Wilde Plotter

Viele Autorinnen und Autoren leiden an einer womöglich genetischen Eigenheit: Ihr Gehirn steht nie still, wenn es ums Erfinden von Plots geht. Alles, was ihnen begegnet, wird sofort zu Geschichten umgeschrieben, aus den kleinsten Gesten und Blicken entstehen Figuren. Was ein echter gestandener Schriftsteller ist, der geht nicht ins Restaurant, um zu dinieren und sich mit seinen Begleitern zu unterhalten. Der echte Schriftsteller massakriert das Fleisch auf seinem Teller für einen Krimiplot, baut die schniefende Dicke vom Nebentisch in den nächsten Roman ein und lauscht auf den Dialog des Kommunalpolitikers am Nebentisch. Nur die Bedienung mit dem Sprachfehler muss bis zum nächsten Roman warten, wenn sie nicht bald etwas Charakter zeigt.

Am meisten Spaß macht es, gemeinsam herumzuspinnen und sich wilde Plots auszudenken. Die @kriminalistin brachte mich darauf, dass das geheimnisvolle Vogelsterben eine Steilvorlage nicht nur für Verschwörungstheoretiker, sondern auch für Buchautoren ist. Ich musste nur die Todesverteilung auf der Karte anschauen. Sofort sah ich die Südstaaten-Firma vor mir, die aufgrund der Ölpest im Golf von Mexiko umsatteln musste: auf gigantisch neue Mikrowellenherde, die sie heimlich während eines Silvester-Essens testete. Asiaten betrieben Werksspionage und klauten das Patent. Einer von ihnen konnte nach Italien fliehen...

Der Plot ist natürlich kein Knaller. Alles schon mal dagewesen. Wir erinnern uns: Die Mikrowellenherde wurden tatsächlich aufgrund militärischer Experimente erfunden. Man hatte sich gewundert, warum plötzlich in der Gegend der Tests überall gebratene Vögel von den Drähten und Bäumen fielen. So kam man auf die Idee, das Waffenkonzept auch auf chicken wings zu übertragen. Geschmackloser Plot...

Da wäre außerdem die Traumatheorie. In irgendwelchen Medien wird davon berichtet: Die Vögel hätten sich mit schwarmartiger Intelligenz ganz schauderhaft und tödlich vor etwas erschreckt. (Werbeunterbrechung: Alles nur eine PR-Kampagne dieses Bestsellerautors in den schicken Unterhosen, Schwarmdingens und so!). Der gemeine Plotter denkt natürlich scharf nach, was da im Himmel so schrecklich sein könnte, dass Vögel den kollektiven Herzinfarkt erleiden könnten. Flugobjekte? Nö, selbst Aliens müssten die Stadtvögel vom Public Viewing her kennen. Die Aschewolke ist aufgelöst. Was war es dann? Könnte es ein Schrecken biblischen Ausmaßes gewesen sein? Jemand, den man sonst nicht sieht? Jemand, um den sich auf der Erde alle Völker kloppen, bis sie ganz dusslig werden?

Die investigative @kriminalistin deckt auf: Google reimt sich womöglich auf Gott und wir sind eines Tages vielleicht unser aller Böller Untergang.

Nachsatz: Natürlich finde ich das Vogelsterben nicht lustig - ich halte es sogar eher für menschengemacht. Und vollidiotische Plots werden schon längst nicht mehr von Schriftstellern erfunden, sondern finden in der Wirklichkeit statt. Etwa wenn ein US-Gericht per Geheimverfahren dafür sorgt, dass alle Privatdaten von Wikileaks-Sympathisanten des ach so anonymen Twitter abgeliefert werden müssen. Herausgekommen ist das nur, weil sich Twitter gewehrt hat. Tja, Schwarmintelligenz kann man auch anzapfen ... und irgendwie ist jeder von uns vogelfrei.

10 Kommentare:

  1. Ein wenig rot werde ich ja schon. Es beglückt mich mehr, als ich am Sonntagmittag verkrafte, in deinem Blog Platz nehmen zu dürfen. Danke :)

    Zu den Hintergründen dieser Welt: Ich dachte, Google und Facebook seien eh eine Erfindung von – Sie wissen schon. Amazon speichert alles. Noch heute darf ich Dinge wiederverkaufen, die ich vor fünfzig Jahren bestellt hatte.

