Brötchen backen

Ich hatte sie bereits hier vorgestellt: Die Studie "MehrWert" der Bücherfrauen hat einige erschreckende Verhältnissse in der Buchbranche zutage gefördert, die kritische Geister nicht überraschen, mich in ihrer Zuspitzung aber doch erschreckten. Gesine von Prittwitz von der Agentur Prittwitz und Partner hat jetzt eine kluge Antwort auf die Studie geschrieben. Sie beschäftigt sich mit den Gründen, warum Frauen in der Buchbranche nicht das Sagen haben.

Zufällig habe ich gestern Antworten in einem Interview gegeben, wo es ebenfalls um den sogenannten Gender Pay Gap ging. Damit bezeichnet man das Lohngefälle, das nicht durch Qualität oder Leistung zustande kommt, sondern nur dadurch, dass man das "falsche" Geschlecht hat - sprich weiblich ist. Über dreißig Jahre Emanzipationsbewegungen haben es im reichen und privilegierten Europa immer noch nicht geschafft, eine gleichwertige Bezahlung für Mann und Frau durchzusetzen (ich erinnere an die Spitze von 36% Unterschied in der MehrWert-Studie). Die Missstände sind so schlimm, dass sich langsam (nach 30 Jahren!) auch die Politik Gedanken macht. Aktionen zum Gender Pay Gap gibt es von der Europäischen Kommission aus und auch auf nationalem Niveau. Die Holländer haben dazu einen eindrücklichen Spot gedreht:



Leider hat Gesine von Prittwitz in ihrem Beitrag recht: Vor allem Frauen stellen viel zu oft ihr Licht unter den Scheffel und verhandeln nicht hart genug. Dazu kommt ein Phänomen, dass ich leider vor allem bei den Rollenverhältnissen in Deutschland bei vielen Kolleginnen in Kreativberufen beobachte: Sie fühlen sich durch Heirat "gut versorgt", betrachten ihren Beruf als "nettes Hobby" und lassen sich sogar vorsätzlich ausbeuten, des schönen Hobbys wegen. Die Hausfrau, die für 20 Cent pro Zeile ein wenig für die Lokalzeitung schreibt; die nicht berufstätige Mutter, die für zwei Cent pro Wort ein wenig "herumübersetzt"; die Hobbyschriftstellerin, die fürs Hardcover Tantiemen von 4% freudig nimmt, um nur ja veröffentlicht zu werden - sie alle vergessen, dass von diesen Berufen Profis und Freiberufler leben müssen - darunter ein sehr hoher Anteil an Frauen. Wer sich so unter Wert verkauft, dass er Dumpinglöhne und -honorare akzeptiert (das machen auch Männer, aber meist aus strategischen Gründen, um Konkurrenz auszuschalten), nimmt sich selbst den Wert und zerstört auf Umwegen den eigenen Markt.

Ich werde immer wieder von Kolleginnen gefragt, wie man denn auf diesem Wert, der sich in Wirtschaftlichkeit übersetzen muss, so eisern beharren könne, wenn die Arbeit doch so Spaß mache, doch so befriedigend sei - und der Gegenüber vielleicht tatsächlich nicht so viel zahlen könne. Darauf habe ich eine einfache Antwort. Das Beispiel vom Bäcker.

Mein Bäcker übt seinen Beruf mit Leib und Seele aus. Er steht gern im Morgengrauen auf und liebt das Brötchenbacken über alles. Trotzdem käme er nie auf die Idee, morgens ein Schild an seinem Laden anzubringen: "40% Rabatt auf alles, weil ich heute beim Backen einen riesigen Spaß hatte!"

Mein Bäcker hat ein Herz für Arme. Die bekommen das Brot vom Vortag zum Sonderpreis und ab und zu spendet er auch einmal eine Überproduktion an die Restaurants au Coeur - gegen Spendenquittung, versteht sich. Er hat mich aber noch nie gefragt, ob er mir das Baguette zum halben Preis anbieten solle, weil meine Geschäfte gerade auf halber Kraft laufen. Er nimmt auch von der Nachbarin im Pelzmantel nicht den doppelten Preis. Sein Baguette kostet immer das gleiche - und wer eins haben will, wird nicht handeln können. Wem sein nach alten Methoden gefertigtes Bio-Baguette zu teuer ist, der soll sich eben die Billigwatte aus dem Discounter besorgen. Mein Bäcker kennt seinen Wert. Und er macht seinen Umsatz mit Kunden, die seinen Wert zu schätzen wissen.

