Im Fressmuseum
Schon schauderhaft, welche Nachrichten derzeit aus dem Ausland zu uns nach Frankreich dringen. Jetzt soll plötzlich die englische Küche einen Quantensprung in Sachen Qualität vollführt haben. Die Engländer kochen ab sofort nicht mehr mit deutschen Eiern. Und rechts vom Rhein, also wenn Norden oben ist, rechts vom Rhein ist das topic trending dingens "Dioxin". Keiner, der nicht davon redet; keiner, der nicht davon nascht. Selbst in der FAZ ist es halbamtlich: Sarrazin hat vollkommen recht. Deutschland schafft sich ab. Und das könnte noch schneller gehen als mit seiner zweifelhaften Methode: Ein Löffelchen für die Mami, ein Löffelchen für den guten Onkel Sarrazin ... eieiei wie das Kleine sich totlacht!
Man stelle sich vor, die UNESCO würde morgen beschließen, solche Esskultur unter Schutz zu stellen. Womöglich könnten dann die letzten Überlebenden in ein paar Jahrzehnten kleine Modelle von Billigdiscountern im Museum bestaunen. Schulklassen würden sich Videos von echten Hühnerfabriken anschauen und die Panik vor den Tierchen bekommen, weil Eier längst durch Kunstbrühe ersetzt wären. Und all die prachtvollen Lebensmittel in den Vitrinen! Convenience mit ellenlangem Kleingedruckten, das sich schlimmer liest als der Beipackzettel des Medikaments für den Krebs danach. Irre billiges, rinderwahnsinnig billiges Fleisch in Gammelwürze. Was hatten die Menschen damals Geschmacksknospen auf der Zunge! Es soll zu jener Zeit kleine eingeborene Kinder gegeben haben, die der altmodischen frischen Erdbeere die aromatisierten Sägespäne im Joghurt vorzogen. Aber das war alles damals, als es Deutschland noch gab. Es hat sich dann ja abgeschafft, pardon, totgefressen.
Uns auf der anderen Seite des Rheins kann das alles nicht passieren. Wir sind nämlich längst im Museum gelandet. So ähnlich wie aussterbende Tierarten und kriegsversehrte Altbauten hat die UNESCO tatsächlich das "gastronomische Mahl" Frankreichs unter Schutz gestellt. Fortan ist es "unantastbares kulturelles Erbe der Menschheit". In der UNESCO-Erklärung kommen Convenience und Billigmarken nicht vor. Da ist von absolut musealen Werten die Rede: Beisammensein, Qualität der Nahrung und der Getränke, Genussfreude. Ja sogar von so seltsamen Dingen wie "Ausgewogenheit zwischen Mensch und Nahrung(sproduktion)". Es wurde höchste Zeit, dass dieses kulturelle, soziale und genussreiche Ereignis des gemeinsamen Schmausens im Land der Mikrowelle und des Fabrik-Baguette unter eine Art Naturschutz gestellt wurde. Schon jetzt pilgern Schulklassen zum Schmeckunterricht in Umerziehungslager. Gastronomen trainieren sie dort von den Sägespänen auf echte Erdbeeren. Problem: Die echte Erdbeere schmeckt auch nicht mehr wie echte Erdbeeren früher einmal schmeckten. Die muss nämlich konsumfest und billigst sein. Mama und Papa schäumen sie deshalb manchmal mit Flüssigstickstoff auf.
Die UNESCO hat gut reden. Jetzt stehen wir mit diesem Ruf in der Küche, alle Zutaten von lokalen Qualitätslieferanten zu beziehen, auf Frische und Unverfälschtheit zu achten und nach Jahreszeiten zu kochen. Wir sollen alter Traditionen kundig sein und der Jugend am Herd zeigen, was Großmuttern noch wusste und wir schon längst vergessen haben. Schlimmer noch: Wir decken den Tisch schön, genießen mit allen Sinnen und schlingen nicht alles einfach herunter, nur um satt zu sein. Oder möglichst billig satt zu sein, wie rechts vom Rhein. Wohin wir längst zum Einkaufen fahren, weil wir unsere Nahrungsmittel kaum noch bezahlen können. Als Bonbon fürs Genussleiden gönnt uns die Erklärung jedoch immerhin eine ganze Palette leckerer Alkohole.