    Andererseits frage ich mich, ob der zeitgemäße Terrorist tatsächlich seine Bombenbaupläne über amazon bestellt, Facebookfreund von Bin Laden ist, auf der dortigen Pinnwand sein nächstes Reiseziel verkündet und nach „ein Anschlag bei uns wäre eine Katastrophe“ googelt.

    Was wollen die mit den wikileaks-Nutzer-Daten? Und bedeutet es nicht, dass sie, wenn sie die Mailadressen herausgefunden haben, bei gmx etc. weiterfragen, damit die Info überhaupt nützt? Wie kommt man überhaupt dazu, einem Unternehmen zu vertrauen, dass es gesammelte Daten NICHT weitergibt, was ist das, dieses naive Vertrauen in bekannte Marken...

    Die Welt ist voller Dinge, die nach Spekulationen schreien, „wir Autoren“ (für dich gilt das, für mich noch nicht in letzter Konsequenz ;-) wären ja schöne Ignoranten, wenn wir sie nicht aufgreifen würden.

    Jedenfalls hast du recht, gemeinsam macht es mehr Spaß, und das ist auch, was ich an dir besonders schätze: Du schenkst, frei von Allüren, auch Emporkömmlingen Einblicke in deine Arbeits-/Denkweisen. Du bist echt ein Knaller. Böller dieser Buchwelt, vereinigt euch :)

    (Wegen deines Captchas... neulich las ich irgendwo, auf einer Website wurde das Sicherheitswort „Hitler“ verlangt. Es hieß dann, man könne das nicht steuern. Ja, ja.)

    Liebe Grüße von der wieder mal inspirierten kriminalistin

    AntwortenLöschen
  2. Nanana, Angela, übertreibst du nicht ein wenig mit dem Knaller? ;-) Nenne mir ein einziges vernünftiges Argument, warum ich mit anderen Menschen nicht auf Augenhöhe kommunizieren sollte! Und wenn mir etwas gefällt, dann empfehle ich es ohne Ansehen der Person ;-)

    Du bringst mich ja schon wieder auf einen neuen Plot. Thriller: "Das Bulimiesyndrom".

    Weltweit leiden die Geheimdienste an Datenüberfütterung, die Darmleitungen des Internet blähen sich, in den Nachrichtenzentren macht sich ein Computervirus namens "FETT 2.0" breit. In geheimer Mission ordert die Regierung eines gewissen Landes Wikileaks als Abführmittel. Politiker aller Länder blasen alles, was sie haben, ins Web, bevor die eigenen Winde Krämpfe verursachen.

    Aber das führt zum gigantischen Stromnetzüberlastungs-Super-GAU. Weltweit gehen die Lichter aus, das Internet frisst und frisst und spuckt ohne Unterlass Daten. Ein mongolischer Kamelzüchter, der sein Leben lang offline war, übernimmt daraufhin die Weltherrschaft...

    jaja, ich geh ja schon...

    AntwortenLöschen
  3. Flammkuchen alleine kann es nicht sein bei dir ;-)

    Sehr schön. Der größte Clou, den die Regierungen je zustande gebracht haben, war übrigens, allen Böllern dieser Welt eine eigene Homepage zu ermöglichen.

    Zuerst boten sie geocities an, später kamen blogger.com und andere hinzu. Viele Terroristen, die als Hamburger Meerschweinchenhändler (http://bit.ly/edjdQi) angefangen hatten, veröffentlichten ihre gesamten Bewegungsprofile freiwillig im Netz (in der Praxis bewegten sie sich allerdings nur zwischen Haus und Stall, Einkäufe erledigten sie über amazon).

    Obwohl die Fürze zahlreich und die Verstopfung durch FETT 2.0 spürbar war, wurden ferner Foren geschaffen, Facebook, jippy und jappy und Twitter.

    Weitere Geheimdienste werden folgen. Und eines Tages wird sich auch der mongolische Kamelzüchter einen C64 zulegen. Das wird sein Ende sein.

    Und warum steht das Google-StreetView-Auto in der Garage von von Guttenberg?

    AntwortenLöschen
  4. Habe ich „Clou“ gemeint? Ich glaube, ich wollte „Clou“ schreiben. Die schicken mir Erdstrahlen!