Übrigens ist mein (französischer) Bäcker gesetzlich verpflichtet, seine Ehefrau, die ihm im Laden hilft, zu bezahlen und zu versichern. Und wenn sie ihm zum Geburtstag einen neuen Teigrührer schenkt oder ihn das Familienauto nutzen lässt, so ist das kein privater Gefallen, sondern eine zu deklarierende Subvention. Hält mein Bäcker seinen Laden nur dadurch, dass er "gut verheiratet" ist, so heißt das schlicht, dass er ohne seine Teilhaberin nicht überlebensfähig wäre, also allein nicht wirtschaften kann. Und im Falle einer Scheidung sitzt er ganz dumm da!

Was, Brötchen könne man nicht mit Texten vergleichen? Ein Mohnkuchen habe nichts mit einer Lesung zu tun? Aber hoppla! Wie wäre es mit einem leicht veränderten Blick auf die eigene Arbeit?

Eine Übersetzung, ein Teil aus einem Buch oder ein Auftritt sind mindestens so reichhaltig, kunstvoll und aufwändig wie die morgendliche Auslage bei meinem Bäcker. Auch Textarbeiterinnen brauchen fürs Textbacken Maschinen, die sich amortisieren müssen. Das fängt beim Computer an und hört beim Bleistift auf. Wir müssen für unsere Bäckerei Miete, Strom, Wasser u.a. zahlen und deshalb erwirtschaften. Wer auftritt, kommt selten privat im Nachthemd, sondern muss schauen, wovon er die Bäckerkleidung kauft. Oft sitzen wir da und starren Löcher in die Luft, weil wir intensiv nachdenken. Warum soll das weniger Arbeit sein als das Ausstechen von Löchern in Hildabrötchen? Und was ist mit den Brötchen? Die Einfachstübersetzung ist ein Wasserweck. Für Belletristik brauchen wir Milch, Hefe und Mohn - das muss zusätzlich finanziert werden. Will der Kunde auf Bestellung das nach seinen Wünschen handgemachte Feinbackwerk, dann kann er das gern bekommen - aber ganz bestimmt nicht zum Preis eines Baguette. Unsere Arbeit muss sich nicht nur auszahlen, sie muss für Freiberufler alles zahlen: Leben, Steuern, Sozialabgaben und eines Tages auch die Rente.

Und was, wenn der Kunde angesichts unserer Tagessätze oder Stundenlöhne und Pauschalhonorare abwinkt? Was, wenn er sagt, die Frau X mit dem Discounter macht's viel billiger? Was, wenn er sagt, Kollege Y lese sogar umsonst?

Solchen Kunden komme ich ebenfalls mit dem Bäcker. Diejenigen, bei denen ich merke, dass sie den Wert meiner Arbeit gar nicht erst schätzen wollen, schicke ich sofort in den Discounter. Sollen sie doch Billigwatte kaufen und sehen, wie es schmeckt. Ich habe schon viele erlebt, die heulend drei Discounter nacheinander durchprobierten und nie mit der Arbeit zufrieden waren. Dann landeten sie in der überteuerten Agentur und zahlten letztlich ein Vielfaches des normalen Preises. Und ich habe schon einige Discounter mit Dumpingpreisen vor die Hunde gehen sehen: einmal billig, immer billig. Ganz abgesehen von der Maloche, die bei solchen Preisen wirklich keinen Spaß mehr machen kann.

Andere an Honoraren herumnörgelnde Kunden schicke ich zu meinem Bäcker. Ich biete ihnen an, sie sollten sich dort ein Pain Surpris nach eigenen Wünschen auf Bestellung backen lassen - damit es meiner Arbeit gleich kommt, vielleicht abwechselnd mit Lachs und geräucherter Forelle gefüllt. Ich würde dem Kunden nachher den gleichen Rabatt einräumen, den mein Bäcker auf diese Handarbeit gewährt. Mein Bäcker gewährt auf Handarbeit keinen Rabatt. So ein Pain Surpris ist bereits derart knapp kalkuliert, dass es sich rechnen muss. Etwas anderes wäre es, wenn der Kunde monatlich mehrere dieser Köstlichkeiten abnehmen würde, sozusagen zum Abonnementspreis.