Alles was Spaß macht und lecker ist, wird ja rechts vom Rhein miesgemacht oder verboten, hört man. Als ob es noch einen Unterschied macht, wenn man nach dem Frühstücksei Ommas Selbstgebrannten aus garantiert biologischen, selbstgepflückten und handverarbeiteten Mirabellen kippt. Und warum sollen sich Menschen mit Halbfettkäse oder fettfreier Brotschmiere oder Fettvermeidung überhaupt kasteien? Ist das wegen dem Dingens, dem Di...? Absaugen. Kann man später alles wieder aus Schenkeln und Bauch absaugen, raffinieren und wiederverwenden. Der vollkommene ökologische Kreislauf. Mamas Bauch in Papas Ei. Da weiß man, was man hat. Du bist, was du isst.
Also wir, wir links vom Rhein, wenn Norden oben ist, wir geben uns nochmal tüchtig die Kante, bevor alles zu spät ist! Eben noch haben wir die nachfeiertägliche "Leberkrise" überlebt, da macht ärztlicher Rat für den Winter die Runde. Ein Bestseller-Doktor rät mit dem Segen von Le Monde, sich jetzt krank zu melden und die Champagnerkur zu machen. Die soll vor allem gegen Grippe helfen, Menschengrippe, Schweinegrippe, Hühnergrippe... Und gegen kränkelnde Krankenkassen auch.
Kann ich nur empfehlen. Champagner ist absolut fett- und cholesterinfrei und wird ohne Massentierhaltung und Tiertransporte aus lokalen pflanzlichen Produkten hergestellt. Gut, seit man das Edelgesöff auch beim Billigdiscounter und in Japan und China und den USA kaufen kann, weiß man nicht mehr so genau, woher die Champagne all den Saft hernimmt. Aber immerhin, wir links vom Rhein sind jetzt wenigstens eine der lustigsten und geschütztesten der aussterbenden Arten.
Die Autorin wird 2011 wieder einen trunkenen "Zander im Riesling" in rechtsrheinische Bücherregale schicken. Zur dritten Auflage wird sich allerdings der Titel globalisiert haben: Zander kommt nicht mehr aus dem Elsass, sondern aus estnischen Zuchtanlagen.
Man stelle sich vor, die UNESCO würde morgen beschließen, solche Esskultur unter Schutz zu stellen. Womöglich könnten dann die letzten Überlebenden in ein paar Jahrzehnten kleine Modelle von Billigdiscountern im Museum bestaunen. Schulklassen würden sich Videos von echten Hühnerfabriken anschauen und die Panik vor den Tierchen bekommen, weil Eier längst durch Kunstbrühe ersetzt wären. Und all die prachtvollen Lebensmittel in den Vitrinen! Convenience mit ellenlangem Kleingedruckten, das sich schlimmer liest als der Beipackzettel des Medikaments für den Krebs danach. Irre billiges, rinderwahnsinnig billiges Fleisch in Gammelwürze. Was hatten die Menschen damals Geschmacksknospen auf der Zunge! Es soll zu jener Zeit kleine eingeborene Kinder gegeben haben, die der altmodischen frischen Erdbeere die aromatisierten Sägespäne im Joghurt vorzogen. Aber das war alles damals, als es Deutschland noch gab. Es hat sich dann ja abgeschafft, pardon, totgefressen.
