Koinzi Synchronizi

Eben hatte ich den sprichwörtlichen Knoten im Sprachzentrum, als ich überlegte, wie man das nennt, wenn scheinbar zusammenhanglos gleichzeitig Dinge passieren, aus denen der Schamane eine mythische Verbindung zieht und damit schamanisiert. Oder intellektuell gesprochen: Was geht im Hirn eines Schriftstellers ab, wenn er aus unzusammenhängendem Alltagssalat Inspirationen kocht (und natürlich alles auf die schicke Muse schiebt)? Wikipedia bot dazu Folgendes an:
Koinzidenz
Mit Koinzidenz (con, lat. = mit; incidere, lat. = einfallen) ist meist ein zeitliches, manchmal ein räumliches Zusammentreffen von Ereignissen gemeint. Darüber hinaus kann auch die Einnahme gleicher Raum- und Zeitstellen gemeint sein.
Von einer Koinzidenz zweier oder mehrerer Ereignisse auf einen kausalen (ursächlichen) Zusammenhang zu schließen, stellt logisch betrachtet einen Fehlschluss dar.
Synchronizität
Als Synchronizität (von griechisch synchron, gleichzeitig) bezeichnete der Psychologe Carl Gustav Jung relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft, jedoch durch konkreten Informationsbezug als miteinander verbunden, aufeinander bezogen erkennbar seien.
Was nun ist mir zugestoßen?
Wir erinnern uns an die gestrige Katastrophe. Beklagte ich mich nicht noch, dass ich endlich die Rechte meiner Romane wiederhaben will?
Nun denn - die Rechterückgabe für den Lavendelblues lag heute im Briefkasten!
Kleines Schmankerl nebenbei: Während Lübbe dazu immer den üblichen knappen Formbrief verschickte, vermerkt Bastei jetzt ausdrücklich, dass man damit weder die Rechte am Lektorat noch an anderen verlagsseitigen Leistungen (Satz, Grafik, Layout u.ä.) erhalte. Das ist eigentlich selbstverständlich. Der ausdrückliche Hinweis lässt mich vermuten, dass Verlage nun ganz fest damit rechnen, dass Autoren die Wiederauflage ihrer Bücher selbst übernehmen und sich das sogar lohnen könnte.

Beide Romane wird es also 2011 in zweiter Auflage geben - und ich freue mich ganz besonders diebisch darauf, diese Romane endlich mit neuem Cover / neuen Klappentexten von ihrem völlig deplatzierten Chick-Lit-Image zu befreien. Mögen sie von der Schublade à la Barbie endlich ins Weinregal finden ... (was bin ich nur so zynisch heute???)

Außerdem bekam ich heute eine Mail. Aus Afrika. Ich gestehe verschämt, dass ich bei Wikipedia nachschauen musste, wo genau Malawi liegt. Daher kam nämlich eine Anfrage nach meinem Uralt-Buch "Schwarze Madonnen", weil ein gewisser Online-Buchhändler nicht nach Afrika liefert. Das macht mir solche Freude, dass ich mir natürlich etwas einfallen lasse.

Keine Bücher mehr da und doch über so viele Kilometer hinweg gefragt ... Das erinnerte mich an alte Zeiten, als die "Schwarzen Madonnen" noch zu haben waren (ebenfalls durch einem Verlagsverkauf untergegangen). Ich habe es selten sonst erlebt, wie ein Buch von mir weltweit gefragt und bekannt wurde. Das war insofern schon verblüffend, als der Verlag die Schublade "neue Hexen" geöffnet hatte ("Sie werden sehen, damit brummt das Buch! Das ist absoluter Trend!") Die Frauen aus der Schublade nahmen mir meine kritische Sichtweise übel - gekauft wurde es von ganz anderen.