Immer wieder schön ist auch die Methode, meine Kunden für mich zum Einkaufen zu schicken. Von so einem Honorarsatz muss nämlich meine Ernährung sichergestellt werden. Will jemand also partout nicht ordentlich bezahlen, rechne ich mein Honorar ganz einfach in Brötchen um. Gut, ich mache die Arbeit. Aber der Kunde liefert mir dafür soundsoviele Brötchen und Brot im Gegenwert.

Und da sind wir schnell bei der Tauschwirtschaft (die ich übrigens im echten Sinn auch mit manchen Leuten betreibe). Wenn jemand von mir eine Leistung völlig umsonst will, habe ich nur eine Antwort: In unserer Branche kann niemand so arm und nichtig sein, dass er wirklich absolut nichts zu geben hat. Es müssen ja nicht immer nur Brötchen sein - irgendwann habe ich die auch über. Was aber hätte der Kunde denn anderen Menschen zu bieten? Ist er wirklich schon so bankrott? Dann kann er auch keine Leistungen mehr einkaufen. Steht er nicht vor dem Konkurs, hat auch er etwas zu bieten. Vielleicht ist der Buchhändler, die eine Lesung will, ohne sie zu bezahlen, ja wirklich arm? Was aber ist mit den ganzen Büchern in seinem Laden? Gut, Bares muss nicht fließen - aber dann bestehe ich auf Büchern im Gegenwert. Von mir aus darf der Buchhändler auch bei mir die Fenster putzen oder die Hecke schneiden, wenn ihm das leichter fällt. Und Wunder oh Wunder, plötzlich ist dann doch Geld da oder der Kunde war ein fauler Kunde...

Ich hatte auch schon Kunden, die laut eigenen Angaben absolut nicht in der Lage waren, selbst das Normhonorar von Lesungen aufzubringen. Das ist schon wenig genug und wurde vom VS auch völlig verschlafen: Seit über zehn Jahren hat man diese Summe nicht mehr an Inflation und Jetztzeit angeglichen. Einem Kunden empfahl ich, sich Partner oder Geldgeber zu suchen, wenn ich schon aus dem Ausland anreise und einen ganzen Abend für ihn arbeite. Das hat reibungslos geklappt. Aus einer Lesung, die ursprünglich nicht bezahlt werden sollte, wurde ein größeres Event mit besserem Honorar - und alle Seiten profitierten davon. Es geht also, wenn man sich nicht plattdrücken lässt!

Dann war da ein Veranstalter, der sich sonst in Golfclubsphären herumtreibt und dessen Besucher durchweg begütert waren. Ja, das sind diejenigen, die an Freiberuflern am schlimmsten sparen. Für lachhafte 100 Euro ohne Spesen wollten sie, dass ich ins Ausland reise und auftrete. Und weil man mit Frauen so etwas ja machen zu können glaubt, drückten sie erst auf die Charity-Drüse, dann auf die "das wird Ihnen einen ungeheuren Spaß machen"-Drüse und schließlich auf die "wichtige Verbindungen"-Drüse. Gut dachte ich, ich mache mir den Spaß mit euch. Ich bot an, kostenlos aufzutreten. Unter einer Bedingung: einer garantierten Mindestabnahme von so vielen Büchern, dass durch die Tantiemen das Auftrittshonorar abgedeckt war - damit machte ich sogar noch Miese, weil weder Spesen noch zusätzlich gekaufte Bücher dabei waren und ich ein Jahr aufs Geld vom Verlag warten müsste.

Es war mir den Spaß wert, die sicher reichlich mit Gold behängte Dame am Telefon nach Luft schnappen zu hören. Wir kamen natürlich nicht zusammen und die bittere Armut einiger Golfclubmitglieder ist immer wieder für eine Anekdote gut. In solchen Momenten bin ich ganz Frau! Nämlich wie in dieser dämlichen Kosmetikwerbung aus Paris, wo sich die Schönheit mit irgendwelchen Cremchen verwöhnt und in die Kamera stöhnt: "Weil ich es mir wert bin." Ich bin mir selbst mehr wert als Cremchen und Shampoos. Ich bin mir gerechte Entlohnung wert. Aber die fällt nicht vom Himmel, die muss ich erkämpfen.