Uns auf der anderen Seite des Rheins kann das alles nicht passieren. Wir sind nämlich längst im Museum gelandet. So ähnlich wie aussterbende Tierarten und kriegsversehrte Altbauten hat die UNESCO tatsächlich das "gastronomische Mahl" Frankreichs unter Schutz gestellt. Fortan ist es "unantastbares kulturelles Erbe der Menschheit". In der UNESCO-Erklärung kommen Convenience und Billigmarken nicht vor. Da ist von absolut musealen Werten die Rede: Beisammensein, Qualität der Nahrung und der Getränke, Genussfreude. Ja sogar von so seltsamen Dingen wie "Ausgewogenheit zwischen Mensch und Nahrung(sproduktion)". Es wurde höchste Zeit, dass dieses kulturelle, soziale und genussreiche Ereignis des gemeinsamen Schmausens im Land der Mikrowelle und des Fabrik-Baguette unter eine Art Naturschutz gestellt wurde. Schon jetzt pilgern Schulklassen zum Schmeckunterricht in Umerziehungslager. Gastronomen trainieren sie dort von den Sägespänen auf echte Erdbeeren. Problem: Die echte Erdbeere schmeckt auch nicht mehr wie echte Erdbeeren früher einmal schmeckten. Die muss nämlich konsumfest und billigst sein. Mama und Papa schäumen sie deshalb manchmal mit Flüssigstickstoff auf.
Die UNESCO hat gut reden. Jetzt stehen wir mit diesem Ruf in der Küche, alle Zutaten von lokalen Qualitätslieferanten zu beziehen, auf Frische und Unverfälschtheit zu achten und nach Jahreszeiten zu kochen. Wir sollen alter Traditionen kundig sein und der Jugend am Herd zeigen, was Großmuttern noch wusste und wir schon längst vergessen haben. Schlimmer noch: Wir decken den Tisch schön, genießen mit allen Sinnen und schlingen nicht alles einfach herunter, nur um satt zu sein. Oder möglichst billig satt zu sein, wie rechts vom Rhein. Wohin wir längst zum Einkaufen fahren, weil wir unsere Nahrungsmittel kaum noch bezahlen können. Als Bonbon fürs Genussleiden gönnt uns die Erklärung jedoch immerhin eine ganze Palette leckerer Alkohole.
Alles was Spaß macht und lecker ist, wird ja rechts vom Rhein miesgemacht oder verboten, hört man. Als ob es noch einen Unterschied macht, wenn man nach dem Frühstücksei Ommas Selbstgebrannten aus garantiert biologischen, selbstgepflückten und handverarbeiteten Mirabellen kippt. Und warum sollen sich Menschen mit Halbfettkäse oder fettfreier Brotschmiere oder Fettvermeidung überhaupt kasteien? Ist das wegen dem Dingens, dem Di...? Absaugen. Kann man später alles wieder aus Schenkeln und Bauch absaugen, raffinieren und wiederverwenden. Der vollkommene ökologische Kreislauf. Mamas Bauch in Papas Ei. Da weiß man, was man hat. Du bist, was du isst.
Also wir, wir links vom Rhein, wenn Norden oben ist, wir geben uns nochmal tüchtig die Kante, bevor alles zu spät ist! Eben noch haben wir die nachfeiertägliche "Leberkrise" überlebt, da macht ärztlicher Rat für den Winter die Runde. Ein Bestseller-Doktor rät mit dem Segen von Le Monde, sich jetzt krank zu melden und die Champagnerkur zu machen. Die soll vor allem gegen Grippe helfen, Menschengrippe, Schweinegrippe, Hühnergrippe... Und gegen kränkelnde Krankenkassen auch.
Kann ich nur empfehlen. Champagner ist absolut fett- und cholesterinfrei und wird ohne Massentierhaltung und Tiertransporte aus lokalen pflanzlichen Produkten hergestellt. Gut, seit man das Edelgesöff auch beim Billigdiscounter und in Japan und China und den USA kaufen kann, weiß man nicht mehr so genau, woher die Champagne all den Saft hernimmt. Aber immerhin, wir links vom Rhein sind jetzt wenigstens eine der lustigsten und geschütztesten der aussterbenden Arten.
Die Autorin wird 2011 wieder einen trunkenen "Zander im Riesling" in rechtsrheinische Bücherregale schicken. Zur dritten Auflage wird sich allerdings der Titel globalisiert haben: Zander kommt nicht mehr aus dem Elsass, sondern aus estnischen Zuchtanlagen.
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