Ich bekam Anfragen aus den Niederlanden, aus Spanien, aus den USA oder Australien. Und ich lernte weltweit unwahrscheinlich interessante Spezialisten kennen. Doktorantinnen, Professoren, Archäologen, Äbtissinnen. Das lag auch daran, dass ich den aktuellen Teil des Buchs durch eine englischsprachige interaktive Website recherchiert hatte. Noch überraschender war jedoch ein Fax, das mich damals aus den USA erreichte, mit der Kopie eines sehr edel aussehenden Briefes. Es handelte sich um die persönliche Empfehlung der Leitung der Archive des Vatikans, die einer Forscherin mein Buch als Standardwerk empfahl.

Etwa um die gleiche Zeit kam die Anfrage der BBC, denen ich gemeinsam mit einer amerikanischen und einer englischen Spezialistin ein Interview gab und für die ich das Beiheft für eine DVD schrieb. Beinahe hätte ich sogar einen Artikel für eine theologische Fachenzyklopädie verfassen können, was nur an meinen Abschlüssen scheiterte - ich war eine Laiin. Und dann verschwand das Buch, kurz bevor die Auflage verkauft war, denn der neue Verlagseigner stellte die Reihen des Vorgängers ein. Damals gab es noch keine Möglichkeiten wie heute, ein Buch selbst neu aufzulegen - weder technisch noch bezahlbar. Das ist heute anders.

Ausgerechnet jetzt, wo mich das Verschwinden meines Rosenbuchs so entsetzt, will jemand in Afrika unbedingt mein schon lange verschwundenes Buch von 1999 lesen.

Ich pfeife auf Koinzi-Synchronizi-Dingens-Definitionen. Mein Schwein pfeift nämlich, pardon, meine Muse singt: ein Lied von Zeiten, die sich gerade massiv ändern. In denen Autoren vielleicht die besseren Verbindungen zu ihren wirklich interessierten LeserInnen aufbauen können. Klein, aber fein und ohne falsche Schubladen. Vor allem aber mit unbegrenzt haltbaren Büchern.

Ein kleiner Ausschnitt aus "Schwarze Madonnen" von Petra van Cronenburg. Etwaige Parallelen zur Buchbranche sind nur Koinzi-Synchronizi-Dingens.

Die Madonnenmajestät, die heute in der Kapelle des Schlosses von Chazeuil (Departement Allier) steht, sollte einst einer moderneren Ausführung weichen, von der sich der Priester mehr Pilgerinnen und Pilger erhoffte. Doch in einer dunklen Nacht habe die schöne Königin die Mode-Madonna auf die Erde geworfen und den Thron wieder selbst eingenommen. Der Mesner habe daraufhin seltsam reagiert: Die neuangefertigte Maria wieder an ihren Platz stellend, wollte er die alte Ausgabe in einen Schrank einschließen. Doch zuvor soll er die Schwarze Madonna tatsächlich ausgepeitscht haben, um ihr Respekt aufzunötigen!
   [...] 
Denn wie eine majestätische Göttin verläßt Notre Dame de la Ronde die Kirche, in der sie mißhandelt wurde. Sie zeigt sich in einer Ulme einem Hirten, der sie auf ihren angestammten Platz in der Kirche von Agongesi mitnehmen will, aber dadurch verschwindet die Madonna wie durch Zauber. Epidemien und Katastrophen suchen den Ort heim, der seine göttliche Königin nicht zu würdigen wußte, bis eines Tages Notre-Dame sich wieder einem Hirten in einem Weißdornstrauch zeigt, dem heiligen Busch keltischer Göttinnen. Dieser weiß offensichtlich besser um die alten Traditionen und Bedürfnisse der Madonnen, denn er erkennt, daß der Weißdornbusch auf einem Hügel wächst, dem "Hügel der Runde". Notre Dame de la Ronde bezieht bald die von ihr angeordnete Kapelle am Weißdornbusch. Noch bis zur Zeit der französischen Revolution sollen bei der fortan eingesetzten Bußprozession Priester und Mesner von ihrer Gemeinde zur Strafe gegeißelt worden sein.