    Außerdem noch ein Beispiel für kommerzielle Projekte, die in Wahrheit vom BND gesteuert werden: http://bit.ly/gZf4pQ
    Zitat: „Am 15. Februar 2009 ist in einem Bericht über ein Treffen deutscher und amerikanischer Geheimdienstler erstmals die Rede davon, dass das Satellitenprogramm von einer zivilen Behörde - etwa dem für die Raumfahrt zuständigen Wirtschaftsministerium - getragen und aus Gründen der "politischen Optik" von einer "kommerziellen Einheit" betrieben, sein Einsatz aber vom BND "geleitet/kontrolliert/koordiniert" werden solle“

    AntwortenLöschen
  5. Oh Angela, der Turning Point mit dem C64 und dem guten Guttenberg war gemein. Was mach ich jetzt im nächsten Akt!?!
    Ich lasse den C64 von einem elsässischen Winzer klauen, der damit bei Ebay völlig überteuert einen Weinberg in die Champagne verkauft - an unsere Carla, die inkognito shoppen war, obwohl die Staats... ähm Haushaltskasse leer war.

    Und wenn wir hier so weitermachen, kommen demnächst kleine weiße Männchen ins Blog, mit Jacken, deren Ärmel auf dem Rücken verschlossen werden.
    Kannst du Comics zeichnen? Ich finde, das sollte ein Comic-Thriller werden. ;-)

    AntwortenLöschen
  6. Und vielleicht kommt bei der Einführung von Eurer Carla unser KT wieder ins Spiel. Der könnte doch theoretisch genau in ihr Beuteschema passen.

    Sie hat ihn nämlich (weil er ja ein guter und adeliger Teutone ist!)unter der Maßgabe nach Paris gelockt, dass sie ihm das Geheimnis der toten Vögel enträtseln könne. Die sind nämlich aufgrund einer absolut supergeheimen Zusammenarbeit zwischen dem koreanischen Geheimdienst und einer Nachkommin der Hexe Morgain (Du weißt schon, die aus der Artussage...) gestorben, weil da die unsichtbare und nicht nachweisbareSuperwaffe schon in der Erprobung sei.

    Und damit niemand mitbekommt, dass er in Paris ist, hat sie ihm das Auto von Google View in die Garage gestellt. Wenn er damit rumfährt, fällt er nicht auf!

    AntwortenLöschen
  7. (Ich habe heute mein Hirn an ein Stahlgeländer gedonnert. Weiß noch nicht, ob dies das Plotten behindert oder fördert. Wer ist KT – der Guttenberg? Oder ein Kriegstreiber? Kameltreiber? Spontan ist ein KT für mich natürlich ein Kriminaltechniker.

    Shit, ich glaube, das Google-Auto hat mich heute geschubst. Fühle mich doch etwas eingeschränkt. Grüße! – Und nein, echte coole Comics leider nicht)

    AntwortenLöschen
  8. KT - die inzwischen allgemeingültige Abkürzung für den zu Guttenberg.

    Karl Theodor....

    AntwortenLöschen
  9. Ich blamiere mich gern öffentlich. Dachte, der hieße Steve ;-)

    Also, dem Hirn geht es besser: Kameltreiber Guttenberg bietet Nicolas fünfzig Kamele, der aber will Carla nicht hergeben. KT erhöht: Noch fünf Millionen Chinakracher oben drauf. Nicolas zögert. Okay, noch Nutella und die Superbombe. Nicolas schlägt ein. Anschließend schlägt auch Carla zu. Und schließlich die Bombe...

    (Ich wollte eigentlich dauernd „Coup“ schreiben. Scheinbar kommt mir das Wort nicht über die Finger, wenn Paul Newman nicht mitspielt.)

    AntwortenLöschen
  10. Mir juckt's ja in den Fingern, aber ich muss brav Hausaufgaben machen. Frauenwoche ruft. ;-)

    AntwortenLöschen

Deine Sicherheit:
Mit restriktiven Browsereinstellungen kannst du nur als "Anonym" und mit "Namen / URL" kommentieren. Möchtest du dein Google-Profil verwenden, musst du aktiv im Browser unter "Cookies von Drittanbietern" diejenigen zulassen, die nicht zur Aktivitätenverfolgung benutzt werden. Nur so kann das System dein Profil nach Einloggen erkennen.

Mit der Nutzung dieses Formulars erkläre ich mich mit der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten durch Google einverstanden (Infos Datenschutz oben im Menu).
(Du kannst selbstverständlich anonym kommentieren, dann aber aus technischen Gründen kein Kommentarabo per Mail bekommen!)

Spam und gegen die Netiquette verstoßende Beiträge werden nicht freigeschaltet.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Powered by Blogger.