Alltagswahnsinn, weiblich
Wie lebt eigentlich eine Autorin mit drei Berufen (waren's nur drei?) während so einer Frauenwoche? Die Antwort ist einfach: gar nicht. Diese Woche habe ich neben der Arbeit (zu der ich gerade das Blog zähle) für genau drei Dinge Zeit: Essen, Schlafen, Hundelauf. Daneben brüllt alles gleichzeitig nach mir. Beiträge wollen vorbereitet und bei Twitter nachbereitet werden, vor dem Abklicken zig mal redigiert werden, während die Mailbox explodiert. Auch Leute, die sonst nie anrufen, werden auf einmal redselig.
Mein Mailprogramm arbeitet längst mit Farben, grellgelb kommt der Alarm aus dem Übersetzungslektorat, in dem just in dieser Woche die letzten Fragen zu klären sind. Zwei Tage lang laufe ich mit dem Text eines französischen Gedichts von Apollinaire in der Tasche herum. Ich bin keine Lyrikübersetzerin, ich will eigentlich keine werden, aber dieses im Prosabuch zitierte Gedicht wurde noch nie ins Deutsche übersetzt. Ich bin die erste und ich muss es tun. Lautmalerei, Rhythmen, Gefühl für Zweideutigkeiten. "Les obus miaulaient..." Ich stapfe damit in Gummistiefeln durch überflutete Wiesen, frisch aufgebrachter Kuhmist fließt mir um die Füße. Der Hund muss sich meine Stammeleien anhören. Lautmalerei. Sirrende Granaten - oder krachen sie besser oder sollen sie jaulen ... er lässt sich nicht ablenken, gräbt Wühlmausgänge auf. Kleine Schützengräben fluten, fließen ab, und ich habe mein Ambiente für Apollinaires versiegendes Blut. Mein Hund hört sich das Gedicht an, bis ich dessen Übersetzung auswendig kann - denn ich habe meinen Stift vergessen.
Daheim all diese Nebenjobs: Die Chefin (ich) braucht dringend frischen Tee, die Köchin (ich) eilt an den Arbeitsplatz. Die Chefin (ich) schreit nach der Sekretärin (ich), zu viel Post ist aufgelaufen. Die Chefin (ich) wünscht sich einen athletischen Hinterntreter (ich? aber athletisch?) für die Behörden, die ausgerechnet jetzt wieder vorgestern Formulare ausgefüllt haben wollen. Die Sekretärin (ich) plant Überstunden fürs Wochenende ein. Die Chefin (ich) lässt mich alleine. Beauty-Termin beim Friseur über 30 Kilometer weit weg - und dann geht sie auch noch frech Kaffee trinken! Ich bleibe erschlagen am Schreibtisch zurück. Muss mir abends Frohlocken über den schönsten Stau aller Staus anhören. Bei France Musique hätten sie eine Sondersendung über die Ballets Russes gebracht, aus Nijinskys Tagebüchern zitiert, Strawinsky gespielt, zum Glück hätte sie so lange gestanden. Dafür ist die frohlockende Chefin (ich) an diesem Abend eine verdammt miese Köchin (ich) und mich (ich) reißt dann auch das Fernsehprogramm nicht mehr hoch. Es hat mich ermüdet, an diesem Tag auch noch Chauffeuse (ich) zu spielen.
In der gleichen Woche melden sich nach unendlichen Jahren plötzlich völlig verschollen geglaubte tolle Freunde von früher, für die ich eigentlich Zeit haben muss. Schließlich haben sie die Chefin (ich) gegoogelt, um mich endlich ausfindig zu machen. Mit halb geschlossenen Augen und Muskelkater in den Fingern tippe ich kurze Morsezeichen: "Auf ganz bald!" Jahre meines Lebens sausen an mir vorbei, Länder, Sprachen. Und dann fehlt mir einfach eine Sekretärin (ich).
Die wiederum (ich) lässt frech einen Termin der Chefin (ich) sausen, weil Menschen aus London via Frankreich in Deutschland am gleichen Tag eine Preziose in Sachen Nijinsky übergeben wollen. Wir brechen eine internationale Verschwörung vom Zaun und vereinbaren, dass die Chefin zu diesem Zeitpunkt dringend Labung beim Winzer braucht. Die Verschwörungstechnikerin (ich) wartet jetzt geduldig, bis die Chefin (ich) ein Schlückchen Elsässer Sylvaner geschlürft hat, und eilt derweil als Köchin (ich) an die Garnelen (nicht ich), um die Genusschefin (ich) zu fragen, ob dazu eher ein Safranrisotto oder...