Hilfen im Nahkampf geben:

Die Bücherfrauen (Buchberufe)
Die Textinen des Texttreff (Texterinnenberufe)
Die Protextbewegung (Profitexter)

Aktiv etwas verändern lässt sich außerdem bei der Aktion Equal Pay Day, die gerade eine Online-Petition gestartet hat: "Mannsbilder - Weibsbilder? Neue Bilder!"

16 Kommentare:

  1. Bravo! Toller Bericht. Dann gibt es aber auch noch die Geschäftsmänner (sogenannte CEOs), die Leistungen und Waren in Auftrag geben, den genannten Preis akzeptieren, die Leistungen/Waren erhalten und trotzdem nicht bezahlen! Dem Geld rennt man dann monatelang hinterher und sieht - wahrscheinlich - keinen müden Cent.

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  2. Ja, leider. Inzwischen heißt selbstständig sein auch immer häufiger, einen guten Anwalt haben zu müssen. Dieses Problem trifft aber Männer genauso und große Agenturen ebenso wie kleine Ein-Mensch-Betriebe.

    Woher soll Integrität bei der Zahlungsmoral in einer "Geiz ist geil"-Gesellschaft auch kommen?

    Von Kollegen weiß ich, dass hier manchmal schwarze Listen helfen, die man untereinander austauscht. Manche faulen Kunden sprechen sich so schnell in einer übersichtlichen Branche herum, dass sie um ihren Ruf fürchten müssen. Rechnungen nicht zu bezahlen, kann sich also irgendwann bitter rächen.

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  3. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, von dem ich jede Zeile unterschreiben kann. Obwohl Mann, unterstütze ich jede Aktion gegen das "Gender Pay Gap", denn nur wenn alle unabhängig von ihrem Geschlecht das gleiche Honorar bekommen, besteht überhaupt die Chance, dass es auskömmlich ist.

    Dein Bäckerbeispiel ist großartig und wird in Zukunft zu meinem Standardrepertoire bei Kundengesprächen gehören ;-)

    Übrigens kann ich jedem nur raten, seinen Umgang mit den Billigheimern, die es in jeder Branche gibt, zu überdenken. Für mich persönlich habe ich zwei Strategien entwickelt.

    Für diejenigen Menschen, die sich tatsächlich keinen persönlichen Biografen leisten können, habe ich ein maßgeschneidertes Angebot im Internet, auf das ich mit gutem Gewissen verweisen kann. Es kommt nicht für jeden in Frage, hilft aber vielen, die bisher keine Chance hatten, ihre Lebensgeschichte zu dokumentieren.

    Allen anderen "Golfclubmitgliedern" stelle ich gerne eine Liste der billigsten Biografen zusammen. Sollen sie doch damit glücklich werden (klappt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht) und sollen sich die Discounter doch mit ihnen herumschlagen. Wenigstens der Ärger sei ihnen gegönnt.

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  4. Liebe Petra, du weißt ja, dass ich schon lange für anständig bezahlte Lesungen streite. Ich bin allerdings inzwischen bei: Okaayyy, ich MUSS ja nicht lesen angekommen, wenn mir wieder jemand mit Peanuts kommt. Da finde ich deine Brötchen-und-Bücher-Forderungen echt genial!
    Beinahe noch schlimmer als die Alles-umsonst-haben-Woller finde ich allerdings beinahe noch die Autoren, die am liebsten noch Geld mitbringen um irgendwo lesen zu "dürfen", weil sie den Wert ihrer eigenen Arbeit nicht erkannt haben und damit den Kollegen ans Bein pinkeln, die bezahlte Lesungen zum (Über-)Leben brauchen.

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  5. "Obwohl" Mann, Matthias? ;-)
    Ich denke, Männer dürfen durchaus feministische Gedanken haben und würden sich damit auch selbst nützen - indem nämlich auch sie leichteren Zugang z.B. zu Teilzeitjobs bekämen oder selbstverständlicher andere Rollenbilder leben könnten.

    Ich denke da z.B. an die völlig andere Einstellung zur Ehe, die wir hier in Frankreich haben, wo beide Partner absolut selbstverständlich arbeiten (dank einer durchorganisierten Kinderbetreuung ab anderthalb Jahren) und auch genau wissen, wie wichtig das in Zeiten ist, wo jeder Partner arbeitslos werden kann und bald die Hälfte aller Ehen geschieden wird (ohne dass nachher nur einer bluten muss). Die politische Infrastruktur dazu wurde in Frankreich über Jahrzehnte erstritten und nutzt auch den Männern, vor allem im Ernstfall.
    In diesem Sinne wünschte ich mir viel mehr renitente Männer!

