Wenn es gelingt, diese direkt auf die Straße zu tragen, nämlich zu den Kundinnen und Kunden - dann könnte man doch fast eine kleine Revolution ... ?

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