Soll mal noch einer sagen, Frauen könnten sich nicht zweiteilen! Unsereins kann sich sogar selbst rädern und vierteilen.
Möge dieser Beitrag all diejenigen entschädigen, die in dieser Woche vergeblich auf Antwort von mir warten.
Mein Mailprogramm arbeitet längst mit Farben, grellgelb kommt der Alarm aus dem Übersetzungslektorat, in dem just in dieser Woche die letzten Fragen zu klären sind. Zwei Tage lang laufe ich mit dem Text eines französischen Gedichts von Apollinaire in der Tasche herum. Ich bin keine Lyrikübersetzerin, ich will eigentlich keine werden, aber dieses im Prosabuch zitierte Gedicht wurde noch nie ins Deutsche übersetzt. Ich bin die erste und ich muss es tun. Lautmalerei, Rhythmen, Gefühl für Zweideutigkeiten. "Les obus miaulaient..." Ich stapfe damit in Gummistiefeln durch überflutete Wiesen, frisch aufgebrachter Kuhmist fließt mir um die Füße. Der Hund muss sich meine Stammeleien anhören. Lautmalerei. Sirrende Granaten - oder krachen sie besser oder sollen sie jaulen ... er lässt sich nicht ablenken, gräbt Wühlmausgänge auf. Kleine Schützengräben fluten, fließen ab, und ich habe mein Ambiente für Apollinaires versiegendes Blut. Mein Hund hört sich das Gedicht an, bis ich dessen Übersetzung auswendig kann - denn ich habe meinen Stift vergessen.
Daheim all diese Nebenjobs: Die Chefin (ich) braucht dringend frischen Tee, die Köchin (ich) eilt an den Arbeitsplatz. Die Chefin (ich) schreit nach der Sekretärin (ich), zu viel Post ist aufgelaufen. Die Chefin (ich) wünscht sich einen athletischen Hinterntreter (ich? aber athletisch?) für die Behörden, die ausgerechnet jetzt wieder vorgestern Formulare ausgefüllt haben wollen. Die Sekretärin (ich) plant Überstunden fürs Wochenende ein. Die Chefin (ich) lässt mich alleine. Beauty-Termin beim Friseur über 30 Kilometer weit weg - und dann geht sie auch noch frech Kaffee trinken! Ich bleibe erschlagen am Schreibtisch zurück. Muss mir abends Frohlocken über den schönsten Stau aller Staus anhören. Bei France Musique hätten sie eine Sondersendung über die Ballets Russes gebracht, aus Nijinskys Tagebüchern zitiert, Strawinsky gespielt, zum Glück hätte sie so lange gestanden. Dafür ist die frohlockende Chefin (ich) an diesem Abend eine verdammt miese Köchin (ich) und mich (ich) reißt dann auch das Fernsehprogramm nicht mehr hoch. Es hat mich ermüdet, an diesem Tag auch noch Chauffeuse (ich) zu spielen.
In der gleichen Woche melden sich nach unendlichen Jahren plötzlich völlig verschollen geglaubte tolle Freunde von früher, für die ich eigentlich Zeit haben muss. Schließlich haben sie die Chefin (ich) gegoogelt, um mich endlich ausfindig zu machen. Mit halb geschlossenen Augen und Muskelkater in den Fingern tippe ich kurze Morsezeichen: "Auf ganz bald!" Jahre meines Lebens sausen an mir vorbei, Länder, Sprachen. Und dann fehlt mir einfach eine Sekretärin (ich).
Die wiederum (ich) lässt frech einen Termin der Chefin (ich) sausen, weil Menschen aus London via Frankreich in Deutschland am gleichen Tag eine Preziose in Sachen Nijinsky übergeben wollen. Wir brechen eine internationale Verschwörung vom Zaun und vereinbaren, dass die Chefin zu diesem Zeitpunkt dringend Labung beim Winzer braucht. Die Verschwörungstechnikerin (ich) wartet jetzt geduldig, bis die Chefin (ich) ein Schlückchen Elsässer Sylvaner geschlürft hat, und eilt derweil als Köchin (ich) an die Garnelen (nicht ich), um die Genusschefin (ich) zu fragen, ob dazu eher ein Safranrisotto oder...
Soll mal noch einer sagen, Frauen könnten sich nicht zweiteilen! Unsereins kann sich sogar selbst rädern und vierteilen.
Möge dieser Beitrag all diejenigen entschädigen, die in dieser Woche vergeblich auf Antwort von mir warten.
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