    Meine Nächstenliebe reicht allerdings nicht so weit, dass ich auch noch Billigheimer empfehle. Das mit den Webdiensten ist jedoch klasse - ich werde solche Kunden künftig zur Übersetzungsmaschine von Google oder zu Hypertext-Generatoren schicken ;-)

    @alle
    Übrigens bin ich mir bewusst, dass vieles, was ich hier nenne, natürlich auch männliche Freiberufler trifft und kein selbstständig arbeitender Mensch vor Dumping gefeit ist. Die Studie "MehrWert" hat aber sehr eindeutig für die Buchbranche Missverhältnisse auf Seiten der Frauen ergeben - und das in einer Branche, die hauptsächlich Frauen beschäftigt.

    Ich freue mich natürlich über jeden Mann mit mangelndem Selbstbewusstsein oder zu viel Licht unterm Scheffel, wenn er sich durch meinen Beitrag zum Einfordern gerechterer Bezahlung aufhetzen ließe! Und der Kampf gegen den Gender Pay Gap sollte ein Kampf von Menschen sein, egal welchen Geschlechts.

    Gedanke zur Menschheit am Rande:
    Interessant, wie viel Protest (Twitter) kommt, wenn man in weiblicher Form schreibt: Ja, aber auch die Männer...!
    Wäre der gleiche Protest von Frauen gekommen, wenn ich hier von "dem" Selbstständigen oder "dem" Freiberufler geredet hätte?

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  6. Schön, dich hier zu lesen, Namensvetterin!
    Man lernt immer wieder dazu - dass Möchtegern-Autoren sich von DKZVs abzocken lassen, wusste ich. Aber dass Autoren auch noch fürs "Lesendürfen" bezahlen? Schon der Hammer.
    Mich tröstet in solchen Fällen nur, dass solche Veranstalter irgendwann auf den Möchtegerns sitzenbleiben und damit ein entsprechendes Image bekommen. Wer auf seinen Wert achtet, sollte auch schauen, in welchem Umfeld er auftritt...

    Also mal schauen, welcher Buchhändler uns demnächst die Fenster putzen wird ;-)

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  7. Am unlustigsten finde ich immer die Aussage von Bekannten oder Bekannten von Bekannten: Ich bezahl dich (auch) dafür.
    In der Übersetzung bedeutet das nichts anderes als: Ich sage dir, wie viel mir deine Arbeit Wert ist.

    Bitte?

    Ich könnte einen halben Roman über solche Kunden schreiben, die gibt es überall und garantiert nicht nur bei den Freiberuflern.

    Das hat nicht immer etwas mit Geiz-ist-geil-Mentalität zu tun, oft wissen diese Leute gar nicht, welche Arbeitsschritte für bestimmte Aufträge notwendig sind.

    Ich glaube im Reader's Digest habe ich mal gelesen, dass ein Kunde sich über die Rechnung des Heizungsmonteurs aufgeregt hat. Was? Sie haben doch nur an einer Schraube gedreht. Die Antwort des Monteurs: Ja. Aber zu wissen an welcher Schraube ich drehen muss, hat mich 15 Jahre gekostet :-)

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  8. Gerade gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Dame, die in einem Nachbarschaftshaus eine Lesung abgehalten hat.
    Sie: Die Lesung war ein Traum. 39 Leute! Da musst du auch mal hin!
    Es gab sogar Kaffee!
    Ich: Wer war denn der Veranstalter und was haben sie gezahlt?
    Sie: Gezahlt? Wofür?
    Ich: Für deine Lesung.
    Sie: (entrüstet) Ich nehm doch kein Geld für eine Lesung!
    Ich: Warum nicht?
    Sie: Ich bin doch froh, wenn ich lesen darf. Außerdem habe ich ja Kaffee bekommen. Kuchen gabs auch.
    Ich: Du liest für eine Tasse Kaffee?
    Sie: Es gab vorher Kaffee und Kuchen, der kostete nur 50 Cent. Haben die alles selbstgemacht und gespendet.
    Ich: Ach so, war das eine Benefiz-Veranstaltung?
    Sie: Nein, nein, das war ein Literaturnachmittag. Und stell dir vor, sie haben MICH eingeladen (stolz)
    Ich: Und da hast du kein Honorar verlangt?
    Sie: Ich hab noch nie Honorar verlangt. Ich bin doch so froh, wenn ich lesen darf.