6 Kommentare:

  1. Liebe Frau Cronenburg,
    was Bastei sich da ausbedungen hat, ist ein Vorgriff auf das von den Verlagen angestrebte Leistungsschutzrecht.
    Sicher Layout etc. tangieren auch andere Rechte und stehen von daher unter Vorbehalt. Das Lektorat ist aber bislang noch rechtsfrei. Allerdings ist es manchmal ein Segen, wenn man das vorangegangene Lektorat wieder tilgen kann.
    Mein Wahlspruch lautet in der letzten Zeit: "Verlagsfrei weil freigeistig." In diesem Sinne herzliche Grüße
    Matthias Mala

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  2. Sehr schön, diese Wendung, Petra, ich lese es mit Vergnügen wie die Passage aus den "Schwarzen Madonnen"

    Herzlichst
    Christa

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  3. @Christa: Ein einziger Leser macht noch keine Wendung, aber ein wenig Licht - genauso wie dein Vergnügen! :-)

    @Matthias Mala
    Ah, der Kollege im Leiden! Sie haben das Hin- und Her um Fusion-Verkauf damals ja auch miterlebt, wenn ich mich nicht irre...

    Ich muss mich derzeit sehr knebeln, wenn es um solche Bestrebungen geht, ich habe nämlich nur noch beißenden Spott übrig (was macht eigentlich der VS bzgl. Leistungsschutzrechtsbestrebungen für die Autoren?).

    Eines Tages unterhält die Duden-Redaktion eine Rechteeinzugsstelle für vergessene Kommata und Autoren gehen gegen ihre Lektoren vor Gericht:

    Lektorin: "Diese Sexstelle gehört mir! Ich hab der Autorin gesagt, wir kaufen das MS nur, wenn spätestens auf S. 80 Sex vorkommt."
    Autorin: "Das ist eindeutig mein Sex. Der Höhepunkt steht nämlich erst auf S. 88, ist also ein eigenständiges schöpferisches Werk. Ich schwöre, meine Lektorin war nicht im Bett der Protagonisten dabei! Sie wollte, dass man Bein sieht. Sehen Sie irgendwo in dieser Szene Bein?"

    Herzlichst,
    Petra

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  4. @Matthias Mala
    Ich habe gerade auf Ihrer Website gesehen, wie produktiv Sie sind und auf wie vielen Gebieten. Hut ab!

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  5. Grüß Gott Frau Cronenburg,
    die Übernahme des Verlages erlebte ich nur noch am Rande. Ich hatte mich schon vorher verabschiedet, da die Konditionen auf ein diskriminierendes Niveau sanken. Außerdem orientierte sich die Programmpolitik am Ende sehr am imaginierten Mainstream.
    Was VS und dju zum Leistungsschutzrecht meinen? Nun in erster Linie fordern sie einen gerechten Ausgleich an den Einnahmen, die man bei den Aggregatoren abschöpfen möchte. Das heißt man geht davon aus, dass dieses Recht installiert werden wird. Ins Detail wird man wohl erst gehen wollen, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt.
    Danke für die Blumen; ich dagegen bewundere Ihre Schreibwut im Netz. Wie sieht der Hut aus, unter den Sie das alles bringen.
    Servus Matthias Mala

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  6. Lieber Herr Mala,
    das mit dem Leistungsschutzrecht ist schon hart - nachverhandeln und hoffen, wenn es eh zu spät ist...

    Meine Schreibwut hat indirekt damit zu tun: Früher habe ich solche Texte als Journalistin mehrfach verwerten und davon leben können. Heute würde ich von den Verlagen mit lächerlichsten Zeilenhonoraren abgespeist und müsste Buy-out-Verträge unterschreiben, damit die Zeitung mehrfach mit mir verdient. Also verschenke ich die Texte lieber gleich.

    Ich schreibe nicht mehr als früher, nur schlechter bezahlt. ;-)
    Herzliche Grüße,
    Petra vC

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