    .... ja, hatten wir schon, ich weiß...

    Sie: (Nachsatz) Wenn das Geld kosten würde, dann käme ja auch keiner.

    Tja.
    Ich fürchte, Petra Bauer hat recht. Es gibt viele, die sogar noch dafür bezahlen würden, wenn sie nur irgendwo lesen dürfen. Vermutlich die geichen, die auch dafür zahlen, dass sie gedruckt werden.

    Liebe Grüße
    Jutta

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  9. @Madam
    Genau deshalb ist Aufklärung nötig, Aufklärung manchmal bis zum Erbrechen ;-) So ist ja auch die Protextbewegung entstanden. Der Heizungsmonteur lässt nämlich nicht mit sich handeln!

    Die Kunden, die ich im Auge hatte, wissen aber sehr wohl, was Arbeit wert ist und was dahintersteckt. Man kann das schön bei den anonymen Honorarumfragen von verdi für Zeitungen sehen: Das Dummerle wird mit 20 Cent abgespeist, der Kollege bekommt 1,50 E - bei ein und derselben Zeitung für ein und diesselbe Arbeit. Desgleichen bei Buchverlagen mit Autoren und Übersetzern. Auch deshalb greifen erstere immer häufiger zum Agenten.

    Hier hilft Transparenz - viele Berufsverbände geben wenigstens Empfehlungen für Unter- und Obergrenzen von Honoraren.

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  10. @Jutta

    Klingt wie Tupperparty ;-) Tja, wo fängt der private Gefallen an und wo hört er auf...

    Eben gab's eine passende, interessante Twitterei in Sachen Tauschhandel, der für mich in Frankreich - und auf dem Land sowieso - völlig selbstverständlich ist (allerdings nicht mit jedem!). Anders könnten viele das Leben gar nicht bezahlen. Da bastelt man jemandem eine kleine Website und der sägt einem dafür im Wald die Bäume für die Winterheizung klein, oder es wird selbstgeräucherter Schinken gegen Schwarzgebrannten getauscht, damit beide Schnaps zum Schinken trinken können...

    Das Konzept stößt offensichtlich nicht überall auf Begeisterung, obwohl auch hinter dem Tauschhandel eine Währung steht, eine Art virtuelles Geld.

    Ich tausche z.B. Vorlektorat mit befreundeten Kollegen - könnten wir nie bezahlen. Natürlich gibt's im Verlag ein Lektorat, aber Bücher wie das Rosenbuch brauchen vorher einen Fachmann für die Inhalte. Testleser bezahlen wir ja auch nicht: Tauschhandel.

    Es ließe sich also durchaus diskutieren, ob im engeren, befreundeten Kreis oder unter guten Kollegen immer Geld fließen muss. Ich könnte mir einen Hauslesungs-Tauschring vorstellen, wo jeder etwas für jeden tut, privat. Aber dann müsste man sich den Gegenwert überlegen und käme sicher auf die Idee, die 39 Gäste Eintritt bezahlen zu lassen!

    Bleibt bei mir die Frage: Ab wann MUSS man Geld für etwas nehmen, wo kann man sich anders einigen? Die Messlatten sind da offensichtlich sehr unterschiedlich?

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  11. Nur weiter so! Ich lese fleißig mit, damit ich von euch lerne!
    Einem Testleser darf ich ruhig ein Exemplar meines Romans schenken. Dafür hat er gelesen und auch konstruktiv kritisiert. Das ist auch eine Art Tauschhandel.
    Aber umsonst lesen, das käme mir nie in den Sinn. (Allein schon die Reisekosten, die anfallen, evtl. Hotelzimmer, Spesen etc. Hallo? Geht's noch?) Im Bekanntenkreis lesen, könnte ich mir allerdings gut vorstellen - aus Übungszwecken. Allerdings stelle ich es mir sehr schwierig vor zu verhandeln. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es also Standardhonorare, die stark verbesserungswürdig sind. Die höher zu handeln ist bestimmt eine Gradwanderung - wer möchte schon gerne als geldgeil und schwierig gelten. In diese Schublade wird man doch sofort versengt, wenn man mit dem Honorar nicht zufrieden ist, oder?

    Liebe Grüße
    Nikola

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  12. Nein Nikola,
    man wird nicht versengt, wenn man sich des Wertes seiner Arbeit realistisch (also auch nicht völlig überschätzend) bewusst ist und diplomatisch verhandelt - man ist ja gerade in der Buchbranche kein Gegner, sondern Partner.

    Was als Bezahlung üblich ist, erfahre ich entweder von Berufsverbänden (Grafiker, Lektoren, Übersetzer etc.) oder ich muss bei Kollegen / im Internet recherchieren. Es spricht sich durchaus herum, welcher Verlag sehr schlecht zahlt und welcher gerechte Verträge anbietet. Autoren haben den Vorteil, sich dafür Agenten suchen zu können. Bei Lesungen gibt es das vom VS empfohlene Minimum von 250 E plus Spesen, eine Summe, die je nach Eventcharakter, Bekanntheitsgrad und Veranstalter nach oben *sehr* offen ist.

    Die Angst, als geldgeil oder schwierig zu gelten, habe ich von einem Mann noch nie gehört - vielleicht kenne ich die falschen. Schwierig wären wir, wenn wir im Arbeitsprozess ständig herumzickten, nicht im Team arbeiten könnten oder unprofessionell wären. Aber ganz bestimmt nicht, wenn wir einen Vertrag nicht sofort unterschreiben!

    Das Problem sind gar nicht mal die empfohlenen Honorarspannen, die natürlich immer verbesserungswürdig sind. Sagen wir mal so: Wenn 8-12 Eier plus Feiertagszuschläge empfohlen sind, stimmt mit mir und / oder meiner Arbeit etwas nicht, wenn ich sonntags für vier Eier schufte oder mir einreden lasse, als Anfängerin wäre ich nur sechs Eier wert.

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  13. Mal ganz am Rande gefragt: Was ist so schlimm dran, geldgeil zu sein?

    Geld zu verdienen ist ja erst mal nichts Unanständiges, solange man keine Bank ausraubt oder sich bestechen lässt.

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  14. Daran ist natürlich nichts Schlimmes, nur wird man als Frau ja grundsätzlich zur Bescheidenheit erzogen. Es ist gar nicht so einfach, sich aus diesem Bild zu lösen. Nicht umsonst werden so viele Ehrenämter von Frauen ausgeführt.
    Das heißt keinesfalls, dass ich das gut finde!
    Über Geld spricht man nicht, hieß es früher.
    Aber über Geld muss man sprechen!

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  15. "Sei wie das Veilchem im Moose
    bescheiden, sittsam und rein..."
    Und auf der gegenüber liegenden Seite ein weißes Herz mit Wischstrahlenkranz, vorzugsweise in rot?

    So in der Art? Hat man Ihnen sowas auch ins "Posi"-Album geschrieben? Und wir waren so blöde und haben es geglaubt..

    :-(

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  16. In mein Poesiealbum hatte eine Freundin geschrieben:
    Zum Licht empor mit klarem Blick!
    Ein Vorwärts stets, nie ein Zurück!
    Ein frohes Hoffen, kühnes Streben
    und sich'res Handeln auch daneben.
    Dann hat das Dasein Zweck und Ziel.
    Wer Großes will, erreicht auch viel. (Goethe)

    Ich hatte im Blog mal ein Buch über Bewusstseinsforschung empfohlen, in dem eindrücklich dargelegt wurde, dass der Mensch nicht nur lebenslänglich lernfähig bleibt, sondern sich selbst in hohem Alter noch radikal ändern kann, wenn er nur will. Sogar als Frau ;-)

    Dass man über Geld nicht redet, sehe ich allerdings nicht als weibliches, sondern als nationales Problem. In den USA z.B. ist es absolut normal, offen über Gehälter zu sprechen und auch stolz über Leistung.
    Außerdem mauern bei uns einige Branchen mehr als andere. Je geheimer Honorare sind, desto leichter kann man sie schließlich drücken, ist doch ganz praktisch!

    @Nikola
    Wird man aus Bescheidenheit ehrenamtlich tätig?
    Ich werde in der Frauenwoche ein paar Frauen mit Mumm vorstellen, die sich ehrenamtlich und sehr politisch in unserer Branche engagieren!

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